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"Mit bösen Absichten" erfolgreich

Er heißt Alessandro Piperno, kommt aus einer alteingesessenen römischen Familie, unterrichtet französische Literatur an der Universität, ist ein großer Verehrer von Proust und war bis vor einem Jahr ein unbekannter Mann. Dann veröffentlichte Piperno seinen literarischen Erstling und landete sofort einen Erfolg: 20.000 Exemplare gingen in den ersten drei Wochen über den Ladentisch. Piperno schert sich nicht um politische Korrektheit. 1972 in einem jüdisch-katholischen Milieu geboren, weiß er, wovon er erzählt. "Mit bösen Absichten" ist auf Deutsch erschienen.

Von Maike Albath | 23.04.2006
    Der Titel ist vielversprechend: "Mit bösen Absichten" nennt Alessandro Piperno sein literarisches Debüt. Sollte da etwa ein Provokateur am Werk sein? Ein Nestbeschmutzer? Ein erfrischender Ketzer? Schon lange wartet man auf so eine Person. Endlich ein bisschen Sand im Getriebe der gut geölten italienischen Literaturszene. Und in der Tat, Sujet und Tonfall sind gar nicht uninteressant.

    "Bepy spürte mehrere Stunden, nachdem er die Diagnose eines Blasentumors kassiert hatte, es gab kein Entrinnen, da suchte er sich aus der unendlichen Zahl schauderhafter Fragen diese aus: Werde ich noch eine Frau ficken können oder war das schon alles?"

    So hebt der Erzähler – in der deutschen Fassung grammatisch leider eher ungelenk - von Pipernos Roman an und stimmt uns ein auf seine Familien-Pathogenese. Er ist nicht nur ein bekennender Snob und abgebrühter Bildungsbürger, sondern vor allem ein mit allen Freudschen Wassern gewaschener Kenner psychischer Verkrustungen, weshalb er seine weitschweifige Selbststudie natürlich mit einem Porträt des Patriarchen beginnen lässt. Und der Großvater Bepy ist der Prototyp eines Ur-Vaters – wie eine Naturgewalt bricht er über seine Söhne und Enkel herein, gnadenlos und unausweichlich. Bevor Daniel, so lautet der Name unseres Helden, auf die verheerenden Folgen dieser alles zermalmenden Omnipotenz zu sprechen kommt, nimmt er den Großvater unter die Lupe, präziser: dessen Erotomanie und kämpferisch zu Schau getragenes Schürzenjägertum. Schon der erste Satz ist ein kleiner Tusch: Die Diagnose Blasentumor und die entrüstete Reaktion des Großvaters werden in einem Atemzug abgehandelt. Ein operativer Eingriff, der sein wichtigstes Werkzeug in Gefahr gebracht hätte, kommt für Bepy natürlich nicht in Frage. Obwohl Bepy mit seiner prosperierenden Tuchhandlung auf spektakuläre Weise bankrott ging und auf der Flucht vor seinen Gläubigern für eine Weile in die USA verschwand, gewöhnte er sich seinen aufwändigen Lebensstil nie ab. Dazu gehört neben einer standesgemäßen Gattin, einer weitläufigen Wohnung in Parioli, Dienstboten, tadellosen Anzügen und Manschettenknöpfen natürlich auch eine Geliebte. Vor seiner 30 Jahre jüngeren Spielgefährtin als geschlechtsloser Greis da zu stehen, ist für ihn eine größere Kränkung als der berufliche Niedergang.

    Aufrecht überantwortet er sich dem Tod, hingebungsvoll gepflegt von seiner Angetrauten Ada, die sich wenigstens in den letzten Wochen ihrer Ehe seiner Treue gewiss sein kann. Dem verschüchterten Enkel Daniel erscheint der polternde Großvater wie hemmungsloser Satyr. Während eines Skiurlaubs in Cortina gibt Bepy seinen gerade mal neunjährigen Enkeln sein Patentrezept preis, das in allen Lebenslagen zu beherzigen sei: ein Tennismatch, eine ordentliche Abreibung mit Kölnisch Wasser kombiniert mit Geschlechtsverkehr, etwas Besseres könne man für Körper und Geist nicht tun. Um sich zu vergewissern, dass bei Daniel und seinem Bruder die körperliche Ausstattung in Ordnung ist, lässt er seine Enkel mit heruntergelassenen Hosen antreten und begutachtet den Zustand der Genitalien.

