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Mit dem One-Way-Ticket durchs All

Am 4. Oktober 1957 haben die Sowjets den ersten Satelliten der Welt ins All geschossen, Sputnik 1. Wertet man dies als den Beginn der Raumfahrt, feiert die Menschheit im Oktober 2007 das Jubiläum "50 Jahre Weltraumfahrt".

Von Guido Meyer | 03.10.2007
    Dem "Sputnik-Schock" folgte die Aufholjagd des Westens, in deren Verlauf die USA die UdSSR überholten und den Wettlauf zum Mond gewannen. Jene Jahre will nun George W. Bush wiedererstehen lassen. 2004 gab der US-amerikanische Präsident die Marschrichtung vor: zurück zum Mond, voraus zum Mars - und dann weiter.

    Tatsächlich liegen heute, ein halbes Jahrhundert nach dem ersten Flug ins All, Pläne von ganz neuen Horizonten in den Schubladen der NASA. Zwischen Mexiko und Nordkanada werden potenziell mondtaugliche Pflanzen gezüchtet und Roboter getestet. Und mit Blick auf den Mars werden Szenarien für One-Way-Missionen durchgespielt, in denen die Option auf Rückkehr nicht mehr vorgesehen ist.

    "Als das Weltraumzeitalter heraufzog, entwickelten sich die Dinge ziemlich schnell. Der erste Satellit umkreiste 1957 die Erde. Nur vier Jahre später war mit Juri Gagarin der erste Astronaut im All. Nach weiteren sieben Jahren waren wir auf dem Mond. Und die Menschen haben vorausgesagt, dass es bei diesem Tempo bleiben würde, dass wir in den achtziger Jahren auf dem Mars sein würden. Das ist nicht eingetroffen. Mit ihren Kurzzeitprognosen liegen die Menschen oft falsch. Langfristig aber neigen sie dazu, ihre Möglichkeiten zu unterschätzen."

    Karen Evermann bekommt regelmäßig Post von ihrem Mann. Denn der ist auf dem Mond und schickt seine postalischen Grüße per Videobotschaften zur Erde. Postcards from the Future, "Postkarten aus der Zukunft", heißt denn auch dieser Science-Fiction-Film in Tagebuchform, der gerade in den USA anläuft. Alan Chan ist der Regisseur des Spielfilms.

    "Der Handlungsstrang ist so ziemlich frei erfunden, aber er beruht auf den offiziellen Explorationszielen, die dieses Land seit einiger Zeit verfolgt. Die von uns gezeigte Technologie ist nicht NASA-zertifiziert. Sie ist aber realistisch und sie beinhaltet Theorien und Ideen, die vielleicht genauso umgesetzt werden."

    Postcards from the Future ist der erste Film, der die vor mehr als drei Jahren von US-Präsident George Bush ausgerufene "Vision zur Weltraumerforschung" aufgreift. Unter dem Eindruck der Columbia-Katastrophe vom Februar 2003 gab Bush der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA neue Ziele vor.

    "Unser Ziel ist die Rückkehr zum Mond als Startplatz für Missionen, die weiter in den Weltraum vordringen. Mit dem Crew Exploration Vehicle werden wir ausgedehnte Flüge zum Mond unternehmen mit dem Ziel, vor Ort dauerhaft zu leben und zu arbeiten."

    Seit dem Ende der Apollo-Ära Anfang der siebziger Jahre hat Amerika sich im nahen Erd-Orbit aufgehalten, sind die USA mit Raumfähren und Raumstationen wieder und wieder um die Erde gekreist. Die Rückkehr zum Mond soll diesmal kein Intermezzo sein, sondern der Anfang einer permanenten Präsenz der Menschheit auf dem nächsten Begleiter der Erde im All. Die US-Raumfahrtbehörde NASA soll den Anfang machen, private Investoren könnten bald folgen.

