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Mit Doppelspitze in die Zukunft

Seit 2002 ist Josef Ackermann das Gesicht der Deutschen Bank. Abgelöst werden könnte der bisherige Vorstandsvorsitzende von einer personellen Doppelspitze. Im Gespräch sind Jürgen Fitschen, bisheriger Deutschlandchef der Bank, sowie Chef-Investmentbanker Anshu Jain.

Von Christoph Birnbaum | 25.07.2011
    Es ist die vielleicht spannendste Personalie der Woche. Wenn morgen der Aufsichtsrat der Deutschen Bank tagt, geht es zwar auch um Bilanzzahlen. Aber eigentlich interessiert vor allem die Frage: Wer folgt auf Josef Ackermann? Die Frage nach dem neuen Chef ist so wichtig, dass selbst Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt ihr einen eigenen Kommentar in der ZEIT widmete – mit ungewöhnlicher Wortwahl. Die deutsche Bank sei nicht mehr deutsch und Investment-Banker und Fondsmanager seien noch schlimmer als Kriminelle. Sie haben, so Schmidt wortwörtlich, "uns alle, fast die ganze Welt, in die Scheiße geritten" und seien "jetzt schon wieder dabei, alles wieder genauso zu machen, wie sie es bis zum Jahre 2007 gemacht haben."

    Drastische Worte des 90-jährigen ZEIT-Herausgebers, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. "Die Ackermänner dieser Welt" stehen am Pranger – wieder einmal - und mit ihnen natürlich auch die Deutsche Bank. Seit 2002 ist Josef Ackermann das Gesicht dieser Bank – und – in Deutschland - des globalen Finanzkapitals überhaupt: Ackermann gilt als ein Mann, für den angeblich nur die nackte Rendite zählt – und die auch erst ab 25 Prozent. Zumindest sehen dies all jene so, die schnell einen Schuldigen für viele Missstände auf dem Finanzmarkt in Deutschland, in Europa und im Rest der Welt brauchen.

    Woher kommt dieses Zerrbild über die Deutsche Bank und ihren Chef? Für Thomas Hartmann-Wendels, Direktor des Instituts für Bankbetriebslehre der Universität Köln ist klar:

    "Nun, die Deutsche Bank hat eine dominierende Rolle am deutschen Bankenmarkt und damit spielt sie eine entscheidende Rolle für das deutsche Finanzsystem. Jeder Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank wird immer eine politische Rolle zu spielen haben. Er wird, wenn es um Finanzmarktregulierung geht, wenn es um Finanzmarktkrisen geht, wird er immer in Kontakt mit der Politik stehen müssen. Man kann keine Politik in solchen Fällen gegen die Deutsche Bank machen, und die Deutsche Bank kann sich auch nicht aus ihrer Verantwortung für die Politik stehlen. Insofern wird es dort immer eine enge Verbindung geben."

    Denn die Deutsche Bank ist nicht irgendeine Bank. Sie ist "die" deutsche Bank. Und ihr Sprecher, beziehungsweise seit 2006 Vorstandsvorsitzender, war und ist stets auf das engste mit der deutschen Wirtschaft, mit der Politik, ja mit Deutschland insgesamt, verbunden gewesen – bis heute. Von "A" bis "A" - vom legendären ersten Chef Hermann Josef Abs bis Josef Ackermann – ohne die "Deutschbanker" wäre Deutschland nach dem Krieg nicht aus den Schulden herausgekommen und heute gäbe es keine Hilfe für Griechenland. Konrad Adenauer wollte Abs sogar zu seinem Außenminister machen – man stelle sich vor, Angela Merkel schlüge heute Ackermann vor!

    Oder Friedrich Wilhelm Christians. Auch er war so ein "politischer" Deutschbanker alter Schule, stets akkurat gekleidet mit steifem Hemdkragen, der in den 70er-Jahren, zu Zeiten des Kalten Krieges, durch das berühmte Erdgas-Röhren-Geschäft mit Russland die Entspannungspolitik der damaligen Bundesregierung flankierte und dabei auf den erbitterten Widerspruch Amerikas traf. Heute arbeitet ein früherer deutscher Bundeskanzler für die russische Gazprom, die wiederum bei RWE einsteigt.

    Und natürlich Alfred Herrhausen. Sein Interesse galt der Dritten Welt. Er wollte afrikanische Staaten entschulden. Am Ende wurde Herrhausen, der politische Banker, ein Mordopfer der RAF.

