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Mittel gegen COVID-19
Geberkonferenz will Zugang für alle sichern

Die Welt braucht einen Impfstoff gegen das Coronavirus. Die EU will deshalb die Kräfte bündeln und initiiert einen globalen Spendenmarathon. Auf einer Geberkonferenz in Brüssel sollen dafür rund acht Milliarden Dollar eingesammelt werden. Aber wie lässt sich sicherstellen, dass das Ziel erreicht wird?

Von Volkart Wildermuth | 04.05.2020
Eine Spritze steckt in einem Fläschchen mit der Aufschrift "Coronavirus-Impfstoff" und
Die Impfstoffentwicklung gegen das neuartige Coronavirus läuft weltweit auf Hochtouren (picture alliance / Igor Golovniov)
Auf der Auftaktveranstaltung für die Innovationsoffensive ACT Accelerator sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel einen substanziellen Beitrag Deutschlands zu. Die öffentliche Hand müsse sich engagieren.
"Es handelt sich hier um ein globales öffentliches Gut, diesen Impfstoff zu produzieren und dann ihn auch in alle Teile der Welt zu verteilen."
Nicht nur ein Impfstoff, auch Tests und Medikamente sollen nicht nur an den höchsten Bieter gehen oder an das Heimatland einer Firma, sondern an die, die sie wo auch immer auf der Welt am nötigsten brauchen. Dieses Ziel unterstützt auch Marco Alves, der sich für Ärzte ohne Grenzen für einen fairen Zugang zu Medikamenten einsetzt. Aber er rät zu Wachsamkeit bei der Vergabe öffentlicher Mittel.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
"Man kann nicht automatisch darauf vertrauen, dass wirklich Produkte herauskommen, die für alle Menschen weltweit in reichen und in armen Ländern sowohl zugänglich als auch bezahlbar sind."
Zu hohe Preise für Vakzine akzeptiert
Konkret hat Ärzte ohne Grenzen in der Vergangenheit zum Beispiel kritisiert, dass die Impfallianz GAVI zu hohe Preise für Vakzine akzeptiert. Oder dass CEPI, eine globale Koalition zum Seuchenschutz, Pandemieforschung finanziert, und die Patente trotzdem bei privaten Firmen verbleiben. Um das beim ACT Accelerator zu vermeiden, fordert Ärzte ohne Grenzen, schon heute klar festzulegen:
"Wem gehört das durch öffentliche Gelder finanzierte Präparat letzten Endes? Wer konkret legt einen Preis fest? Es muss konkret festgeschrieben werden, dass alle Technologien, Wissen, Know-how, geistige Eigentumsrechte, die aus dieser Forschungsförderung entstehen, in einen Technologie-Pool der WHO kommen, damit auch andere Hersteller so schnell wie möglich die Produktion starten können, von den Präparaten und eben auch global verteilen können. Und zu Preisen, die alle bezahlen können."
Caroline Schmutte leitet das deutsche Büro des Welcome Trust, der weltweit medizinische Forschung fördert. Sie hält diese Forderungen im Kern für richtig, plädiert aber für Augenmaß.
"Die Debatte: Wie können wir sicherstellen, dass die Produkte zum Schluss global verfügbar sind und vor allem für die, die sie am meisten brauchen, ist zentral. Was manchmal passiert ist, dass der Karren vor das Pferd gespannt wird und man dann so sehr darüber nachdenkt, dass verkannt wird, dass die Gelder natürlich erst mal sicherstellen müssen, dass wir einen erfolgreichen Impfstoff haben und bestenfalls mehr als einen."
Unternehmen konkurrieren um die besten Tests, Medikamente, Impfstoffe
Und Impfstoffe werden nun mal genauso wie Tests und Medikamente von Pharmaunternehmen produziert, die auf Gewinn angewiesen sind. Caroline Schmutte betont, dass die WHO bereits im Vorfeld der COVID-19-Innovationsoffensive die Industrie mit eingebunden hat. Klar ist, die Unternehmen konkurrieren um die besten Tests, Medikamente, Impfstoffe. Aber es zeichnet sich auch eine Bereitschaft ab, am Ende zum Beispiel bei der Massenproduktion zu kooperieren.
"Darin wurde auch ganz klar gesagt, dass COVID-19 kein Business ist, sondern dass man sich mit allen Kräften daran engagiert, einen Impfstoff zur Verfügung zu stellen und das zu tun in einer Art, die wirtschaftlich ist."

Ein Teil der gut sieben Milliarden Euro soll nicht in die Finanzierung von Forschung und klinischen Studien gehen, sondern in den Aufbau von Produktionsstätten auf allen Kontinenten.
"Um zu vermeiden, dass dann plötzlich jemand diesen Impfstoff bunkern kann oder in irgendeiner Form versucht zu forcieren, dass er auch außerhalb des Herstellungslandes nicht zu haben ist."
Sobald wirksame Werkzeuge gegen Covid-19 greifbar sind, könnte die internationale Gemeinschaft dann Garantien abgeben, am Ende auch große Mengen von Tests, Medikamenten oder Impfstoffen abzunehmen.
"Dadurch kann der Preis fallen, und dadurch können dann eben Preise erzielt werden, die sich Länder auch leisten können."
Das Foto zeigt eine Spritze und im Hintergrund den Schriftzug COVID-19
Warum es so lang dauert, einen Corona-Impfstoff zu entwickeln
Noch gibt es gegen das Coronavirus keinen Impfstoff. Die Entwicklung läuft weltweit auf Hochtouren. Doch trotz der intensiven Forschung dürfte es noch einige Zeit dauern, bis ein Impfstoff auf den Markt kommt.
Es gibt also durchaus Überlegungen, wie sich das Ziel Tests, Medikamente und Impfstoffe als globales öffentliches Gut zu behandeln auch tatsächlich umsetzen lässt. Entscheidend ist in jedem Fall eine starke Kontrolle des Programms, und die sollte die Weltgesundheitsorganisation übernehmen, da sind sich Marco Alves von Ärzte ohne Grenzen und Caroline Schmutte vom Welcome Trust einig.
"Die WHO ist die einzige globale Instanz, die das Mandat hat, die Expertise und die Erfahrung hat, mit einer globalen Pandemie umzugehen und alle Akteure entsprechend zu koordinieren."
"Und zwar nicht mit der Erwartung: Machtkampf - wer kriegt was vom Kuchen ab? Sondern eher mit der Erwartung: Jeder Einzelne trägt dazu bei, dass wir diese Pandemien in den Griff bekommen. Und die Bevölkerung dieser Welt schaut uns auf die Finger und wartet dringend auf unsere Fortschritte."
"Letzten Endes muss es tatsächlich darum gehen, dass alle Menschen versorgt werden. Davon hängt ganz maßgeblich ab, ob man die Pandemie unter Kontrolle bekommt oder eben nicht. Hier im Kern steckt die Notwendigkeit tatsächlicher globaler Solidarität."