    Diese Einschüchterungsmanöver sind typisch für Bepy Sonnino, der mit seiner selbstherrlichen Art schon manchen verschreckt hat. In ganz Rom fürchtet man die geschäftliche Schlitzohrigkeit des Lebemannes, neidet ihm zugleich seine Stilsicherheit und sein elegantes Auftreten. Von der Bügelfalte bis zum Einstecktuch stimmt jedes Detail. Vor allem die römische Frauenwelt erliegt regelmäßig seinem Charme, denn kaum betritt Bepy Sonnino einen Salon, bedenkt er jede, wirklich jede der anwesenden Damen mit Schmeicheleien. Den fanatischen Formwillen und den zügellosen Lebenshunger seines Großvaters deutet Daniel als Reaktion auf erlittene Schicksalsschläge. Zwar waren seine Großeltern nicht Opfer der Judenverfolgung geworden, aber sie hatten mit ansehen müssen, wie Verwandte in deutsche Vernichtungslager deportiert wurden.

    "Hätte es diese kollektive Verdrängung nicht gegeben, wie hätte Großmutter Ada – der die Nazis zwei kleine Cousinen und ein Dutzend anderer Verwandter vernichtet hatten (auch wenn man in der Familie aus Feingefühl den euphemistischen Ausdruck 'weggebracht' vorzog) – es sonst geschafft, mit solcher Ergriffenheit am Ende jedes Sommers dem Trocknen ihrer Hortensien beizuwohnen? Nichts Merkwürdiges im Grunde genommen: Bepy und Ada hatten das Gefühl, die Welt sei ihnen etwas schuldig. Das ist alles. Gewöhnlich entwickeln die Leute, die knapp am Tod vorbeigekommen sind, in der Folge des Traumas eine Umsicht, die sich als Albtraum bei Nacht oder Vorahnung am Tag verbrämt. Die Sonninos dagegen erteilten sich eine besondere Immunität, die einerseits von der Überzeugung getragen wurde, dass wer den Mut gehabt hatte, ein so riesiges Unglück durchzustehen, auch dazu ausgerüstet sei, darauf folgende Schläge von gewiss geringerem Ausmaß zu verschmerzen, und die andererseits vom Bewusstsein des Rechts auf Wiedergutmachung getragen wurde, das jegliche liberale Gesetzgebung (so offensichtlich im Widerspruch zu den Gesetzen des menschlichen Schicksals) garantiert. Die GESCHICHTE sollte ihnen zeigen, dass es besser ist, mit fünfundzwanzig Jahren von den Nazis verfolgt zu werden, in der Hoffnung davonzukommen, als mit sechzig plötzlich ohne Geld in der Tasche dazustehen und im Herzen einer grausam gleichgültigen westlichen Demokratie der öffentlichen Missbilligung ausgesetzt zu sein. "

    In ausschweifenden Satzschleifen und mit einem genussvoll herätischen Unterton erklärt Daniel die Eigenarten seiner Familie und erläutert die spezielle Philosophie der Sonninos, ergänzt durch Porträts seiner Anverwandten, die wie Schnappschüsse aneinandergereiht sind und die zeitliche Chronologie immer wieder durchbrechen. Die Verknüpfung gegensätzlicher Sphären wie Geschäftswelt und Judentum, Holocaust und Aufschneiderei, Katholizismus und sexuelle Entgleisungen erzeugt eine gewisse Spannung, denn Piperno schert sich weder um Tabus noch um politische Korrektheit. In seiner kleinen Ahnengalerie folgt auf den Großvater zunächst dessen Sohn Theo, Daniels Onkel, der aus Trotz gegen die hedonistische Haltung Bepys nach Israel auswandert, sich dem Zionismus verschreibt, eine russische Jüdin heiratet und einen bildhübschen Sohn zeugt. Ausgerechnet dieser Sohn, Daniels Cousin, sollte indirekt zum Rächer Bepys werden, indem er sich nämlich zur Schwulenbewegung bekennt und statt gesellschaftlichem Engagement für Israel lieber eine neue Ausprägung der großväterlichen Diesseitigkeit zelebriert.

