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Mit Gentechnik gegen Stechinsekten

Biologie.- Die asiatische Tigermücke Aedes albopictus überträgt gefährliche Krankheitserreger wie das West-Nil-Virus, das Chikungunya-Virus oder das Dengue-Virus. Ihr beizukommen, gilt allerdings als schwierig. In Budapest stellt eine Wissenschaftlerin eine Bekämpfungsstrategie vor, die auf genetisch veränderte Mücken setzt.

Von Joachim Budde | 13.09.2011
    Weibchen der Asiatischen Tigermücke Aedes albopictus haben viel stärkere Flügelmuskeln als ihre männlichen Artgenossen. Die benötigen sie, denn nur die Weibchen stechen – und sie saugen dabei so viel Blut, dass sie ihr Körpergewicht verdoppeln.

    Die Tigermückenweibchen, die Geneviève Labbé von der britischen Firma Oxitec züchtet, heben niemals ab. Sie sind flugunfähig, weil sie ein Gen in sich tragen, das ihre Flügelmuskulatur unbrauchbar macht.

    "Wir nutzen einen Mechanismus, der transcriptional squelching genannt wird. Das Gen, das wir in die Flügelmuskelzellen geschleust haben, verbraucht dort so viel Polymerase, dass für die eigentlichen Aufgaben der Zelle nicht genügend von diesem Enzym übrig bleibt. Die Zelle kann nicht mehr die Proteine erzeugen, die sie zum Funktionieren benötigt."

    Die Muskelzellen der Männchen arbeiten mit einem anderen Mechanismus, ihnen kann das Gen nichts anhaben. Sie schaffen es bis zur Paarung – und übertragen dabei das Gen an die nächste Generation. Damit sollte sich die Tigermücke bekämpfen lassen, sagt die Biologin:

    "Wilde Weibchen, die sich mit einem unserer Männchen paaren, bringen Männchen hervor, die fliegen können, aber Weibchen, die flugunfähig sind. Mit dieser Methode können wir eine lokal begrenzte Population in freier Wildbahn zusammenbrechen lassen. Wir müssen nur genügend Männchen freisetzen."

    Wenn die Oxitec-Männchen die Überhand gewinnen, geben sie immer mehr wilden Weibchen das tödliche Gen weiter. Ihr weiblicher Nachwuchs ist leichte Beute für Fressfeinde, der männliche verteilt aufs Neue das Oxitec-Gen. Letztlich bleiben nur noch genetisch veränderte Männchen übrig. Wenn auch sie sterben, ist einerseits die Tigermücke aus dem Zielgebiet verschwunden, andererseits auch der transgene Tigermücken-Stamm aus der Natur:

    "Die genetisch modifizierten Mücken bleiben nur relativ kurz in der Umwelt, denn die Weibchen sind flugunfähig und die Männchen haben einen Fitness-Nachteil gegenüber den wilden Mücken. Wir erwarten, dass auch sie nicht sehr lange überleben."

    Um die transgenen Mücken vermehren zu können, müssen die Mückenweibchen im Labor allerdings noch fliegen können. Das erreichen die Forscher, indem sie das Gen abschalten. Sie setzen dem Wasser, in dem sich die Larven entwickeln, Tetracyclin zu, erklärt Geneviève Labbé.

    "Tetracyclin wirkt wie ein Gegengift. Im Labor füttern wir die Larven damit, das tödliche Gen wird blockiert und es schlüpfen Weibchen, die sich normal vermehren können. In freier Wildbahn hingegen können die Larven kein Tetracyclin finden. Die flugunfähigen Weibchen werden schnell von Fressfeinden getötet, und sie können sich auf keinen Fall paaren, Menschen stechen und Krankheiten übertragen."

    Bei einer anderen Mückenart, der Gelbfiebermücke Aedes aegypti, sind Kollegen von Labbé schon weiter. 2009 setzten sie Männchen mit demselben Flugunfähigkeitsgen auf der Insel Grand Cayman in der Karibik aus, zunächst, um zu sehen, ob sich die Männchen bei der Paarung gegen wilde Männchen durchsetzen können. 2010 ließen die Forscher – ebenfalls auf Grand Cayman – 3,3 Millionen transgene Mücken frei und schafften es tatsächlich, die Gelbfiebermücken-Population lokal einzudämmen. Für die Tigermücke steht ein solcher Versuch noch aus:

    "Wir müssen einerseits noch testen, ob wir die Tigermücke effizient genug für ein Freisetzungsprogramm züchten können. Andererseits müssen die transgenen Männchen noch beweisen, dass sie sich bei der Paarung gegen wilde Männchen durchsetzen können. Denn wenn sie keine Weibchen befruchten, sind sie nutzlos. Aber wir sind zuversichtlich, dass dieser Ansatz auch die Tigermücke eindämmen kann."