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Mit Currypulver auf Sprengstoffsuche

Technik. - Zum Schutz vor Sprengstoff werden gerade an Flughäfen ganze Kaskaden von Detektoren aufgeboten, die Passagiere samt ihrem Gepäck durchleuchten. Möglicherweise lassen sich Sprengstoff-Schmuggler aber auch viel leichter dingfest machen? US-Forscher haben kürzlich einen optischen Sprengstoffschnüffler präsentiert, der sich die Leuchtkraft einer bekannten indischen Gewürzmischung zunutze macht.

Von Ralf Krauter | 15.04.2011
    Kurkumin ist das leuchtende Gelbwurz-Extrakt, das Curry-Mischungen ihre orange-gelbe Farbe verleiht. Neben Köchen interessieren sich längst auch Mediziner für den Stoff, denn Kurkumin wirkt krebs- und entzündungshemmend. Auch der Physikstudent Abhishek Kumar wollte zunächst mehr über die biologischen Wirkungen des intensiven Farbstoffs erfahren. Doch dann wurde ihm klar: Seine optischen Eigenschaften sind viel spannender.

    "Als wir Currypulver genauer untersuchten, stellten wir fest: Es müsste hervorragend für den Bau optischer Sensoren geeignet sein."

    Kurkumin-Moleküle fluoreszieren: Bestrahlt man sie mit unsichtbarem UV-Licht, senden sie ihrerseits Licht einer anderen Wellenlänge aus. Wie intensiv es ist, hängt entscheidend davon ab, ob andere Moleküle an das Kurkumin gebunden haben. Schon feinste Konzentrationen anderer Substanzen lassen das Fluoreszenzlicht merklich fahler werden. Und genau das ist der Schlüssel für den Bau hochempfindlicher Spürnasen, die feinste Verunreinigungen der Luft registrieren.

    "Für praktische Anwendungen braucht man einen dünnen Film des optisch aktiven Materials. Mit konventionellen Beschichtungsverfahren, bei denen Tropfen einer Lösung verdampfen, gelingt das aber nicht. Kurkumin-Moleküle lieben sich so sehr, dass sie sofort zusammen klumpen. Dann leuchten sie kaum noch und lassen auch keine anderen Moleküle mehr an sich heran. Um das zu verhindern, brauchten wir einen Kunststoff, der die Kurkumin-Moleküle auf Abstand halten kann."

    Bei PDMS, einem zähflüssigen Polymer, wurden die Forscher von der University of Massachusetts in Lowell fündig. Mit ein paar chemischen Tricks gelang es ihnen, Kurkumin-Polymer-Filme herzustellen, die nur 40 Nanometer dick sind – tausendmal dünner als ein menschliches Haar.

    Je nach Präparation der Kurkumin-Moleküle, könnte solch ein optischer Sensor auf alle möglichen Substanzen in der Luft ansprechen. Die US-Forscher haben es allerdings auf Sprengstoffspuren abgesehen. Deshalb verpassten sie den Kurkumin-Molekülen ein Anhängsel, an dem sich Sprengstoffe wie TNT oder Nitropenta gerne anlagern. Dann bestrahlten sie ihre Farbstoff-Filme mit UV-Licht, leiteten zeitgleich mit Explosivstoffen verunreinigte Luft darüber und schauten, was passiert. Kumar:

    "Sprengstoffmoleküle sind sehr klein und deshalb extrem schwer nachzuweisen. Sobald eines mit einem Kurkumin-Molekül interagiert, sehen wir das aber. Das Fluoreszenzlicht wird dunkler. Und sein Lichtspektrum verrät sogar, welcher Stoff da vermutlich angedockt hat."

    Das Verfahren ist empfindlich genug, um ein einzelnes Sprengstoffmolekül unter Milliarden Luftmolekülen aufzuspüren. Lässt man saubere Luft über den Farbstoff-Film strömen, lösen sich die angelagerten Moleküle wieder – und die optische Nase ist bereit für den nächsten Einsatz.

    An Sicherheitsschleusen installiert, könnte sie innerhalb von Sekunden Alarm schlagen, wenn Sprengstoffspuren in der Luft hängen. Der zeitraubende Wischtest mit Stofftüchern, dem sich Fluggäste heute stichprobenartig unterziehen müssen, wäre überflüssig. Es gibt nur einen Haken: Wie andere Sensoren ähnlicher Machart ist der Curry-Schnüffler anfällig für Fehlalarme - für praktische Anwendungen ein Handicap.

    "Deshalb arbeiten wir derzeit daran, verschiedene Sensoren zu kombinieren. Auf diese Weise ließen sich die Stoffe, die uns wirklich interessieren, anhand ihres Fingerabdrucks eindeutig identifizieren."

    Außerdem soll eine verfeinerte Rezeptur die Empfindlichkeit steigern. Gelingt das, könnten die Kurkumin-Plastik-Filme künftig auch bei der Detektion von Landminen zum Einsatz kommen. Über 60 Millionen davon sind weltweit vergraben. Die meisten enthalten den Plastiksprengstoff PETN. Ein simpler und preiswerter Detektor, der hilft sie aufzuspüren, wäre äußerst willkommen. Möglicherweise weist Curry-Pulver den Weg zu seiner Entwicklung.