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Mit Grünkohl gegen Augenleiden

Keine Krankheit wird allein durch das Essen ausgelöst, aber viele Krankheiten werden durch unsere Ernährung maßgeblich beeinflusst. Ein Beispiel aus der Augenmedizin ist die Makula-Degeneration.

Von Ulrike Greim | 16.03.2010
    Da ist dieser graue verschwommene Fleck. Überall, wo man hinsieht, überdeckt er die Mitte. Erst sieht man gerade Linien krumm, dann wird der Fleck kräftiger und größer. Auf die Uhr schauen? Geht nicht mehr. Einen Brief lesen? Schwer möglich. Gesichter erkennen? Ein handfestes Problem. Der Augenarzt wird es schnell diagnostizieren können: die Netzhaut ist angegriffen. Das Pigment, dass sie schützen soll, wird nicht mehr genügend gebildet. Auf dieser Netzhaut gibt es einen winzigen Punkt, er ist nur 1,5 Millimeter groß, der enthält aber für viele Millionen für das Sehen zuständige Rezeptoren, man nennt ihn die Makula. Je älter man wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, an Makula-Degeneration zu leiden, sagt Jens Dawczynski, Oberarzt der Jenaer Augenklinik.

    "Weil der Körper es nicht mehr schafft, das Makula-Pigment dorthin zu bringen, wo es hingehört, also an die Stelle des schärfsten Sehens, und zum anderen das Auge es nicht mehr schafft, Abfallprodukte weg zu transportieren. Das heißt: es kommt zur Ablagerung von Abfallprodukten an der Stelle des schärfsten Sehens, es bilden sich sogenannte Drusen aus, und diese verdrängen dann das natürliche Makula-Pigment, und der Patient sieht eben in der Mitte einen grauen Fleck oder die Linien verzerrt."
    Die Makula-Degeneration ist die häufigste Ursache für Erblindung in den westlichen Industrieländern. Aber, so zeigt eine neue Studie der Uni Jena, die in diesen Wochen erst abgeschlossen wird, man kann sie verlangsamen, in einigen Fällen sogar aufhalten. Zum Beispiel, indem man regelmäßig Grünkohl und Lachs isst, beziehungsweise grünes Blattgemüse und Seefisch. Denn die enthalten Stoffe, die der Körper braucht, um die Makula immer wieder neu aufzubauen.

    "Das Makula-Pigment besteht aus Lutein und Zeaxanthin. Und zusätzlich wissen wir, dass in den Nervenzellen der Netzhaut sehr viele Omega-3-Fettsäuren vorhanden sind. So dass wir daraus schlussfolgern, dass eine Zufuhr der Inhaltsstoffe des Makula-Pigments, also von Lutein, Zeaxanthin und sicher auch von Omega-3-Fettsäuren sehr positiv für die Erhaltung der Sehkraft im Alter sein kann."

    Probanden haben die Jenaer Forscher diese Stoffe in hoher Konzentration über einen längeren Zeitraum verabreicht, und eine gute Wirkung erzielt. Natürlich: man müsse viel davon essen, zum Beispiel 150 Gramm Grünkohl täglich. Weil das keiner mögen wird, rät der Oberarzt zu Nahrungsergänzungsmitteln. Seine Klinik bastele noch an einem Gemüsesaft, aber das dauere noch. Interessant dabei ist, dass Menschen, die an dieser Netzhauterkrankung leiden, häufig auch Probleme mit den Herzmuskeln haben. Grund dafür seien neben der Ernährung auch genetische Dispositionen.

    Grundsätzlich aber gelte: die meisten der großen chronischen Krankheiten hängen unmittelbar an unserem Essen. So sagt es der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Peter Stehle. Auch wenn die Forschung hier noch sehr, sehr viel zu tun hätten, so sei doch klar: gerade Krankheiten, die aus veränderten Gefäßstrukturen herrühren, seien häufig durch falsche oder einseitige Ernährung mit beeinflusst. Und das habe Ausmaße.

    "Wir sagen ungefähr, dass 35 bis 40 Prozent - nageln sie mich jetzt nicht auf jede Prozentzahl fest - an den Todesfällen in Deutschland auf Probleme mit Gefäßen zurückgeht. Also: durch Verstopfung von Gefäßen, durch Verschluss von Gefäßen, sei es Herzinfarkt, sei es Schlaganfall, sei es chronische Herzinsuffizienz zum Beispiel, das ist schon sehr bedeutend."

    Bis hin zu Rheuma und Krebs ließe sich dies nachweisen. So arbeiten Forscher verschiedenster Disziplinen mit Ernährungswissenschaftlern zusammen, um herauszubekommen, welche Menschen was in welcher Konzentration zu sich nehmen können und sollen. Doch einfach ist das nicht, denn zu jeder Empfehlung - auch das zeigte die Konferenz in Jena - gibt es mindestens ein 'Aber'.