    Die Sonninos haben also einiges zu bieten an Versponnenheiten, und während jede Generation ihre charakteristischen Macken entwickelt, wächst unser Ich-Erzähler in großbürgerlichen Verhältnissen in Rom heran. Weil seine Großeltern den Faschismus so gründlich vergaßen und mit der Vergangenheit nichts zu tun haben wollten, ist alles, was mit Gefühlen verknüpft ist, äußerst verpönt. Jede Form von Innerlichkeit wird kurzerhand vom Tisch gewischt. Angst, Kummer, Schwäche – papperlapapp, ausreichend Bargeld, ein tadelloser Anzug, Sport und, wie gesagt, prickelnder Sex, etwas anderes sollte einen Sonnino nicht kümmern.

    Natürlich sind die Wunden mitnichten verheilt. Piperno kennt seinen Freud und exzerziert am Beispiel von Großvater, Söhnen und Enkeln auf eindrückliche Weise das durch, was man transgenerationelle Traumatisierung nennt. Die Verletzungen verkapseln sich, werden von Vater zu Sohn weiter gegeben, nehmen neue Formen an und kommen dann in der Enkelgeneration wieder zum Vorschein. Bei Daniels Vater Luca, der als Albino äußerlich gezeichnet ist, funktioniert das zähneknirschende Verdrängungsprogramm von Bepy noch: Trotz seiner auffallenden Hellhäutigkeit strotzt Luca vor Selbstbewusstsein. Als sein Vater Pleite geht, spuckt er in die Hände und baut das Familienimperium neu auf, schon allein deshalb, um vor der schwerreichen Sippe seiner katholischen Ehefrau nicht als Verlierer dazustehen. Er ist eine zähe Kämpfernatur, den Niederlagen eher stärken, gleichzeitig beherrscht er wie sein Vater die Kunst des makellosen Auftritts und wird von Daniel als "Fürst der Oberflächen" apostrophiert.

    Kein Wunder, dass sein Zweitgeborener, unser Erzähler Daniel, umso stärker von Neurosen heimgesucht wird. Er mausert sich zu einem veritablen Woddy-Allen-Verschnitt: beherrscht von einer Mischung aus Anpassungssehnsucht und störrischem Eigenbrötlertum. Einerseits ist er stolz auf seine Herkunft, andererseits leidet er unter der ungeklärten Beziehung seines Vaters und seines Großvaters zum Judentum, und dann wird Daniel, der ironischerweise nach eigener Aussage typisch jüdisch aussieht, das Judentum auch noch abgesprochen. Er sei kein Jude, zischt ihm der Vater zu, als er sich auf Bepys Beerdigung bereit erklärt, den fehlenden zehnten Mann für das Kaddisch zu ersetzen. Und selbst in seinen unbeholfenen Versuchen, dem Einfluss seiner Familie zu entkommen, bezieht er sich laufend auf sie. Die ersten Störungen zeigen sich während der Pubertät. Sexualität, kein Wunder bei dem Potenzgehabe seines Großvaters, ist Daniels Problem. Er entwendet Unterwäsche und Strumpfhosen aus fremden Badezimmern und wird zum Fetischisten.

    "Das Zimmer, das ich als Sechzehnjähriger hatte, ist ein Horrormuseum. Körbe, Schubladen, Schränke voll gestopft mit Strümpfen, Söckchen, Pantoffeln und Schuhen. Niemand kann den unbezähmbaren Gefallen am Sammeln, den ein Serienmörder hat, besser verstehen als ich (das Wort Gefallen ist vielleicht hier fehl am Platz, denn es scheint auf eine überlegte und ästhetisch bewusste Auswahl hinzuweisen. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Zwang zum Diebstahl, dem man unbedingt nachkommen muss). Von der ersten Zeit an katalogisierte ich den Haufen schmutziger Stoffe in cartesianisch-enzyklopädischer Ordnung: Alter der Opfer, Jahr der Beschlagnahme, Anzahl der dem Artikel gewidmeten Masturbationen."

    Daniel entwickelt zusehends unsympathische Züge: Zwar kann man seine Verdruckstheit als Reaktion auf den Großvater nachvollziehen, aber die Heimlichtuerei, seine selbstmitleidige Koketterie, der grenzenlose Narzissmus und die unterwürfige Haltung seinen Freunden gegenüber rückt ihn in ein anderes Licht. Seinen Helden zu einer ambivalenten Figur zu wandeln, ist ein kluger Schachzug von Piperno – mit eindimensionalen Charakteren gibt er sich nicht zufrieden, außerdem hält er auf diese Weise die Spannung aufrecht. Nicht immer ist das Verhältnis zwischen beschreibenden Passagen und Handlungshöhepunkten ausgewogen, manchmal tritt die Geschichte auf der Stelle und mitunter gefällt sich Piperno in seriellen Anspielungen auf die Weltliteratur. Natürlich ist auch dieser Gestus der Eitelkeit seiner Hauptfigur geschuldet, aber statt die Namen großer Schriftsteller von Thomas Mann über Saul Bellow, Hemingway, Dante, Henry James, Dostojewski, Henry Miller, Tolstoi, Pasternak, Moravia, Flaubert und Svevo aneinanderzureihen, hätte er subtiler über Motive oder parallele Strukturen auf sie verweisen können. Manchmal reitet er allzu lange auf seinen Einfällen herum, und an einigen Stellen hätte man ihm ein gründlicheres Lektorat gewünscht, wenn beinahe wortgetreu bereits getroffene Charakterisierungen zum dritten Male wiederholt werden.