    "Aufgabe der NASA sollte sein, zum Mond zu fliegen und eine Infrastruktur aufzubauen. In unserer Geschichte fliegt der Ingenieur Sean Evermann zum Mond, um eine Stromversorgung zu errichten. Danach beginnen Firmen mit der Kommerzialisierung und der Kolonisierung des Mondes."

    Die Vision des Filmemachers entspricht den zur Zeit laufenden Vorbereitungen – in Amerika, aber auch anderswo. Am konkretesten sind die Mond-Pläne in den USA. Den Anfang soll dort bereits im nächsten Jahr eine unbemannte Sonde machen.

    "Der Lunar Reconnaissance Orbiter soll die Ressourcen des Erd-Trabanten untersuchen und seinen Aufbau bestimmen, um so künftige bemannte Flüge vorzubereiten. Bevor wir Astronauten zum Mond schicken, bedarf es einer ausführlichen wissenschaftlichen Vorbereitung solcher Missionen."

    Scott Hubbard, Inhaber des Carl-Sagan-Lehrstuhls für Leben im Weltall am SETI-Institut in Kalifornien. Mit dem Lunar Reconnaissance Orbiter beginnt die NASA bei der Erkundung des Mondes noch einmal ganz von vorn. Und das sei auch nötig, findet der Astrophysiker Harald Lesch von der Uni München, denn noch nicht einmal die Frage, ob es auf dem Trabanten Wassereis gibt, sei geklärt.

    "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Und so ist es auch mit dem Wasser auf dem Mond. Wir wissen einfach zu wenig darüber. Die Amerikaner und die Russen haben einfach viel zu früh aufgehört, den Mond genauer zu untersuchen. Der Wettlauf war ja dann gewonnen und damit war klar, wer ja die Nummer eins sozusagen im Weltall ist, und damit war ja die Messe gelesen sozusagen. Und seither haben wir von dem Mond immer nur sehr indirekte Informationen bekommen. Was da wirklich los ist, was es da wirklich für Möglichkeiten gäbe – das wissen wir gar nicht."

    Amerika will diesmal keinen Wettlauf gewinnen, sondern expandieren. Scott Horowitz ist beim Hauptquartier der US-Raumfahrtbehörde in Washington, D.C. für den Bereich Exploration zuständig.

    "Unser Ziel ist es, bis 2020 die ersten Mond-Missionen zu starten. Während der ersten Flüge wollen wir jeweils vier Astronauten auf der Oberfläche absetzen. Es wird wahrscheinlich einige Jahre dauern, vielleicht bis 2024, bis wir eine funktionierende Basis vor Ort haben, die von wechselnden Mannschaften bewohnt wird, so wie derzeit die Internationale Raumstation. Wie schnell diese Basis wächst, wird davon abhängen, wer außer uns daran interessiert ist, sich an diesem Projekt zu beteiligen – und auf welche Weise."

    "Die USA werden die Raumschiffe bauen, die Astronauten zum Mond bringen, und für Kommunikation, Navigation und Außenbordeinsätze zuständig sein. Die NASA würde es begrüßen, wenn sich andere Staaten beteiligen, indem sie beispielsweise die Stromversorgung bereitstellen, Nachschub liefern oder ein Wohnmodul beisteuern."

    Andere Länder dürfen sich beteiligen, müssen aber nicht, und die Führungsrolle, so die stellvertretende NASA-Chefin Shana Dale, werde auf jeden Fall bei den USA liegen. Unter diesen Bedingungen hält sich die Begeisterung der Alten Welt in Grenzen. Die Russen haben bereits erklärt, nicht am amerikanischen Projekt mitarbeiten zu wollen, und auch Europa verfolgt mit dem Aurora-Programm vorläufig lieber seine eigenen Ziele. Jörg Feustel-Büchl, der bisherige Direktor für Bemannte Raumfahrt bei der europäischen Weltraumagentur ESA.

