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Mobile Journalisten
Gefahr: Multimedia-Lieferant

Die diesjährige MoJoCon, ein internationales Treffen für mobilen Journalismus, im irischen Galway ist vorüber. Was bleibt, ist - neben dem Austausch über neue Möglichkeiten - die Erkenntnis: Die Qualität der Arbeit darf nicht auf der Strecke bleiben.

Von Kai Rüsberg | 08.05.2017
    Eine Journalistin mit Smartphone inmitten von Kamera-Kollegen.
    Lassen die Anforderungen an den mobilen Reporter die Arbeitsbelastung bis ins Absurde steigen? (picture alliance / dpa / Ke Wei)
    Wortgewaltig eröffnete der amerikanische Medienberater Michael Rosenblum den Konferenztalk auf der Bühne. Seine Botschaft: Der Journalismus ist tot, das Smartphone kann ihn retten. Damit war der Rahmen der dreitägigen MoJoCon gesetzt. Zum dritten Mal trafen sich bei der Konferenz die Vorreiter des mobilen Journalismus. Ein Thema auch für die öffentlich-rechtlichen Anstalten, sagt Roland Warmbein von Radio Bremen: "Ja auf jeden Fall ist das was für einen ARD Sender. Wenn man mal an die Möglichkeiten denkt, die Augenzeugen-Reporter jetzt bekommen: Jeder hat eine Kamera in der Tasche. Das ist eine völlig neue Situation gegenüber noch vor zehn Jahren, wo wir tatsächlich zunächst genötigt waren, erstmal das ganze Equipment an Ort und Stelle zu bringen. Jetzt kann jeder sofort Bilder aufnehmen."
    Auch in Deutschland wird immer mehr Fernsehen mit dem Smartphone produziert, bestätigt Manuel Heckmair, der für RTL produziert: "Wenn's schnell gehen muss, ja dann ist es macht eine gute Wahl, aber zum Teil auch, wenn man den Menschen in einer Form näher kommen will als jetzt mit dem Drei-Mann-Team, um bestimmte Emotionen einzufangen. Dann ist es tatsächlich manchmal besser, wenn man nur so hier das Smartphone hinhält, als wenn man dann mit dem großen Drei-Mann-Team steht und fragt: Wie geht's dir denn jetzt?"
    Die Anforderungen steigen
    In den Vorjahren wurden vor allem Lösungen gesucht, mit dem Smartphone Video für das Fernsehen im PAL-Standard aufzunehmen. In diesem Jahr standen erstmals auch Hochkantformate zum Konsum auf dem Handy im Fokus, beobachtet Frank Lechtenberg, Crossmedia-Professor der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. "Hier wird diskutiert, wie kann ich bestimmte Zielgruppen auch jüngeres Publikum, was vielleicht nicht mehr mit den klassischen Medien erreichbar ist, ansprechen. Wie kann ich Interaktion, wie kann ich auch Bindung an das Medienhaus vielleicht herstellen, dann Snapchat-Themen, die ich in meinem Alter nicht so auf dem Schirm gehabt habe, die hier aber wirklich kompetent auch vorgestellt werden und dir auch zeigen, dass selbst Medienhäuser wie ARD und ZDF in Deutschland das Ding schon auf dem Schirm haben."
    Reporter Nick Garnett ist bei der BBC einer der Vorreiter beim weltweiten Einsatz des Smartphones. Er sagt, zunehmend werde hinterfragt: Was sind die richtigen Produktionsmittel. Er selbst ist wieder davon abgekommen, ausschließlich auf das Smartphone zu setzen. "Der mobile Journalismus hat sich verändert. Die Anforderungen an die technische Qualität steigen. Und dadurch steigen auch die Anforderungen bei Online-Portalen."
    Nach zwei Tagen Podiumsdiskussionen und Vorträgen mit 600 Teilnehmern standen am dritten Tag ganz praktische Workshops im Vordergrund. Dort ging es um technische Ausrüstung wie Mikrofone oder Beleuchtung, produktive Apps zum Schneiden von Video oder Audio und Onlinedienste als die neuen Medienhäuser. Anders als bei vielen anderen Konferenzen steht bei der MoJoCon traditionell das gemeinsame Lernen und Teilen im Vordergrund. Das reicht aber künftig nicht mehr, meint Cross-Media-Professor Lechtenberg: "Deswegen ist umso wichtiger, dass die journalistische Ausbildung der Leute, die das nutzen, eigentlich von der Qualität her noch höher angesehen sein muss, als es vielleicht bisher war. Es gab in den letzten Jahren die Tendenz dazu, sehr viel auf technische Möglichkeiten Wert zu legen, zu zeigen was geht. Jetzt hat aber das Medium 'MoJo' laufen gelernt, jetzt muss ich gucken, dass ich die Qualität hochbekomme."
    Arbeitsbelastung bis ins Absurde
    Und es gab in diesem Jahr noch etwas Neues: eine kritische Reflexion darüber, dass die Anforderungen an den mobilen Immer-online-Reporter die Arbeitsbelastung bis ins Absurde steigen lassen. So formuliert es John-Inge Johansen vom norwegischen Rundfunk: "In meinen Rucksack habe ich mindestens vier Kameras, und es wird erwartet, dass ich an alle Plattformen Material liefere - das Ergebnis könnte sein, dass wir am Ende nur noch Multimedia-Lieferanten sind. Ich bekomme immer weniger Gelegenheit, Journalist zu sein."
    Trotzdem lieben die Teilnehmer der MoJoCon ihre mobile Arbeit, die auch bis in die Freizeit hineinreicht. Nach der Konferenz ging es jeden Abend gemeinsam in die Pubs von Galway. Der kleine Ort an der Atlantikküste war dann quasi in der Hand von ständig filmenden und fotografierenden Journalisten. Trotz des zu Beginn angekündigten Todes des Journalismus feierten sie ihren Job. Am letzten Abend wurde im gesamten Ausgehviertel auf den Straßen bis in die Nacht getanzt. So fröhlich sieht man Journalisten selten.