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Miterziehende Oma

Von Agnes Steinbauer | 04.07.2003
    Sie wissen ganz genau, wenn die Mama was sagt, det is bindend und sie versuchen dann wie weit sie bei 0ma gehen können und sie können da ein bisschen weitergehen. Es dauert bei mir halt länger bis ich sage: Jetzt ist Feierabend.

    Bärbel Warneke ist hauptberuflich miterziehende 0ma. Ihr Tag ist ganz von den Mädchen Nura 4, Miriaban (2) und ihrem acht Monate alten Enkel Schian ausgefüllt. In Berlin-Köpenick lebt Bärbel mit Tochter Andrea, deren kurdischen Mann und den drei Kindern in zwei verschiedenen Wohnungen, aber Tür an Tür. Die 61-Jährige liebt ihre Doppelrolle als Großmutter und "Pflegemutter", in die sie eigentlich mehr oder weniger hinein gerutscht ist:

    Als das zweite Kind da war und meiner Tochter gings gesundheitlich überhaupt nicht gut, die hatte nach der Geburt der zweiten Tochter einen ganz schweren Asthma-Anfall das war eigentlich so der Einstieg, wo ich doch mehr übernommen habe, als geplant war.

    Aufgaben übernehmen, das heißt für Bärbel Warneke Teamarbeit mit ihrer Tochter. Sie macht das, was man als Mutter eben so macht. Sie kocht, bringt die beiden Mädchen in den Kindergarten, legt den Kleinen Schlafen, geht mit den Kindern zum Spielplatz. Mit der klassischen Rolle als Großmutter, die nur lieb ist und Geschenke mitbringt, hat das weniger zu tun, denn:

    Wenn Oma was sagt, letztendlich dann hamse zu hören. Manchmal muss ich es dreimal sagen, na gut, det is ganz normal, halt ich auch für ganz normal, aber die wissen schon, wo es langgeht und dass sie da auch hören müssen.

    Für Bärbel Warneke, die bis vor kurzem selbst noch als Kindergartenleiterin berufstätig war, ist jedoch sehr wichtig, ihre "Grenzen" als "Pflegemutter" nicht zu überschreiten und die Erziehungskompetenz ihrer Tochter zu achten:

    Da wird eine Linie gefahren, wenn Mama nein sagt, sagt Oma auch nein, geht nicht anders. In jedem Fall – grundsätzlich. Man kann hinterher darüber sprechen und sagen, Du det het ick vielleicht so und so gemacht. Oder meine Tochter sagt: Du pass mal auf, Du hast da vorhin was verkehrt gemacht, das hab ich nicht so gerne, aber das müssen ja die Kinder nicht mitkriegen.

    Gab es in Erziehungsfragen zwischen der Mutter und der Anfang 30-Jährigen Tochter schon mal Streit?

    Ja das hatten wir auch, ist ganz klar, weil sie immer sagt, sie ist die einzige die mit Strenge und mit Regeln durchgreift und sie immer Angst hat, ich weich det auf. Da hatten wir Diskussionen.

    Großmutter Bärbel würde die vierjährige Nura zum Beispiel in manchen Situationen öfter mal in den Arm nehmen:

    Die Große, wenn sie hinfällt, möchte gerne bedauert werden und meine Tochter sagt, sie möchte keine Heulsuse erziehen. Sie muß das lernen auch ein bisschen was wegzustecken na ja, bei mir würde sie vielleicht mehr Mitleid kriegen.

    Ansonsten gibt es aber wenig Reibungspunkte in der kleinen "Großfamilie". Vielleicht liegt das auch daran, daß Bärbel Warnecke als frühere Erzieherin pädagogische Kompetenz mitbringt und viel über ihre Rolle als erziehende Oma nachgedacht hat:

    Es ist anders, als wenn man sein eigenes Kind großzieht. Man sieht sich in der Tochter manchmal wieder, weil die ja Dinge wiederholt, die man selbst gemacht hat. Aber zu den Kindern ist es so, daß man ruhiger ist, vielleicht auch ausgeglicherener als Oma, vieles vielleicht mehr toleriert, als man es als Mutter toleriert hat.

    Obwohl Bärbel Warneke ihr jetziges Leben nicht missen möchte – manchmal findet sie ihre Situation auch ziemlich anstrengend:

    Die Enkelkinder sind wesentlich lebhafter, als es meine Tochter war. Die sind wie der Wirbelwind, brauchen auch viel, viel Aufmerksamkeit. Sind leider vom Alter her noch nicht so, dass sie nun sehr viel miteinander anfangen können. Das fängt jetzt an, dass sie miteinander spielen, die beiden Mädchen.

    Wenn die 61-Jährige die Erziehung ihrer Tochter mit der Erziehung ihrer Enkel vergleicht fällt ihr eines besonders auf:

    Die Kinder heute sind ganz anders. Die sind viel fordernder, viel selbstbewusster. Durch die Medien auch, man kann ja nicht alles von ihnen fernhalten und auch durch den Kindergarten.

    Die Auswirkungen dieser Entwicklung - wenn Kinder zu laut werden oder sich zu sehr in den Vordergrund drängen – zehren manchmal an Bärbels Nerven. Dennoch: Das Schöne an ihrem Job überwiegt für sie immer:

    Im Grunde tue ich das auch für mich. Weil das das hält mich jung und das gibt mir auch kraft und Freude. Die Kinder machen mir unheimlich viel Spaß, zumal ich mich schon abgefunden hatte, nie ne Oma zu werden und jetzt die Freude umso größer ist, dass ich eine dreifache Oma bin und das so wunderbare Kinder sind, die einen lieb haben, die ich lieb habe und dass ich froh bin, dass es meiner Tochter gut geht und alle so weit gesund sind.