    Man verzeiht dem römischen Debütanten diese typischen Anfängerfehler, weil er sonst einiges zu bieten hat. Während im ersten Teil von "Mit bösen Absichten" die Sonninos im Mittelpunkt stehen und einer groben Zeiteinteilung von den 50er bis in die 70er Jahre zufolge präsentiert werden, installiert Alessandro Piperno im zweiten Teil seines Romans eine Rahmenhandlung. Daniel reist kurz nach dem 11. September 2001 in die USA, wo er an einem Symposium teilnimmt und in New York einen Schulfreund trifft. Die Begegnung wird zum Anlass einer Rückschau auf die 80er Jahre und die Schulzeit an einem legendären Gymnasium der römischen "jeunesse dorée". Auslöser der Leiden des jungen Sonnino ist – natürlich - eine unglückliche Liebe, die ihn während der Sommerferien in der Villa eines ehemaligen Geschäftspartners seines Großvaters trifft. Daniel ist von der Ehrerbietung, die Luca dem schwerreichen Nanni Cittadini entgegenbringt, angewidert. Denn Nanni strotzt vor Selbstherrlichkeit, hegt antisemitische Neigungen, trieb seinen Sohn in den Selbstmord und kann außer einem untrügerischen Geschäftssinn und einer adeligen Gattin kaum Verdienste vorweisen. Während er seinen Enkel Giacomo, der ihn vermutlich an sein Scheitern als Vater erinnert, links liegen lässt, ist dessen Schwester Gaia sein Augenstern. Binnen Sekunden verfällt auch der 14-jährige Daniel diesem hellhäutigen, blonden Geschöpf. Als Gaia nach den Sommerferien auch noch seine Klassenkameradin wird, beginnt eine jahrelange Qual. Höhepunkt der Leidenslust ist ein gemeinsamer Weihnachtsstadtbummel.

    "Es ist erst vier Uhr, es herrscht eine trockene Kälte, vor der man sich leicht und angenehm schützen kann. Die nach Tisch eintretende Ermattung lähmt die Gehirne in dem diamantenen Licht. Alles empfängt den abendlichen Segen des porzellanenen Halbschattens, der den Verputz der Mauern allmählich überzieht. Gaia und ich sprechen jetzt ohne Unterlass. Wovon sprechen wir? Von nichts. Davon, wie unerlässlich das Nichts ist. Davon, wie lehrreich das Nichts ist. Davon wie nichts dich glücklicher macht als das Nichts. Sie gibt mit einer schrecklichen Unbefangenheit Geld aus. Sie ist die Freude ungläubiger Ladenbesitzer und neurotischer Verkäufer. Die Maßeinheit ihrer Einkäufe ist das Dutzend. Was sagst du dazu? Weißt du für wen? Für Tante Edna... Das ist für Dada, sie wird umfallen... Das hier für meine Kinderfrau... Die Tüten vermehren sich im selben Rhythmus, wie die Silben frenetisch verschwendet werden. Diese Inkontinenz in den Worten und im Konsum scheint in keinerlei verwandtschaftlicher Beziehung zu Nannis endemischer Sparsamkeit zu stehen, und noch viel weniger zur sorglosen Verschwendung von Großmutter Sofia. Diese Hemmungslosigkeit ist gewaltsam, manchmal sogar überheblich, und trotzdem für mich so unwiderstehlich – ich, der persönliche Groupie Gaias: ihr bebrillter Anbeter, der sie nie ficken wird. "

