Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Mit Tönen und Bildern zum Lesen verführt

Kinder und Jugendliche zum Lesen zu verführen, ist für Buchverlage ein hartes Brot. Auf der Frankfurter Buchmesse setzten die Unternehmen deshalb statt auf klassische Bücher lieber auf digitale Wundertüten.

Von Ludger Fittkau | 10.10.2013
    Ob ein Andenkondor, eine Hochland-Kuh oder Delfine vor der Küste Brasiliens - mit einem kugelschreiber- großen Stift, in den ein Chip eingebaut ist, kann man in einem Weltatlas auf ein Tiersymbol auf einer Landkarte Südamerikas tippen. Sofort ertönt ein Tiergeräusch. Anschließend erklärt eine Stimme, um welches Tier es sich genau handelt. Jede Tierstimme ist mit einem digitalen Code ausgestattet:

    "Auf den Seiten sind die Codes aufgedruckt. Und der Stift erkennt das. Das ist ein bisschen das Prinzip wie beim Barcode, der Stift erkennt das und gibt die Soundfiles wieder."

    Erklärt Heike Herr-Treppner, Sprecherin des Ravensburger Buchverlags, der diese Kombination aus Atlas und Klangwelt dahinter vertreibt. "Audiodigitales Lernsystem tiptoi" hat der Verlag diesen mit Geräuschen, Sprachen und Musik gefüllten Weltatlas genannt, der auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert wird. Ganz neu ist "tiptoi" nicht:

    "Es ist ein großer Erfolg, wir sind 2010 gestartet im Herbst und haben jetzt über 2,7 Millionen Produkte verkauft."

    Doch viele Jugendliche heute nehmen überhaupt kein Buch mehr in die Hand, auch wenn sich zwischen den Buchdeckeln eine Klang-Wunderwelt versteckt. Auch Tablet-PCs sind hierzulande nicht so sehr das Ding von 15- oder 16-Jährigen. Ihr Leitmedium ist das Smartphone, wie eine Schülergruppe gleich vor den Toren der Buchmesse klar macht. Auf Papier gedruckte Texte zu lesen, ist uncool:

    "Wenn ich ehrlich bin - gar keine."

    "Ich habe früher mal gelesen, aber wird schon weniger. In den Ferien oder so mal."

    "Ja, Bücher lese ich eigentlich auch nicht mehr, wenn ich mal was lese, dann einen Zeitungsartikel, der mich interessiert."

    Ganz anders ist das beim Blick ins Smartphone:

    "Denn mit dem Smartphone bin ich eigentlich immer verbunden, und wenn ich das nicht habe, habe ich das Gefühl, mir würde etwas fehlen."

    Vor allem koreanische Firmen bieten auf der Frankfurter Buchmesse aufwendige multi-mediale Produkte an, mit denen das klassische Buch gerade für die mobilen Endgeräte der Digital Natives um zahlreiche Zusatzfunktionen erweitert wird: Fotos, grafische Animationen oder Sekundärtexte, die per Mausklick hinzugefügt werden können. Jugendliche und Studierende sind die Zielgruppe der Firma ISC Games in Seoul, die klassische gedruckte Lehrbücher zu multi-medialen Ereignissen erweitert. Projekt-Manager Son Minyoung erklärt anhand eines virtuellen Bücherregals auf einem Tablet-PC in seinen Händen, warum die Software seiner Firma einen digitalen Mehrwert hat:

    "Das sind digitale Stifte, mit denen Schüler Stellen im Text markieren können. Außerdem bieten wir Memofunktionen an, man kann Notizen machen oder einfach etwas sprechen und aufnehmen. Und jederzeit, wenn die Schüler eine Frage haben, können sie sie an ihre Lehrer mailen. Auf allen Ebenen gibt es Übungsaufgaben, die sofort digital bewertet werden können."

    Gleich nebenan bietet eine andere koreanische Firma ein Spiel an, das auf den ersten Blick wie ein übliches Wii-Spiel wirkt: mit Körperbewegungen, dem Benutzen eines Joysticks als virtuellen Schläger oder Hüpfern lassen sich Bilder beeinflussen, die ein Beamer auf eine Leinwand wirft. Doch es ist kein normales Wettkampf-Spiel, um das es hier geht. Sondern um die bis ins Detail grafisch umgesetzte spielerische Erkundung einer Autowerkstatt - einschließlich des virtuellen Auseinanderbauens eines Pkw-Motors. Großes Kino für angehende Kfz-Meisterinnen. Verkauft wurde das Lernspiel auch schon, versichert Ingenieurin SuWoong Lee:

    "Innerhalb von Korea – in verschiedenen Bibliotheken."

    Mit körperlichen Bewegungen vor dem Großbildschirm spielerisch Maschinenbau lernen oder sich als angehender Geisteswissenschaftler mit dem Smartphone traumwandlerisch durch ein mehrschichtiges, digitales Lexikon bewegen, in dem die nötigen Infos für die nächste Seminararbeit stecken - das könnte zur Zukunft der Mediennutzung gehören.

    Immerhin, auch wenn er keine Bücher liest, ein halbes Jahrhundert gibt der 16-jährige Sam Fasany von der Georg Christoph-Lichtenberg-Schule im südhessischen Ober-Ramstadt dem guten alten Buch immerhin noch:

    "Das klassische Buch - je nachdem, ich gebe dem noch fünfzig Jahre. Dann glaube ich, können wir es unseren kleinen Kindern zeigen: Guck mal, das ist ein Buch. Das hatten wir damals zu lesen und so weiter und die sagen: Wow, cool. Ist ja Papier und nicht auf dem Bildschirm. Also, ich gebe dem noch 50 Jahre."

    Mehr zum Thema:

    Buchmessenblog DKultur
    Alle Beiträge zur Frankfurter Buchmesse 2013