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Mit Baufahrzeugen ins Kulturdenkmal

Einer der schönsten Friedhöfe Deutschlands, soweit man das vom Kulturraum Friedhof sagen kann, ist in Hamburger Ohlsdorf. Stadtplaner im begehrten Wohn- und Immobilienstandort Hamburg möchten aber von diesem Landschaftspark-Areal zehn Hektar für gemischte Bebauung abtrennen. Selbst wenn das in einem Randgebiet liegt, im Anzuchtgarten, also nicht auf dem eigentlichen Friedhofsgelände, gibt es Widerstand.

Von Werner Nording | 25.03.2006
    Um den Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg zu erkunden, muss man mit dem Auto unterwegs sein. Wie ein grüne Oase hat der Hamburger Senat den Hauptfriedhof für alle Glaubensgemeinschaften und alle Bürger bereits 1877 mitten in der Stadt anlegen lassen. Nie wieder sollte es einen Mangel an Bestattungsfläche geben, sagt der Sprecher der Hamburger Friedhöfe, Lutz Rehkopf.

    " Wir haben insgesamt 17 Kilometer Straßennetz, haben zwei eigenen Buslinien, die nur auf dem Friedhof verkehren....das ist erschlossen über Zufahrten, Autoverkehr gibt’s hier auch, denn anders kann man den Friedhof in seiner Größe nicht erschließen. "

    Das 130 Jahre alte Gelände mit seinen ehrwürdigen Mausoleen aus der Gründerzeit ist das Lebenswerk des Hamburger Friedhofsdirektors Wilhelm Cordes. Der Baumeister hat den romantischen Parkfriedhof wie einen englischen Landschaftsgarten geschaffen mit seinen der Natur nachempfundenen Wegeführungen, Gewässerformen und Pflanzungen. Bis heute ist der Friedhof, Erholungsraum und Bestattungsfläche zugleich. Zwei Million Besucher kommen jährlich hierher, um Ruhe zu suchen. Grillen Joggen oder das Ausführen von Hunden ist verboten. Neben dem Rathaus und der Speicherstadt zählt die Friedhofsanlage zu den großen Repräsentationsprojekten in Hamburg.

    Ausgerechnet hier sind jetzt die Baufahrzeuge angerückt. Auf einem 10 Hektar großen Teil des Anzuchtgartens des Friedhofs sollen 200 Wohnhäuser entstehen. Anwohner haben sich zu einer Bürgerbewegung zusammengeschlossen, um die Neubauten auf dem Hauptfriedhof doch noch zu verhindern, sagt Andrea Gödecken. Ihre Großeltern seien mit dem Schöpfer des Friedhofs befreundet gewesen, erklärt die 55jährige, ehemalige Lehrerin ihr Engagement. Mehr als 200 Anwohner aus dem Stadtteil Klein Borstel hätten sich bereits gegen die Bebauung des Friedhofs ausgesprochen.

    " Aber es sind auch viele von außerhalb, die meinen, dass so ein wunderschönes Areal nicht einfach zerstört werden kann bzw. ein Teil abgeschnitten und da eine völlig verdichtete Bebauung, davor haben wir Angst, dass das weder sozialverträglich ist noch für die Natur, das steht für mich an erster Stelle, vertretbar ist. "

    Auf dem Friedhof seien der Schriftsteller Wolfgang Borchert begraben, die Gründerin der Hamburger Kammerspiele Ida Ehre, der Intendant des Deutschren Schauspielhauses Gustav Gründgens, aber auch der Reeder Albert Ballin, die Tierpark-Familie Hagenbeck oder der Zeitungsverleger John Jahr. Mit der Wohnbebauung greife der Senat zum ersten Mal in den Bestand des Friedhofs ein. Neben dem kulturellen Wert habe sich der Ohlsdorfer Friedhof aber auch zu einem Naturjuwel entwickelt. Mitten in Hamburg sei über die Jahrzehnte ein Biotop entstanden, in dem sogar Uhus und andere seltene Nachtvögel überleben könnten.

    " Ich finde es völlig gegen das Leben, hier alles runterzuschreddern, die ganzen Bäume und Pflanzungen und per Gewalt Leute hierherzusetzen, da gibt es so viele andere flächen, Konversionsflächen z. B. von der Bahn es gibt so viel Brachliegendes, wo was gebaut werden könnte, da muss man nicht dieses stück Natur zerstören, das ist für mich das Allerwichtigste. "

    Der Sprecher der Friedhofsverwaltung bestätigt, dass man dabei sei, den alten Baumbestand auf dem Baugelände zu fällen. Schließlich habe sich die Stadt nach einem jahrelangen Rechtsstreit mit der Bürgerbewegung Klein Borstel durchgesetzt.

    " Wir haben seit dem 8.2. einen geltenden Kaufvertrag und da wurde vereinbart, dass wir die Fläche rein übergeben, daher werden die Gebäude, das sind alte Gewächshäuser niedergelegt, wir werden nur zwei behalten, viele der Bäume, die sie hier sehen, werden gefällt, ja. "

    Der Sprecher betont aber, dass sich das Neubaugebiet nicht auf dem eigentlichen Friedhof befinde. Bebaut werde lediglich eine Fläche des Anzuchtgartens.

    " Dies handelt sich nicht um die Fläche des Ohlsdorfer Friedhofs, das ist etwas irreführend, dieses hier war nie Bestattungsfläche und gehörte nicht unmittelbar zum Ohlsdorfer Friedhof dazu. Es werden keine Grabstätten geräumt, keine Grabstätten irgendwie tangiert, der Ohlsdorfer Friedhof bleibt in seiner Gänze, so wie er angelegt wurde, erhalten. "

    Ob Anzuchtgarten oder Friedhofsgelände ist für die Gegner des Baugebiets egal. Friedhofsdirektor Cordes habe seinerzeit das Gelände als Ganzes geschaffen und verfügt, dass es so erhalten bleiben solle. Vor seiner Wahl zum Bürgermeister habe der Hamburger Regierungschef Ole von Beust öffentlich versprochen, den Ohlsdorfer Friedhof nicht anzutasten. Nach seiner Wahl habe er dieses Versprechen wohl vergessen, kritisiert Andrea Gödecken.

    " Es geht hier lediglich darum, dass die Regierung Ole von Beust irgendwo her Geld kriegen will und alles verkauft, er wird ja nicht umsonst der Berlusconi von Hamburg genannt. "