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Mit Libertas in die Bedeutungslosigkeit

Europa - entsetzt, erzürnt, echauffiert. Monatelang genügte ein Wort des tschechischen Präsidenten, und in der EU herrschte Aufruhr. So verdanken die Tschechen ihrem eigenwilligen Staatsoberhaupt inzwischen den Ruf, Europas größte Skeptiker zu sein. Doch in den eigenen Reihen ist der Staatspräsident der Tschechischen Republik mittlerweile isoliert.

Von Christina Janssen | 10.06.2009
    Wenige Tage vor den Europawahlen ließ Tschechiens Präsident Vaclav Klaus seinen Gedanken noch einmal freien Lauf:

    "Diese Wahlen sind überflüssig, das sind doch nur 'Halbwahlen'..."

    "Das Europa-Parlament spielt keine große Rolle. Man nennt es zwar Parlament. Es ist aber das einzige Parlament der Welt, wo die Abgeordneten kein Recht haben, Gesetze zu beschließen- eine Art 'Halbparlament'."

    Halbwahlen zu einem Halbparlament - Trotzdem verzichtete Tschechiens Chef-Skeptiker nicht drauf, seine Stimme abzugeben. Alle Fernsehsender waren dabei, als der kleine Mann mit dem grauen Schnauzbart an die Urne trat. Welche Partei er gewählt hatte, verriet Klaus zwar nicht. An seinen Sympathien für die EU-kritische Libertas-Bewegung hatte er zuvor aber keinen Zweifel aufkommen lassen. Im letzten November flog Klaus nach Dublin, um Libertas-Gründer Declan Ganley zu besuchen. Vor wenigen Wochen dann der Gegenbesuch - Ganley zu Gast auf der Prager Burg bei Vaclav Klaus:

    "Präsident Vaclav Havel hat sich doch auch mit Dissidenten aus verschiedenen Ländern getroffen, also ich treffe mich jetzt mit einem Dissidenten der Europäischen Union - und dazu zähle ich auch mich."

    Europa - entsetzt, erzürnt, echauffiert. Monatelang genügte ein Wort des tschechischen Präsidenten, und in der EU herrschte Aufruhr. So verdanken die Tschechen ihrem eigenwilligen Staatsoberhaupt inzwischen den Ruf, Europas größte Skeptiker zu sein. Zu Unrecht - wie die Wahlen am Wochenende zeigten. Drei anti-europäische Parteien hatten sich im Vorfeld des Urnenganges gegründet. Keine schaffte den Sprung über die 5-Prozent-Hürde. Klaus' Liebling Libertas - weit abgeschlagen mit nicht einmal einem Prozent. Es wird einsam um den selbst ernannten EU-Dissidenten auf der Prager Burg, meint Wahlforscher Jan Hartl, der Direktor des renommierten tschechischen Meinungsforschungsinstituts Stem:

    "Vaclav Klaus hat in gewisser Weise einen negativen Einfluss auf die öffentliche Meinung - weil sein Verhalten die Atmosphäre hier vergiftet. Auf der anderen Seite muss man aber sagen: Die tschechische Bevölkerung ist eindeutig für Europa, das gilt vor allem für die jüngeren, gebildeteren Leute."

    "Diese starke antieuropäische, oder wenn Sie so wollen, euroskeptische, europhobe Stimmung ist in Tschechien nicht sehr verbreitet."

    Und so hat Vaclav Klaus keines seiner politischen Ziele erreicht. Der Lissabon-Vertrag hat die Abstimmungen in beiden Parlamentskammern überstanden. Die von Klaus mitbegründeten Bürgerdemokraten haben sich zu einer eher pro-europäischen Partei gewandelt. Und selbst hartleibige EU-Kritiker aus dem konservativen Lager üben an Klaus inzwischen offen Kritik. Sein Intim-Feind Mirek Topolanek, Tschechiens gestürzter Premier und glückloser EU-Ratspräsident, ist der unangefochtene Sieger der Europawahlen und wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Nein - in Tschechien läuft es ganz und gar nicht nach dem Plan von Vaclav Klaus. Der Chor der tschechischen EU-Kritiker wird zwar nicht verstummen, aber Klaus ist als Solist offenbar nicht mehr gefragt. Und sollte sich der gegenwärtige Trend auch bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Oktober bestätigen, dann - so tschechische Kommentatoren - droht Vaclav Klaus der Absturz in die politische Bedeutungslosigkeit.