    Wie kam es zu dieser "besonderen" Bindung der Deutschen Bank an die Politik, die bis heute in der europäischen Staatsschuldenkrise andauert? Torsten Schmidt, Wirtschaftsexperte vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen:

    "Das hängt aber nun auch damit zusammen, dass die Politik auf einmal in Bereichen agieren muss, wo sie nicht ihre Kernkompetenzen hat. Und das man sich dann von Fachleuten Rat holt - wenn es um Finanzmarktangelegenheiten geht – sind das eben die Banken, das ist naheliegend und vernünftig. Das darf nicht zu eng werden, dass dann plötzlich Lobbyismus betrieben wird, dass sich die Banken dadurch Vorteile verschaffen. Darauf muss man natürlich achten. Aber das man sich zunächst einmal Rat holt von Experten, ist legitim."

    Und so war die Bank über Jahrzehnte hinweg auch das Herz der einstigen sogenannten "Deutschland AG". Sie besaß riesige Aktienanteile an allem, was "Made in Germany" über Jahrzehnte hinweg auszeichnete: Daimler-Benz, Philipp Holzmann, Karstadt. Abs saß noch in mehr als 20 Aufsichtsräten. Später gab es eine "lex Abs", die genau dies verhindern sollte – dass Bankmanager, "Deutsche Bank"- Manager, in allen Dax-Konzernen Deutschlands im Aufsichtsrat saßen.

    Heute ist von der alten "Deutschland AG" nicht mehr viel übrig geblieben. Aber es war erst – ironischerweise – die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder, die ihr den Todesstoß verpasste. Mit ihrer Entscheidung, den deutschen Banken zu erlauben, sich von ihren Firmenbeteiligungen zu trennen ohne für die Gewinne Steuern zahlen zu müssen. Das ermöglichte es Josef Ackermann, der Bank das notwendige Finanzpolster für den Weg zu einem globalen Finanzinstitut anzulegen. Thomas Hartmann-Wendels, Bankenexperte der Universität Köln:

    "Das deutsche Finanzsystem war lange Zeit sehr stark Banken dominiert, wohin gegen angelsächsische Länder sehr stark kapitalmarktorientiert waren. Und das hat sich dann auch in der Geschäftspolitik der Banken niedergeschlagen. Die deutschen Banken waren sehr stark im Kreditgeschäft, bei Beteiligungen, während die angelsächsischen Banken eben sehr stark im Investmentbanking waren. Nun, diese Dinge haben sich dann Ende der 90er-Jahre und Anfang dieses Jahrtausends dann aufgelöst."

    Aber nicht nur das Geschäftsmodell der Banken änderte sich mit dem zunehmend stärkeren Einfluss des Investmentbanking. Auch die Rolle und der Blick auf die Banker selbst. Bis vor Kurzem war es im politischen Berlin noch eher unschick, sich mit dem Chef der Deutschen Bank in der Öffentlichkeit zu zeigen. Politiker mieden die Empfänge des Geldhauses, bis heute wird Angela Merkel vorgehalten, anlässlich Ackermanns 60. Geburtstag 2009 ein Abendessen im Kanzleramt veranstaltet zu haben.

    Doch bereits nach dem Ende des Mannesmann-Prozesses im Jahr 2000 begann Ackermann um Ansehen in Deutschland zu buhlen. Vodafone hatte damals den deutschen Traditionskonzern übernommen und Zehntausende von Mitarbeitern entlassen. Und es waren Ackermann und – zugegeben – auch hohe Gewerkschaftsvertreter der Arbeitnehmerseite, die dem Mannesmann-Manager dafür auch noch hohe Millionensummen hinterher warfen. Durch sein trotziges Victory-Zeichen am Ende des Prozesses zog der Deutsche-Bank-Mann damals den Zorn vieler Menschen in diesem Land auf sich, die meinten Josef Ackermann stehe am Ende sogar noch über dem Gesetz. Heute sagt er in einer preisgekrönten ARD-Dokumentation über die damalige Reaktion selbstbewusst:

    "Man muss gerade in diesen Führungsaufgaben Natürlichkeit und Spontaneität nicht ganz verlieren. Denn wenn man immer denkt, was könnte nun einer noch darüber in drei, vier Ecken darüber nachdenken, dann kommen sie soweit, dass sie sich der politischen Diskussion überhaupt nicht mehr stellen, was ja viele Kollegen in der Wirtschaft heute tun. Und irgendwie sind sie dann immer so ausgewogen, dass sie eigentlich gar keinen Inhalt mehr haben."

