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Mit dem Schlag der Flosse

Energie.- Mit einem Flossenschlag Strom erzeugen – an der Uni Kassel ist das schon Wirklichkeit. Wissenschaftler haben dort ein neues Strömungskraftwerk entwickelt, das ähnlich funktioniert wie die Bewegung von Fischflossen.

Von Jens Wellhöner | 10.04.2012
    Langsam strömt die Fulda dahin. Forscher der Uni Kassel lassen hier in Nordhessen gerade ihre neueste Entwicklung zu Wasser: Den O-Wing. Er sieht so aus wie eine Fischflosse aus Kunststoff, so groß wie zwei Din-A-4-Blätter. Montiert ist der O-Wing an das Heck eines Katamarans, da, wo sonst das Ruder sitzt. Martin Lawerenz überprüft noch mal, ob auch alles fest montiert ist. Der Ingenieur und Professor für Energietechnik hat den O-Wing mit entwickelt. Die künstliche Flosse soll sich gleich in der Wasserströmung bewegen und Strom erzeugen:

    "Das haben wir schon in einigen Tests zeigen können, dass das tatsächlich so ist. Jetzt sind wir in einer realen Gewässerströmung mit einigen Unwägbarkeiten. Wir sind ja hier im Einzugsbereich des Wasserkraftwerks "Neue Mühle". Und wenn man genau hinschaut sieht man, dass die Strömung nicht so optimal ankommt."

    Im Labor wurde der O-Wing schon erfolgreich getestet. Jetzt kommt die Nagelprobe in der Fulda. Wenn alles funktioniert, soll die neue Erfindung irgendwann Häuser an Flüssen mit Strom versorgen. Das Prinzip für seine Erfindung hat sich Martin Lawerenz aus der Tierwelt abgeschaut. Der O-Wing ist einer Fischflosse nachgebildet. Ein Fisch schlägt mit seiner Flosse und schwimmt so vorwärts, auch gegen die Strömung. Der O-Wing macht es anders: Er bewegt sich nicht gegen die Strömung, sondern lässt sich vom Wasser umströmen und hin und her bewegen, wie ein Pendel:

    "Durch die Umströmung entstehen halt Kräfte. Und diese Kräfte sind so gerichtet, dass sie den Hebelarm hier hin und her bewegen."

    Der Hebelarm überträgt die Kraft der Wasserströmung auf eine Kurbelwelle. Die setzt die Kraft in eine Drehbewegung um:

    "Durch die Drehbewegung haben wir dann die Möglichkeit, einen Generator mit mechanischer Energie zu versorgen, die der Generator dann in elektrische Energie umwandelt."

    In der Fulda pendelt die künstliche Flosse in der Strömung zunächst gleichmäßig hin und her. Auf diese Art können zwei Watt erzeugt werden. Das ist nicht viel. Und bringt nicht mal eine Energiesparlampe zum Leuchten. Die Fulda hat nur eine schwache Strömung. Größere O-Wing-Modelle an schnell fließenden Flüssen könnten vielleicht sogar mal ein ganzes Haus mit Strom versorgen.

    "Die Strömungsgeschwindigkeit geht da in der dritten Potenz ein. Wenn man die Strömungsgeschwindigkeit verdoppelt, ist die Leistung, die man da herausholt, um den Faktor acht größer."

    Es gibt also noch Potenzial, für die Kasseler Erfindung. Doch die bleibt in der Fulda plötzlich stehen. Also Versuchsabbruch?

    "Ich fürchte schon, wir kommen da jetzt nicht weiter…"

    Niedergeschlagenheit. Der Test in der Fulda ist gescheitert. Das Getriebe ist kaputt. Das kann bei einem Prototypen schon mal passieren, meint Martin Lawerenz. Der O-Wing kommt wieder ins Labor. Ein paar Monate später findet dort der nächste Versuch statt.

    Ein großes Wasserbassin in einer Halle der Kasseler Uni. Der O-Wing ist wieder im Wasser, sein Getriebe ist repariert. Eine künstliche Strömung bewegt ihn hin und her. Am Rande des Bassins steht David Ströbel und misst, wie viel Strom der O-Wing produziert:

    "Mit den Messungen an sich bin ich sehr zufrieden. Das sind circa vier Watt!"

    Das Mini-Wasserkraftwerk werde einen Wirkungsgrad von rund 80 Prozent haben, versprechen die Kasseler Forscher. Das ist für ein Wasserkraftwerk ein normaler Wert. Ingenieur Georg Hermle vom O-Wing-Entwicklerteam nennt noch einen weiteren Vorteil:

    "Das System bietet sich an, wenn ich jetzt schnell Strom erzeugen möchte, ohne dass ich einen Zugangskanal bauen muss, irgendwelche Gebäude bauen muss. Dieses System könnte ich einfach über ein Brückenwerk in einem Fluss installieren und direkt Strom erzeugen."

    Ob der O-Wing aber tatsächlich mal größere Mengen Strom erzeugt, müssen weitere Tests zeigen. Die Forscher wollen ihre Erfindung in diesem Frühjahr noch einmal in der Fulda auf Herz und Nieren prüfen. Dann hoffentlich ohne Pannen.