    Gaia rät ihm, welche Schmach, schwesterlich zu Kontaktlinsen, denn er habe doch eigentlich ganz schöne Augen. Daniel verpasst die Gunst der Stunde und verschweigt ihr seine Liebe – er traut sich also nicht, wirklich zu leben, denn das hieße, die Möglichkeit des Scheiterns in Kauf zu nehmen. Stattdessen frönt er lieber der Masturbation. Als Gaia dann ausgerechnet seinen besten Freund Dav auserwählt und sich später in verschiedenen Spielchen erotischer Natur erprobt, ist es um Daniels Gleichmut geschehen: Es kommt zum Eklat. Ein typisches Pubertätsdrama, könnte man denken, wie wir es aus unzähligen Romanen über die erste Liebe, Verrat und den Schmerz der Zurückweisung kennen – was ist an Alessandro Pipernos Familiengeschichte anders? Wie erklärt sich der bahnbrechende Erfolg?

    Piperno verzichtet auf eine banale identifikatorische Erzählweise, setzt den zwiespältigen Charakter seines Helden als handlungstreibendes Element ein und wendet sich ohne Scheu dem Geschlechtlichen zu, was im katholischen Italien immer Aufmerksamkeit garantiert. Mit ironischen Brechungen knüpft Piperno an die Phallus-Manie eines Alberto Moravia an und zeigt in seinem flotten Gesellschaftspanorama außerdem die Folgen der Wohlstandsverwahrlosung auf: das großbürgerliche Getue von Nanni ist nichts als Fassade, nur sein Enkel Giacomo drückt in seinem Elend die inneren Verheerungen aus. Nicht zuletzt entlarvt der römische Schriftsteller den unterschwelligen Antisemitismus und arbeitet die Lage einer jüdischen Familie kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf, was im verdrängungssüchtigen Italien, wo der Faschismus bis heute eher unter den Tisch gekehrt wird, ebenfalls auffällt. Am Ende wird Daniel dann doch noch zum Rächer seines Großvaters: Alles steuert auf eine finale Katastrophe zu, die just an Gaias 18. Geburtstag eintritt. Ganz Rom nimmt an den Vorbereitungen Anteil.

    "Achter Juni neunzehnhundertneunundachtzig: zweiundfünfzig Stunden vor der Stunde X, das Ereignis rückt mit der dröhnenden Ungeduld eines Sommergewitters näher. Alles ist fertig: Der Park der Familie Cittadini ist inszeniert für den Empfang von fünfhundert Gästen; die Flaschen sind kaltgestellt, die Einladungen längst angekommen; der römische Lokalteil des 'Messaggero' spricht von dem Ereignis als einem Termin, den man nicht versäumen darf; die Rechte der Fotos sind bereits an eine Gossip-Illustrierte verkauft, Nanni hat versprochen, dass der Ertrag an eine katholische Organisation weitergeleitet wird, die sich um unterernährte peruanische Kinder kümmert; ganz zu schweigen von den Freundinnen meiner Mutter – die über vierzig Jahre alten Kanastaspielerinnen vom Mittwochnachmittag - , die mich zwischen einer warmen Minipizza und einem Schluck Twinings einem regelrechten Verhör unterzogen haben: 'Weißt du, wer ihr Kleid gemacht hat?... Stimmt es, dass sie allein für weißen Trüffel ein Vermögen ausgegeben haben?... Dass sie ein Flugzeug gemietet haben, um Leute aus England abzuholen?... Dass sie über eine Freitreppe voller Blumen herunterkommen wird?...'"

    Wohltuend sticht Alessandro Piperno aus dem an amerikanischen Short Stories geschulten Kurzsatzschema heraus, das auch in Italien einen Einheitstrend unter Jungschriftstellern zur Folge hatte. Der Kontrast zwischen der gewählten Ausdrucksweise mit den Nebensatzkaskaden und den drastischen Zoten erzeugt immer wieder Komik. Die Übersetzerin Marianne Schneider, durch ihre großartigen Übertragungen von Gianni Celati und Ermanno Cavazzoni für ihr Feingefühl und ihre schwebende Eleganz bekannt, ist in diesem Buch leider nicht immer auf der Höhe des Originals. Pipernos komische Gravitas, die im Italienischen eine wabernde Ironie besitzt, seine verschrobenen Redewendungen und die proustartigen Verschachtelungen klingen im Deutschen mitunter geschwollen, holprig und gestelzt. Dass ausgerechnet der erste Satz missglückt ist, sollte aber die Lust auf "Mit bösen Absichten" nicht schmälern. Alessandro Piperno gelingt ein bemerkenswertes Debüt von erfrischender Respektlosigkeit.