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Mit Kanonen auf Spatzen

Medizin. - Grüngelber Auswurf bei Hustenpatienten wird oft als Indiz für eine Bakterieninfektion gewertet und mit Antibiotika bekämpft. Das ist in vielen Fällen jedoch keine angemessene Therapie, so lautet zumindest das Ergebnis einer europaweiten Studie. In den meisten Fällen könnten die Medikamente sogar eher schaden als nützen.

Von Marieke Degen | 13.05.2011
    Wenn ein Patient mit einer dicken Bronchitis beim Hausarzt sitzt, dann kommt sehr wahrscheinlich auch irgendwann diese Frage:

    "Der Arzt fragt oft: Welche Farbe hat der Auswurf? Also der Schleim, den der Patient aus den Lungen heraushustet. Ich denke beide, Patienten wie Ärzte, gehen davon aus, dass grüner oder gelber Auswurf auf eine bakterielle Infektion hindeutet. Und dass der Patient ein Antibiotikum braucht, um die Bakterien zu bekämpfen."

    Chris Butler ist Professor für medizinische Grundversorgung an der Universität von Cardiff in Wales. Der Mediziner wollte ein für allemal klären, wie wichtig, wie aussagekräftig der grüngelbe Schleim tatsächlich ist. Er kommt zu folgendem Ergebnis.

    "Die Bedeutung von grünem oder gelben Auswurf wird generell überschätzt. Patienten sollten nicht automatisch Antibiotika bekommen. Denn die Antibiotika helfen dem Patienten auch nicht dabei, schneller gesund zu werden."

    Chris Butler und seine Kollegen haben 3400 Patienten aus ganz Europa in ihre Studie eingeschlossen. Alle litten an einer Infektion der unteren Atemwege, und sind deshalb zum Arzt gegangen. Ansonsten waren sie aber generell gesund, sie hatten keine chronischen Krankheiten. Die Ärzte haben genau dokumentiert, welche Beschwerden die Patienten hatten, und wie sie behandelt worden sind. Tatsächlich:

    "Patienten mit gelben oder grünem Auswurf haben dreimal häufiger Antibiotika bekommen als Patienten ohne Auswurf."

    Die Patienten haben dann noch Tagebuch über ihre Beschwerden geführt, vier Wochen lang. Butler:

    "Wenn wir uns mal die Patienten anschauen, die grünen oder gelben Schleim ausgehustet hatten, dann sind diejenigen mit Antibiotikum auch nicht schneller gesund geworden als Patienten ohne Antibiotikum."

    Grüngelber Schleim muss nämlich noch lange nicht heißen, dass es sich um eine bakterielle Infektion handelt. Infektionen mit Viren können ebenfalls den Auswurf verfärben. Gegen Viren können Antibiotika aber nichts ausrichten. Im besten Fall haben die Medikamente dann überhaupt keine Wirkung. Im schlimmsten Fall Nebenwirkungen. Chris Butler:

    "Einige Patienten, die Antibiotika nehmen, klagen über Hautausschläge oder Übelkeit. Außerdem besteht die Gefahr, dass durch die Einnahme von Antibiotika andere Bakterien im Körper unempfindlich gegen diese Antibiotika werden, resistent. Normale Darmbakterien zum Beispiel. Wenn diese Darmbakterien dann eine Blasenentzündung hervorrufen, dann lässt sich die Blasenentzündung nur schwer mit Antibiotika behandeln."

    Wenn ein ganz normaler Patient also mit einer akuten Bronchitis in die Praxis kommt, dann sollte der Arzt lieber keine Antibiotika verschreiben, sagt Chris Butler – egal, welche Farbe der Schleim hat. Anders sieht das natürlich bei einer echten Lungenentzündung aus. Wenn der Patient nicht nur schlimm hustet, sondern noch andere Symptome hat, wie hohes Fieber und einen hohen Puls. Denn eines bleibt unbestritten:

    "Für Patienten mit solchen Infektionen sind Antibiotika auf jeden Fall wertvolle Medikamente, die Leben retten."