    "Wir werden mit Aurora weitermachen, und wir werden dann sehen, ob Kooperation angesagt ist. Auch mit Russen und Chinesen. Da gibt es ja durchaus auch andere Partner. Die Kraft hier, auch eigenständig oder komplementär etwas zum amerikanischen Programm zu machen, haben wir durchaus."

    Während Europa seine Rolle im Weltraum noch sucht, wird jenseits des Atlantiks schon die Hardware der nächsten Generation getestet. Auf dem Langley Research Center im US-Bundesstaat Virginia experimentiert die NASA mit einer schwarzen Kapsel, die in etwa zwanzig Metern Höhe an einem Kran hängt. Es ist das verkleinerte Modell des neuen Raumschiffs Orion. Im Unterschied zu den Apollo-Missionen will die NASA künftig nicht mehr auf dem Wasser landen, sondern auf dem Festland, und das soll mit Airbags entsprechend abgefedert werden.

    "In einem 45-Grad-Winkel stürzt die Kapsel auf die Erde zu."

    Mit den neuen Orion-Kapseln sollen ab 2005 bis zu sechs Astronauten zur Internationalen Raumstation, später zum Mond und irgendwann auch zum Mars fliegen können. Noch existiert diese Kapsel nur als Modell. Doch schon im nächsten Jahr will der amerikanische Raumfahrtkonzern Lockheed Martin eine erste Flugversion abheben lassen.

    "Wir entwickeln die Ares-I-Rakete parallel zur Orion-Crew-Kapsel. Sie wird das Orion-Raumschiff an ihrer Spitze ins All transportieren. Danach machen wir uns an die Konstruktion des Schwerlastträgers Ares V. Diese Rakete wird genügend Masse hochschießen können, um einen Lander und die übrige Infrastruktur einer Basis auf den Mond zu schießen. Die Ares V wird uns schließlich auch zum Mars befördern."

    Neue Raumschiffe kosten viel Geld, genauso wie neue Raketen. Auch wenn diese auf Teilen des Shuttle-Programms aufbauen, ist für das gesamte bemannte Mond- und Mars-Programm von Kosten bis zu einer Billionen Dollar die Rede.

    Schon heute steht fest, dass die USA ihre Basis an einem der Mond-Pole bauen werden, um eine permanente Sonneneinstrahlung und damit Energieversorgung zu gewährleisten. Einen solchen Standort favorisieren auch Geologen, die hoffen, in den schattigen Innenwänden dieser Krater auf Wasser-Eis zu stoßen. Dies könnten Astronauten abbauen und zur Erzeugung von Atemluft, Trinkwasser und Treibstoff nutzen. Bisher ist dies jedoch nur eine vage Hoffnung, wie Rolf Janovsky vom Raumfahrtkonzern OHB-System in Bremen zu bedenken gibt.

    "Der erste Schritt wird sein, bevor wir an einen Abbau überhaupt denken, nachzuschauen ob Wasser da ist, in welcher Form es vorhanden ist, in welchen Mengen es vorhanden ist, in welchen Tiefen es vorhanden ist. Wenn wir das alles wissen, dann können wir daran denken, an diese wirklich sehr schwere Aufgabe heranzugehen, dieses Wasser aus diesen Kratern herauszuholen, und das wird eine extrem anspruchsvolle Aufgabe werden, weil die Krater für diese Art von Abbau eine sehr unfreundliche, schwierige Umgebung darstellen. Es ist extrem kalt, Sie können überhaupt nichts sehen, Sie haben sehr steile Kraterhänge, Sie müssen das völlig autonom machen, Sie haben keine Funkverbindung zur Erde. Es wird eine robotisch extrem anspruchsvolle Aufgabe."

    Fiktive TV-Nachrichten aus Postcards from the Future:

    Die erste permanente Stromversorgung auf der NASA-Mondbasis Armstrong Station ist heute ans Netz gegangen. Fünfhundert ausgewählte Firmen überbieten sich derzeit darin, ihre eigene Präsenz auf dem Mond zu errichten.

