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Mit Hefe gegen Malaria

Medizin.- Lebewesen lassen sich wie Maschinen am Reißbrett konstruieren und anschließend zusammenbauen. Das ist der Grundgedanke der synthetischen Biologie. Mittlerweile bringt jener Bereich sogar schon marktreife Produkte hervor - zum Beispiel einen Wirkstoff gegen Malaria.

Von Michael Lange | 20.06.2011
    Jack Newman öffnet einen Glasschrank und holt ein kleines Röhrchen mit weißem Pulver hervor. Auf dieses Produkt ist der Forschungschef des kalifornischen Biotechnologie-Unternehmens Amyris besonders stolz.

    "Dies ist das erste Heilmittel gegen Malaria, das von Mikroorganismen hergestellt wurde. Durch synthetische Biologie ist es uns gelungen, den Wirkstoff Atemisinin zu einem günstigen Preis herzustellen."

    Jack Newman war von Anfang an bei dem Projekt dabei, als Mitarbeiter von Jay Keasling. Der Professor an der Universität von Kalifornien in Berkeley ist einer der Pioniere der synthetischen Biologie.

    "Ich bin mit Leib und Seele Ingenieur. Und als Bio-Ingenieur versuche ich Probleme zu lösen, wo immer ich es kann."

    Artemisinin wurde bereits in der traditionellen chinesischen Medizin gegen Malaria eingesetzt. Ende des 20. Jahrhunderts gewann es an Bedeutung. Auch gegen Artemisinin gibt es mittlerweile Resistenzen. Dennoch könnte vielen Malaria-Kranken besser geholfen werden, wenn der Wirkstoff in großen Mengen zu kleinen Preisen zur Verfügung stünde, betont Jay Keasling.

    "Artemisinin ist das beste Anti-Malaria-Mittel der Welt. Normalerweise wird es aus Pflanzen der Art "Artemisia annua" gewonnen, bekannt auch als "Einjähriger Beifuß". Die Gewinnung ist recht teuer, da der Wirkstoff durch ein aufwendiges Verfahren gereinigt werden muss. Wir haben deshalb die Gene der Pflanze isoliert, die für die Bildung der Substanz zuständig sind. Dann haben wir die Gene in Bierhefe überführt, und die Hefe produziert das Medikament aus Zucker."

    Der Rest ist einfach, wie Bierbrauen, meint Jay Keasling und lächelt. Sein Projekt löste von Anfang an Begeisterung aus. Es gab aber auch zahlreiche Schwierigkeiten.

    "Zunächst produzierte die Hefe nur geringe Mengen des Wirkstoffs. Nur mit den Werkzeugen der synthetischen Biologie konnten wir die Ausbeute steigern. Wir erhielten Hefezellen, die immer Zucker in Wirkstoff verwandelten, so dass letztlich ein kommerziell brauchbares Verfahren entstand."

    Die Forscher bauten zusätzliche genetische Schalter aus Hefen und Bakterien in die Zellen ein. Damit konnten sie die Aktivität der Pflanzengene deutlich steigern. 2007 war die Laborarbeit beendet und die von Jay Keasling gegründete Firma Amyris übernahm die kommerzielle Weiterentwicklung. Heute entsteht Artemisinin in glänzenden Bioreaktoren, so groß wie Braukessel. Damit sei nun auch der zweite Schritt getan, erklärt Jack Newman, Forschungschef bei Amyris.

    "Es ist ein erstaunliches Technologie-Projekt, und jetzt geht es darum: Wie bringen wir das Produkt unter die Leute. Das werden wir gemeinsam mit Sanofi-Aventis machen und dem Rest der Welt."

    Der Rest der Welt ist vor allem die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung. Sie soll die Malaria-Medikamente kostenlos in den betroffenen Ländern verteilen. Die Biotechnologen von Amyris wollen mit diesem Projekt kein Geld verdienen, betonen sie. Ihnen reicht der Werbe-Effekt. Denn schon jetzt ist klar: Mit ein paar kleinen Veränderungen kann die synthetisch veränderte Hefe viele andere Produkte herstellen. Das reicht von der Hautcreme bis zum Biodiesel.