    Ackermann eckt immer noch gerne an. Nur nimmt es ihm heute keiner mehr übel. Denn nur allzu oft hat er Recht behalten. Wie zuletzt in der Griechenland-Krise. Während die Politik fleißig an Rettungsschirmen und Bürgschaften bastelte – nicht zuletzt auch mit Hilfe der Deutschen Bank, sagte deren Vorstandsprecher im Interview, Griechenland werde seine Schulden sowieso nie zurückzahlen können. Heute wissen wir: Ackermann lag richtig.

    Doch schon vorher zeigte der Schweizer zunehmend Verständnis für deutsche Befindlichkeiten, suchte den Dialog mit Berlin und half der Kanzlerin bei der Rettung der angeschlagenen HypoReal Estate und dem Rettungsplan für die in Not geratenen Euro-Staaten. Bis spät in die Nacht hinein telefonierte er deshalb mit der Kanzlerin.

    Als am vergangenen Donnerstag die Staats- und Regierungschefs zum Griechenland-Krisengipfel zusammenkamen, saß auch Ackermann mit am Tisch. Als Präsident des Internationalen Bankenverbandes. In dieser Rolle als Vertreter der europäischen Banken hat er maßgeblich die Beteiligung der Finanzhäuser am Rettungspaket für Griechenland ausgehandelt. Ein Angebot, das er noch vor kurzem auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Angela Merkel erläutert hatte. Es zeigt sich also, auch auf dem internationalen Politikparkett hat Ackermanns Wort Gewicht.

    Was noch hinzu kommt: Heute steht die Deutsche Bank – trotz Finanzkrise, bei der sie vier Milliarden Euro verlor, besser da denn je. Ackermann, 2009 der "European Banker of the Year" und Chef der wohl einflussreichsten Bankenvereinigung der Welt, hat sie sicher durch das tiefe Tal geführt. Und selbst aus den Krediten an Griechenland kommt sie besser raus als gedacht – wird wahrscheinlich an der Rettung verdienen. Einen Stresstest muss die Deutsche Bank nicht fürchten. Im Gegenteil! Die Deutsche Bank hat heute eine Eigenkapitalquote, die weit über der vieler anderer Geldinstitute liegt und höher ist als von der Finanzaufsicht verlangt wird. 2011 rechnet die Deutsche Bank mit einem Vorsteuergewinn von zehn Milliarden Euro. Damit würde Josef Ackermann sein umstrittenes Ziel einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent erfüllen.

    In den vergangenen Jahren, insbesondere in der Finanzkrise, hat Ackermann dabei das klassische Bankgeschäft in der Heimat wieder neu schätzen gelernt. Er hat die Norisbank gekauft, die Berliner Bank, die Postbank und Sal. Oppenheim. An der internationalen Ausrichtung ändert das aber nichts – und Grund für den Kauf der Postbank war weniger der ideelle Blick auf das Geschäft mit Kleinsparern als vielmehr der Zugriff auf die immensen Kundengelder, die die Abhängigkeit von den schwankenden Finanzmärkten verringern. Und dieses Privatkundengeschäft wächst – auch in der Bilanz der Bank. Nach mageren 458 Millionen Euro im Jahr 2009 steuerte es 2010 mit 890 Millionen Euro wieder 22 Prozent zum Konzernergebnis bei. 2009 waren es gut 8 Prozent gewesen.

    Mit Ackermanns Ausscheiden spätestens 2013, wenn sein Vertrag als Vorstandsvorsitzender endet, steht die Bank vor einem großen Wechsel. Denn in einem hat Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt recht, wenn er schreibt:

    "Trotz ihres Namens ist die Deutsche Bank heute alles andere als deutsch. Im Laufe der letzten 20 Jahre ist sie zu einer internationalen Bank geworden. Einerseits sitzt die Mehrheit ihrer Aktionäre im Ausland, andererseits werden mindestens 80 Prozent ihrer Gewinne im globalen Investmentbanking gemacht. Und zwar nicht in Frankfurt, sondern in London. Und an ihrer Spitze steht mit Anshu Jain kein Deutscher, sondern ein Inder. Und an der Spitze der Deutschen Bank steht mit Josef Ackermann auch kein Deutscher, sondern ein Schweizer."