    So wie in dieser Fiktion des Spielfilms Postcards from The Future warten private Unternehmen nur darauf, ein Mindestmaß an Logistik und Infrastruktur vorzufinden, um mit dem Mond endlich Geld zu verdienen. Einer ihrer Sprecher ist Rick Tumlinson, der Präsident der amerikanischen Space Frontier Foundation. Auch er ein Mann mit Visionen:

    "In zehn bis zwanzig Jahren wird es die erste dauerhafte Besiedlung des Mondes geben. Die verantwortlichen Personen werden ganz komfortabel in einem Hilton-Hotel wohnen. Zum Beispiel werden dort Minenarbeiter untergebracht sein, die Eis abbauen. Im Hilton wohnen auch Astronomen, die riesige Teleskope und Observatorien auf der Rückseite des Mondes betreuen, mit denen sie den Himmel nach Signalen außerirdischer Zivilisationen absuchen. Auf einer anderen Etage schließlich wohnen Besucher und Touristen, die zur Erholung auf den Mond gekommen sind – vielleicht, weil sie vom Dachgeschoss aus eine wunderbare Aussicht auf die Erde haben."

    Erste private Flüge ins All wollen verschiedene Unternehmen ab 2009 anbieten. Burt Rutan hat mit seinem SpaceShipOne 2004 vorgemacht, wie´s geht, und plant nun einen touristischen Routinebetrieb ins All.

    "Ich werde drei Menschen in diesem Fluggerät mehrmals sicher ins All schicken. Dieses Schiff kostet nicht einmal ein Prozent von dem, was ein entsprechendes Vehikel im Rahmen eines Regierungsprogramms kosten würde. Ein Flugzeug bringt dieses Raumschiff auf eine Höhe von fünfzehn Kilometer. Dort wird es losgelassen, gleitet kurz und zündet dann seine eigenen Triebwerke, die es mit etwa dreifacher Schallgeschwindigkeit am Ende auf eine Höhe von einhundert Kilometern schießen sollen."

    Burt Rutans Firma ist mittlerweile von Richard Bransons Virgin Galactic gekauft worden. In zwei Jahren sollen mit dem größeren SpaceShipTwo zahlende Passagiere ins All starten – vorausgesetzt, sie zahlen 200.000 Dollar. Dem Weltraumtourismus, der privaten Nutzbarmachung des Alls also, sind dann keine Grenzen mehr gesetzt. In Japan gibt es seit langem Pläne für Hotels auf dem Mond, jedoch fehlen dem Land – noch - die Transportmittel. Das notorisch finanzschwache Russland - stets auf internationale Geldspritzen angewiesen – plant, Weltraumtouristen künftig nicht mehr nur zur Raumstation zu schicken. Der ehemalige deutsche Astronaut Ulrich Walter, der heute an der TU München Raumfahrttechnik lehrt:

    "Die Russen sind gerade dabei, Flüge zum Mond für ganz normale Bürger anzubieten. Die landen allerdings nicht da, sondern fliegen paar mal um den Mond und fliegen dann wieder zurück."

    Für viele der aufstrebenden Firmen in Ost und West lautet das Fernziel: Mond. Für den US-amerikanischen Präsidenten heißt es: Mars. Mit den auf dem Mond gemachten Erfahrungen sei man gerüstet für den nächsten Schritt bei der Erforschung des Weltraums: eine bemannte Mission zum Mars und zu Welten jenseits davon. So George Bush in seiner Rede zur Weltraumpolitik von Anfang 2004. Die Rückkehr zum Mond und das Verweilen dort sei die Voraussetzung für den Aufbruch zum Roten Planeten, findet auch der Astrophysiker Harald Lesch.


