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Mit der biologischen Waffe

Der Mai ist gekommen. Da schlagen nicht nur die Bäume aus. Auch alles, was sich von Bäumen, Sträuchern, Blumen, Salat oder Tomaten ernährt, im Laufe eines Jahres, beginnt wieder zu leben. Dazu gehören zum Leidwesen von Hobbygärtnern und Gemüseanbauern die Schädlinge, die die Pflanzen zerstören oder den Ertrag mindern. Doch dort, wo Schädlinge sind, gibt es auch immer Nützlinge, die diese Schädlinge vertilgen. Sie gilt es zu schonen, d.h. die Bedingungen für ihr Überleben müssen besser gesichert werden. Um auf diese Zusammenhänge aufmerksam zu machen, gehen die Phytopathologen, die Spezialisten für Pflanzenkrankheiten, der Universität Kiel immer wieder an die Öffentlichkeit. Mit praktischen Beispielen und Filmen, um für den biologischen Pflanzenschutz zu werben. Am Tag der offenen Tür der Universität Kiel am Wochenende, konnten sich Pflanzen- und Gartenfreunde informieren, um sich für die bevorstehende Wachstumssaison zu wappnen.

Von Annette Eversberg |
    Die Demonstration ist imponierend. In 300facher Vergrößerung können die Zuschauer im Film verfolgen, wie eine Schlupfwespe ihren Stachel wie einen Degen nach vorne schnellen lässt und in eine Blattlaus bohrt. Die Blattlaus reagiert kaum und saugt weiter ihren Nektar aus der Pflanze. Doch bald entwickelt sich das Ei der Schlupfwespe im Innern der Blattlaus. Die Blattlaus stirbt ab und wird zur schwarz gefärbten Mumie. Während ihrer Lebenszeit von 2 Wochen kann so eine Schlupfwespe 1.000 Eier legen, damit auch 1000 Blattläuse vernichten. Schlupfwespen sind Nützlinge. Und ihr Einsatz im Rahmen der biologischen Schädlingsbekämpfung ist längst keine Spielerei der Wissenschaft mehr, sagt Dr. Jörg Engelke, Mitarbeiter der Firma Bio-Protect aus Kiel, die Nützlinge gezielt züchtet:

    Der Vorreiter ist hier der Gemüsebau, und dort werden in den Tomaten- und Gurkenkulturen - das sind die Hauptkulturen, in denen dieses gemacht wird - 60, 70, 80 Prozent, in Holland schon 90 Prozent, mit der biologischen Schädlingskontrolle gearbeitet. Der chemische Pflanzenschutz ist da schon stark zurückgedrängt.

    Der Grund, dass man sich in allen Bereichen immer mehr auf die gefräßige Lebensweise von Nützlingen konzentriert, ist die eingeschränkte Wirksamkeit der noch zugelassenen Insektizide. Darunter leiden auch Botanische Gärten. Sie werden häufig von der weißen Fliege befallen, einem besonders gefräßigen Schädling. Er saugt nicht nur Saft aus den Pflanzen, sondern schwächt sie auch so, dass sie von Pilzen befallen werden. Durch die schnelle Generationsfolge entwickelt die weiße Fliege besonders schnell die Resistenzen gegen chemische Mittel. Die Schlupfwespe lässt sich dagegen nicht überlisten. Wichtig für die Nützlinge ist der Lebensraum im Garten und ein Winterquartier. Denn auch Insekten überwintern. Z.B. die Florfliege. Als zartgrünes Gebilde sind sie im Sommer überall zu entdecken. Auch sie machen Jagd auf Blattläuse. Das Laub unter einer Naturhecke liefert den Schutz für einen anderen Nützling, den Marienkäfer. Wer jetzt einmal vorsichtig darunter schaut, entdeckt Tiere vom letzten Jahr, aber auch schon kleine Bündel von Eiern. In jeder Phase seines Lebens, so Professor Urs Wyss vom Institut für Phytopathologie der Universität Kiel, arbeitet dieser Käfer zugunsten des Hobbygärtners.

    Die Larven, die durchlaufen vier Stadien. Das erste Larvenstadium, das schlüpft die Larve aus dem Ei. Die haben noch keine Erfahrung. Sie packen dann die -Blattlaus mit Krallen und halten sie fest. Sie frisst sie aber im Gegensatz zu älteren Larven nicht auf. Sie saugt aus. Das selbe Verhalten zeigt auch die Larve, nachdem sie sich gehäutet hat. Und erst beim dritten und vierten Entwicklungsstadium werden dann die Blattläuse so gefressen, wie es durch den erwachsenen Käfer geschieht. Und die Fraßleistung eines erwachsenen Käfers oder einer L4 Larve, die beträgt so um die hundert Blattläuse. Also es sind mehrere Tausend Blattläuse, die vertilgt werden von einem einzigen Marienkäfer.

    Auch wenn Garten und Balkon noch so klein sind. Wildformen von Blütenpflanzen , Dill, Kerbel oder Margeriten locken Schwebfliegen, Florfliegen und Marienkäfer an. Allerdings kann man solche Nützlinge auch bei Nützlingszüchtern bestellen. Wer zum Beispiel Ärger mit der weißen Fliege an Zimmerpflanzen hat. 250 Schlupfwespen für 11,50 Euro. Die Produktion ist heute weit entwickelt. Allerdings kommt es für Urs Wyss auf die Qualität an. Und da arbeiten Züchter und Wissenschaft zusammen.

    Bei Schlupfwespen sind ja nur die Weibchen aktiv. Und da ist es wichtig, dass man bei der Qualitätskontrolle darauf achtet, dass nur Weibchen verschickt werden. Wir untersuchen bei den Schlupfwespen auch das Orientierungsverhalten, das ist sehr wichtig, dass sie ihre Blattläuse gezielt aufsuchen. Und da ist es so, dass die Schlupfwespenweibchen Erfahrung sammeln beim Anstechen. Sie können sich orientieren nach den Düften, die von Pflanzen emittiert werden. Man kann sie konditionieren, dass sie nicht wegfliegen ins Licht, sondern auf die Blattläuse zu und dort ihr Werk verrichten. Und die Nachfrage wächst von Jahr zu Jahr, wenn das Material, das geliefert wird, auch optimal ist.