    Die Deutsche Bank steht mit dem Wechsel an der Spitze nicht nur vor einem personellen Wechsel. Es ist auch ein Machtkampf innerhalb der Bank und über die Zukunft der Bank. Denn glaubt man den Auguren, soll an die Stelle von Josef Ackermann der 48-jährige Inder Anshu Jain rücken. Er ist der oberste Investmentbanker und sitzt in der Londoner Niederlassung der Deutschen Bank. Im vergangenen Jahr trug das Investmentbanking zum Vorsteuergewinn von 7,2 Milliarden Euro rund drei Viertel bei. Ackermanns großes Ziel, 2011 einen Gewinn von zehn Milliarden Euro zu erwirtschaften, ist ohne Jains Leute nicht zu erreichen. Die Deutsche Bank bleibt im Investmentbanking damit das einzige deutsche Geldhaus, das in der internationalen Liga mitspielen kann.

    Dies bleibt aber auch eine Herausforderung. Da das kundengetriebene Geschäft nicht in gleichem Maße lukrativ ist, lastet immer neuer Druck auf den Managern, wieder risikoreichere Geschäfte einzugehen. Denn allein mit Krediten an schwäbische Mittelständler und der Beratung vermögender Kunden lässt sich so viel Geld nicht verdienen. Unwidersprochenen Berichten zufolge gehören den eigenen Investmentbankern zudem mehr als 20 Prozent der Bank durch Extravergütungen. An London, an Anshu Jain, kommt daher niemand vorbei.

    Ein Investmentbanker an der Spitze der traditionsreichen Deutschen Bank, ein Inder, in Amerika sozialisiert, der kein Wort Deutsch spricht - was bedeutet das für die Zukunft der Bank? Der Weltwirtschaftsexperte der Universität Bonn, Jürgen von Hagen, meint dazu:

    "Ich denke, es spiegelt zunächst einmal wieder, wohin sich die Deutsche Bank schon entwickelt hat. Und für das Unternehmen ist das sicherlich folgerichtig. Ich glaube, umgekehrt wäre es ganz schlecht für eine Bank, die so international engagiert ist, der sehr stark in Deutschland, aber nicht international sich auskennt. Das wäre für das Unternehmen gar nicht angebracht."

    Doch Helmut Schmidt hat schon Recht, wenn er sagt: Mit Jain wird sich das Verhältnis zwischen Bank und Politik verändern. Das ist vielleicht auch der Deutschen Bank bewusst. Deshalb hat sich der Chef des Aufsichtsrates, Clemens Börsig, für zwei Nachfolger Ackermanns eingesetzt. Der zweite Mann der neuen Doppelspitze: Jürgen Fitschen, der Deutschland-Chef der Bank. Er wäre ein gutes Gegengewicht zu Jain, der zudem ja auch kein Deutsch spricht.

    Fitschen steht für Stabilität und - auch bei den Mitarbeitern - ein Höchstmaß an Kontinuität. Das Signal ist: Er ist "deutsch", was in der Wirtschaftswelt, aber vor allem auch in der Berliner Politik ein deutlicher Pluspunkt ist. Aus Sicht der Bank könnten die neuen Herren das perfekte Team werden: Der 48-jährige Investmentbanker verdient das Geld, der Deutschlandchef pflegt den Kontakt zur Politik und sorgt dafür, dass die Verbindung zwischen London und Frankfurt nicht abreißt. Eine gute Lösung, meint Thomas Hartmann-Wendels von der Universität Köln:

    "Nun, die beabsichtigte Doppelspitze bei der Deutschen Bank spiegelt so etwas wie diese doppelte strategische Ausrichtung der Deutschen Bank wider. Einmal das Investmentbanking, was ja stark vertreten ist und von Herrn Jain eben massiv vertreten wird, und zum anderen den deutschen Markt, was dann von Jürgen Fitschen vertreten wird, der hier sehr gut vernetzt ist und den deutschen Markt sehr gut kennt. Die Frage ist nun, ob man mit dieser Doppelspitze nicht die Frage, wer nun das Übergewicht bekommen soll, auf diese beiden Personen verlagert. Die Frage, wer wird sich hier langfristig durchsetzen, die Frage, geht es überhaupt gut, das beides gleichgewichtig ist. Oder wird es nicht doch einmal Entscheidungen geben, wo man Prioritäten setzen muss, entweder für das eine, oder für das andere. Das sind Dinge, auf die man gespannt sein darf, wie sich das auswirken wird."

    Die Doppelspitze hat durchaus Tradition bei der Deutschen Bank: Klasen und Ulrich, Christians und Herrhausen sind nur zwei Beispiele dafür, das die Bank lange Jahre von zwei Leuten an der Spitze nach außen hin repräsentiert wurde. Fitschen aber ist schon 62, und damit nur ein Jahr jünger als Ackermann selbst und gilt nur mehr als Übergangskandidat. Und dann?