    "Wir haben genau null Erfahrungen mit Raumstationen auf anderen Himmelskörpern. Das heißt, wir fangen wirklich an, wie heißt es im englischen so schön, from the scratch. Das heißt, wir nehmen ein weißes Blatt Papier, und wir wissen überhaupt noch nicht, was wir alles untersuchen müssen. Ich denke, man muss mindestens eine Dekade, also ein Jahrzehnt, Menschen auf einem anderen Himmelskörper regelmäßig – durch Austausch der Besatzung natürlich und so weiter – da üben lassen, damit man auch möglicherweise sich neue Technologien ausdenken kann."

    Sollten sich die Technologien für den Flug zum Mond bewähren, werden sie wohl auch auf einer möglichen Reise zum Mars zum Einsatz kommen. Auch hier würde eine unbemannte Sonde zunächst einen idealen Landepunkt aussuchen. Das neue Orion-Raumschiff und die Ares-Raketen sind prinzipiell für Reisen zu Mond und Mars ausgelegt. Dass es auf dem Mars gefrorenes Wasser gibt, ist sicher. Aus diesem Eis könnten Astronauten auch hier Treibstoff, Sauerstoff und Trinkwasser gewinnen. Im Film Postcards from the Future starten die ersten Mars-Siedler von der Mond-Oberfläche aus Richtung Roter Planet. Ihr Raumschiff muss so weniger Energie aufwenden, um dem Anziehungsbereich des Himmelskörpers zu entkommen, als bei einem Start von der massereicheren Erde.

    "Es gibt einige verschiedene Bahnformen, also wie man von der Erde zum Mars kommt. Aber wenn man denn da mal hinfliegen will, dann hat man sechs Monate ... in der besten Variante ist man in sechs Monaten am Mars, aber dann muss man 18 Monate da drauf bleiben. Ich als ganz schlichter Theoretiker würde erst mal fragen: Was machen die 18 Monate auf dem Mars? Aber noch schlichter ist die Frage natürlich: Wie überleben die 18 Monate? Woher kriegen die ihren Sauerstoff, woher kriegen die ihre Lebensmittel und so weiter und so weiter ?"

    Die nächtlichen Zirpen sind so ziemlich das einzige, was die Illusion stört – die Illusion einer Mars-Landschaft. Die rötlich-braune Wüste von Utah, etwa vier Autostunden von Salt Lake City entfernt, ähnelt auffällig dem Roten Planeten. Inmitten dieser Einöde steht eine weiße, dreigeschossige Tonne: die Mars Desert Research Station. Die amerikanische Mars Gesellschaft und die NASA betreiben dieses Habitat, um Langzeitaufenthalte von Mannschaften in geschlossenen Systemen zu simulieren. Angeschlossen ist ein Art Gewächshaus. Zwischen Tomatenstauden, Fischen und Wasserwannen überwacht die Biologin Leslie Wickman die automatischen Abläufe im Greenhab.

    "Ins Greenhab wird das gesamte Küchen- und Duschabwasser hineingeleitet. Es wird hier in verschiedenen Tanks über mehrere Schritte aufbereitet. Dazu benutzen wir aerobe und anaerobe Wasserpflanzen. Außerdem wird dieses so genannte graue Wasser einer UV-Schockbehandlung unterzogen, so dass es am Ende wieder verwendbar ist."

    Diese Verfahren sorgen dafür, dass das einstige Abwasser noch einmal zur Toilettenspülung eingesetzt werden kann, bevor es endgültig entsorgt wird. Damit ist jedoch noch kein autarker Wasserkreislauf hergestellt, wie er an Bord eines Mond- oder Mars-Habitats zwingend erforderlich wäre. Trinkqualität hat das Wasser nach Durchlaufen des Gewächshauszyklus nach wie vor nicht.

    "Wir überlegen derzeit, Destillierkollektoren anzuschaffen. In ihnen wird das Abwasser mit Hilfe von Sonnenlicht verdampft und anschließend kondensiert. Es ergibt reines Wasser, das die Besatzung wieder trinken kann."

