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Mit Viren gegen Allergien

Medizin. - Lebensmittelallergien nehmen in den Industrieländern zu. Etwa fünf Prozent der Kinder und vier Prozent der Erwachsenen sind davon betroffen. Eine wirksame Behandlung gibt es bislang nicht, einige Forschergruppen arbeiten an einer Hyposensibilisierung, ähnlich wie bei einer Pollenallergie. Ob solch eine Behandlung bei Lebensmittelallergien hilft, ist noch unklar. Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts gehen einen anderen Weg: sie wollen mit einer Impfung Lebensmittelallergien verhindern.

Von Jochen Steiner | 08.08.2013
    Wer ein Hühnerei isst und danach über Schwellungen im Mund klagt, der könnte auf Hühnereiweiß allergisch reagieren. Also: kein Frühstücksei mehr! Aber Eier sind ja auch in Kuchen enthalten, in Desserts und anderen Leckereien. Schnell wird die Liste der Produkte lang, die man dann meiden sollte. Mehrere Forschergruppen arbeiten deshalb daran, Menschen mit Lebensmittelallergien zu behandeln, bislang mit mäßigem Erfolg. Bei der Hyposensibilisierung werden winzige Mengen eines bestimmten Allergens, des allergieauslösenden Stoffes also, über einen längeren Zeitraum unter ärztlicher Aufsicht verabreicht – etwa kleine Ei-Stücke. Irgendwann soll der Patient dann wieder ein ganzes Ei essen können. Doch wie lange dieser Effekt wirkt, ist noch unklar. Am Paul-Ehrlich-Institut im hessischen Langen verfolgen Wissenschaftler einen recht neuen Ansatz: sie wollen Menschen mit abgeschwächten Viren impfen und sie so vor Lebensmittelallergien schützen.

    "Der Vorteil unserer Methode ist, dass das Abwehrsystem in dem Fall das Allergen gar nicht in einer Form präsentiert bekommt, dass es noch allergische Reaktionen auslösen kann."

    Dies ist vergleichbar mit einer Impfung gegen Masern oder Polio, bei denen ebenfalls ein abgeschwächtes Virus verabreicht wird und vor der Krankheit schützen soll. Die Forscher um Professor Stefan Vieths hatten zehn Mäuse mit einem bestimmten Virus, dem modifizierten Vacciniavirus Ankara, kurz MVA, geimpft. Als Kontrollgruppe blieben zehn weitere Mäuse ungeimpft. Anschließend machten die Wissenschaftler alle 20 Mäuse auf ein bestimmtes Hühnereiweiß allergisch. Dazu gaben sie den Tieren geringe Mengen von Ovalbumin, eines der Hühnereiweiße, das allergische Reaktionen auslösen kann.

    "Die Mäuse, die allergisch sind, die bekommen letztendlich Symptome im Darm, das heißt sie bekommen bis zu starkem Durchfall, sie bekommen eine Entzündung im Darm, das sieht man eben daran, dass auch die Darmzotten verändert sind zum Beispiel, und sie verlieren Körpergewicht und sie haben ein reduzierte Körpertemperatur."

    Doch nur die ungeimpften Mäuse zeigten diese Symptome, nachdem die Forscher ihnen Hühnereiweiß ins Futter gemischt hatten. Stefan Vieths:

    "Das Ergebnis war, dass wenn wir die Mäuse geimpft haben bevor wir sie allergisch gemacht haben, dass wir dann mit einer sehr großen Erfolgsrate die allergische Reaktion entweder verringern konnten oder bei der Hälfte der Mäuse hat man gar keinen Unterschied zu nicht-allergischen Mäusen gesehen, das heißt die waren komplett normal, haben überhaupt keine allergischen Reaktionen gezeigt."

    Doch wie läuft dieser Impfschutz genau ab? Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts hatten bereits vor einiger Zeit in die MVA-DNA das Erbgut des allergieauslösenden Eiweißes Ovalbumin eingebaut. Wenn nun dieses gentechnisch veränderte MVA die Zellen des Abwehrsystems in der Maus befällt, dann werden in den Abwehrzellen nicht nur die Virusproteine hergestellt, sondern auch Ovalbumin-Proteine. Die werden von den Abwehrzellen aber erkannt, in Stücke zerteilt und an die Zelloberfläche transportiert, wo die Bruchstücke von anderen Zellen erkannt werden. Die Folge: eine Antikörper-Antwort wird ausgelöst.

    "Und diese Antikörper-Antwort ist eben so, wie sie normalerweise gegen ein Virus gerichtet wäre und nicht wie eine allergische Abwehr-Antwort gegen ein Allergen."

    Die Antikörper-Antwort aktiviert bestimmte T-Helferzellen im Körper in großer Zahl. Und dies hat einen schützenden Effekt: die geimpften Mäuse konnten Hühnereiweiß fressen, ohne oder nur leichte allergische Symptome zu zeigen. Doch der Weg zu einer Impfung beim Menschen ist noch weit.

    "Was man machen müsste, um das beim Menschen als Hyposensibilisierung einzusetzen wäre dann zu zeigen, dass ich auch nachdem ich die Mäuse allergische gemacht habe, diese Immunantwort so beeinflussen kann, dass Hühnerei hinterher wieder vertragen wird. Das haben wir in ersten Experimenten auch probiert, wir sehen da auch gewisse Erfolge. Wir haben den Eindruck, dass wir unser Impfregime, also die Dosierung, die Höhe der Dosierung und die Häufigkeit der Anwendung noch optimieren müssen, um diesen Effekt auch klar zu zeigen."

    Auch soll es nicht beim Hühnereiweiß bleiben – MVA könnte auch mit Erdnuss- oder Pfirsich-Genen bestückt werden.