    Dann beginnt der eigentliche Machtkampf um die Ausrichtung der Bank mit ihren gut 100.000 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von fast zwei Billionen Euro. Denn auf deutscher Seite könnte es in zwei, drei Jahren, wenn Fitschen in den Ruhestand geht, zu einem personellen Machtvakuum kommen, so dass Anshu Jain auf einmal unangefochten alleine an der Spitze steht. Bei diesem Machtkampf stehen sich deutsche Traditionalisten in der Zentrale in Frankfurt und Investmentbanker in London gegenüber, die wissen, dass die Wachstumsmärkte von morgen eben nicht Frankfurt, Düsseldorf und München heißen, sondern Peking, Delhi und São Paulo.

    Sollte morgen die Entscheidung für Jain und Fitschen fallen, wäre es zunächst jedoch vor allem eine krachende Niederlage für Ackermann. Denn die will vor allem der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Clemens Börsig, an der Spitze sehen. Ackermann wollte weder den einen noch den anderen, sondern den früheren Bundesbankpräsidenten Axel Weber als Nachfolger installieren. Doch der entschied sich vor wenigen Wochen stattdessen für die Schweizer UBS. Bereits Ackermanns Rede auf der letzten Hauptversammlung war ein deutliches Signal, dass die Londoner Investmentbanker im Konzern nicht mehr unangefochten die erste Geige spielen sollten. "Deutschland hat für uns eine deutlich größere Bedeutung gewonnen", sagte Ackermann. Manche Passagen wirkten wie ein Seitenhieb auf Jain, der die zweifelhaften Geschäfte verantwortet, wegen denen die Deutsche Bank derzeit in den USA sogar angeklagt wird. "Wir wollen unsere Gewinne auf verantwortungsvolle Weise erwirtschaften", ergänzte Ackermann.

    Entscheiden wird über die Chef-Frage aber weder Ackermann noch Börsig, sondern der 20-köpfige Aufsichtsrat. Das führt zur skurrilen Situation, dass Ackermann nun auf die Arbeitnehmerseite hoffen muss, um sein letztes großes Gefecht durchzustehen, den Machtkampf mit Börsig. Eine Situation, nicht ohne Pikanterie: Unvergessen ist ein Auftritt Ackermanns, bei dem er eines der besten Ergebnisse der Deutschen Bank verkündete, nur um im nächsten Satz die Entlassung von etlichen Investmentbankern bekannt zu geben. Jetzt braucht er die Unterstützung gerade von deren Interessenvertretern.

    Deren Unterstützung braucht Ackermann auch für einen weiteren Teilschritt des großen Personalwechsels: seinen gleitenden Wechsel vom Vorstandsvorsitzenden zum Aufsichtsratsvorsitzenden. Denn der hat nach den Corporate Governance Regeln über gute Unternehmensführung ein Hautgout. Eigentlich schreibt das deutsche Aktienrecht vor, dass der Vorstand zwei Jahre pausieren muss, bevor er in den Aufsichtsrat des eigenen Unternehmens wechseln darf. Allerdings gibt es auch dabei ein Hintertürchen: Diese Pause kann umgangen werden, wenn Aktionäre, die ein Viertel der Stimmrechte halten den direkten Wechsel befürworten - und eine Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder für Ackermann stimmen. Das scheint möglich, ist aber problematisch, meint Jürgen von Hagen von der Universität Bonn:

    "Ich halte das grundsätzlich für überhaupt nicht angebracht, dass ein Vorstandsvorsitzender so schnell in den Aufsichtsrat wechselt. Denn letztlich ist der Aufsichtsrat dafür da, die Geschäfte des Vorstands zu überwachen und wenn ein Vorstandsvorsitzender unmittelbar in den Aufsichtsrat wechselt, dann heißt das, er kann sein eigenes Handeln im Nachhinein sanktionieren und damit erfüllt der Aufsichtsrat nicht die Funktion, die er eigentlich erfüllen sollte."

    Man sieht: Die Ackermann-Personalie ist gleich doppelt spannend: Wer wird Josef Ackermann folgen, und gelingt es Ackermann, in den Aufsichtsrat als neuer Chef einzuziehen? Es ist eine Personalie, die weit über die beiden Zwillingstürme der Deutschen Bank in Frankfurt hinausreicht.

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