    Die Mars Desert Research Station ist nur eines von mehreren Mars-Habitaten auf der Erde. Ein weiteres steht zum Beispiel auf dem Meeresgrund, sechs Kilometer vor der Küste von Key Largo in Florida. In jeder Station gelingt die Simulation nur annähernd realistisch. Und so könnte der erste bemannte Flug zum Mars zugleich Test und Ernstfall werden. Denn bereits an Bord ihres Raumschiffes sind die Astronauten darauf angewiesen, weitgehend unabhängig von der Erde zu existieren.

    "Der Flug zum Mond dauert ja nur viereinhalb Tage. Das geht ja richtig flott. Und wenn es heißt ´Houston, we have a problem´, dann ist diese Nachricht in etwas weniger als zwei Sekunden auf der Erde, und dann kann man auch tatsächlich helfen. Eine Reise zum Mars ist ein Himmelfahrtskommando. Da muss man denjenigen, die diese Reise unternehmen, von vornerein sagen: Ihr seit völlig auf Euch allein gestellt. Wenn da irgendwo ´ne Krise auf dem Flug passiert, dann vergeht möglicherweise erst mal ´ne Viertelstunde, eh die Nachricht überhaupt bei uns ankommt. Dann können wir uns überlegen, ob wir denen überhaupt noch helfen können, denn wenn´s ´ne dramatische Krise ist, dann ist auf diesem Raumschiff längst alles vorbei. Das ist also ´ne völlig andere Qualität an Abenteuer – in Anführungsstrichen."

    Der Astrophysiker Harald Lesch. Um Amerikaner auf dem Roten Planeten landen zu lassen, erwägen die USA derzeit noch eine ganz andere Art von "Abenteuer". Das Ziel von George Bush ist, Menschen zum Mars zu schicken - von zurückholen war erst einmal nicht die Rede. Und so werden in der amerikanischen Öffentlichkeit derzeit One-Way-Missions zum Mars diskutiert, die Möglichkeit also, freiwillige Astronauten nur mit einem Hinflug-Ticket auszustatten.

    "Es gab Menschen, die freiwillig zu einem One-Way-Flug zum Mond bereit waren, als es in den sechziger Jahren darum ging, die Russen im Wettlauf zum Mond zu schlagen. So gab es einen Plan, zwei Astronauten an Bord einer Gemini-Kapsel zum Mond zu schicken, in der Hoffnung darauf, dass sie bei einer späteren Mission zurückgeholt werden würden – aber ohne Garantie."

    Peter Kokh, der Präsident der amerikanischen Moon Society, über frühere Pläne von Einwegmissionen durchs All. Für bemannte Reisen zum Mars erlebt die Idee des One-Way-Tickets nun eine Renaissance. Weil das Ziel weiter entfernt ist und die Anforderungen an einen solchen Flug umfangreicher sind als bei einem Kurztrip zum Mond, ist die Versuchung diesmal noch größer. So plädiert auch Jonathan Clark vom nationalen biomedizinischen Weltraumforschungsinstitut in Houston für diese Alternative.

    "Wenn ich eine Pionier-Mission zum Mars planen sollte, würde ich Menschen ohne Aussicht auf Rückkehr aussuchen. Das mag sich nicht angemessen anhören, aber es macht aus verschiedenen Gründen Sinn. Die Astronauten bekommen bei Langzeitmissionen eine hohe Dosis kosmischer Strahlung ab. Es gibt so gut wie keine Umkehrmöglichkeit, sollte auf der Reise etwas schiefgehen, weil die Himmelsmechanik erst nach ungefähr achtzehn Monaten einen Rückflug erlaubt. Man sollte eine Crew zusammenstellen, die in Ruhe altern kann, deren Kinder erwachsen sind, die sich nicht dem psycho-sozialen Druck einer jungen Familie ausgesetzt sieht, die nach ihrer Rückkehr noch Nachwuchs bekommen möchte."

    Eine bemannte Mission zum Mars also nicht nur als Himmelfahrts- sondern als Selbstmordkommando, und das ließe sich auf drei Wegen realisieren: dem inhumanen, dem ungewissen und dem halbwegs sicheren. Möglichkeit eins, die brutale Variante: Drei Freiwillige fliegen zum Mars, bleiben dort und beenden ihr Leben irgendwann auch dort. Für solche Missionen sind Astronauten ohne Familien prädestiniert. Die zweite Möglichkeit stellt die ersten Mars-Menschen vor die Herausforderung, anhand der Rohstoffe des Roten Planeten wie Wassereis und Eisen selbst für den Bau eines Raumschiffs und damit für ihre Rückkehr zu sorgen. Bliebe die dritte Einweg-Variante: Zwar könnten die Pioniere auf dem Mars ohne Rückkehrmöglichkeit starten, dabei aber auf ihre Nachfolger hoffen. Die erste Mannschaft wäre der Samen einer Mars-Kolonie, der durch weitere Flüge und Nachschub von der Erde wachsen und gedeihen soll. Ein Raumschiff für den Weg zurück könnte eine spätere Crew mitbringen oder es könnte mit einer unbemannten Transportrakete separat auf den Mars geschossen werden.

    "Sie planen eine Rückkehr ein. Sie geben den Astronauten auf dem Mars die Möglichkeit eines späteren Heimfluges zur Erde. … Wenn sie lebend zurückkehren, ist das großartig; wenn nicht, ist das auch in Ordnung. Das ist ein akzeptierbares Ergebnis."

    Fiktive TV-Nachrichten aus Postcards from the Future:

    Drei von sieben Astronauten, fast die halbe Besatzung, sind bei einem Unfall umgekommen. Der Kongress ist außer sich und verlangt Antworten. Die Zukunft der Mars-Mission bleibt vorerst offen.

    Die ersten Menschen werden im All sterben – zunächst auf dem Mond, irgendwann auch auf dem Mars. Für die Menschheit insgesamt jedoch wird es auch nach derlei Rückschlägen kein Zurück geben. Irgendwann ist für Astronauten die Heimflugoption auf jeden Fall verschlossen. An dieses Reiseprinzip wird sich die Menschheit gewöhnen müssen, sollte sie eines Tages - als logische Konsequenz - vom Mars aus zu den Sternen aufbrechen: mit Generationenraumschiffen durchs All ohne Aussicht auf Rückkehr. Der amerikanische Astronom James Webb.

    "Diesen Weg werden wir einschlagen müssen, wenn wir zu anderen Sonnensystemen reisen wollen. Die Entfernungen zwischen den Sternen sind so immens, dass sogar mit annähernder Lichtgeschwindigkeit es Generationen dauern würde, zu einem interessanten Ziel zu gelangen. Wenn wir unser Planetensystem verlassen wollen, müssen wir uns mit diesen Gedanken anfreunden. Und ich bin sicher, dass es genügend Menschen geben wird, die sich darauf einlassen würden."

    Und so könnte sich die Menschheit nach fünfzig Jahren Raumfahrt allmählich daran gewöhnen müssen, dass nicht jede Reise ins All auch wieder auf der Erde endet. Oder eben – man bleibt zu Hause. Peter Kokh, der Chef der US-amerikanischen Mond-Gesellschaft:

    "Manchmal fragen Leute, warum wir nicht einfach hier bleiben, in unserer heimatlichen Welt. Dann antworte ich, dass es dazu zu spät ist. Unsere Heimat war Afrika. Afrika haben wir vor langer Zeit verlassen. Und dies ist eben ein weiterer Schritt in Richtung dieses unbekannten Kontinents dort draußen."