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Mobilitätswandel
Tankstelle der Zukunft

Ob Wasserstoff, Brennstoffzelle oder Erdgas - noch ist offen, wie die Antriebstechnologien der Zukunft aussehen werden. Tankstellen werden sich allerdings unweigerlich verändern müssen. Nahe Basel ensteht zum Beispiel eine Ladestation mit Büros, Dienstleistungen und Gewerbe.

Von Nadine Lindner | 18.07.2018
    Elektrotankstelle mit Batterie
    Elektrotankstelle: Das Auto könnte sich selbst um seinen Treibstoff kümmern und hier andocken. Diese Vision für das Tanken der Zukunft skizziert zumindest Michael Thyen vom VKU. (imago)
    "So. Hallo! Das ist die drei Bitte zum Tanken, ein Schokoriegel hätte ich gern noch dazu, ein Snickers und ein Päckchen Kippen bitte, rote Gauloises."
    "Noch ein Feuerzeug dazu? Dann sind es 27 Euro und 30 Cent."
    Tanken, kurz aufs Klo. Kaffee, Kippen, Snacks, bezahlen, weiterfahren. Ein vertrauter Vorgang, tausendfach in einem Autofahrerleben. Doch was wird aus den Tankstellen, in Zeiten des rasanten Wandels bei der Mobilität? Werden Tankstellen für Elektroautos einfach nachgerüstet? Kommt eine Ladesäule dazu und gut ist? Oder werden sie verschwinden, weil alle ihre E-Autos nur noch zu Hause oder bei der Arbeit laden?
    Oder rüsten sich Tankstellen noch stärker zu kleinen Service-Zentren hoch mit Supermarkt, Paketannahme, W-LAN und Plätzen zum Arbeiten? Es gibt viele offene Fragen bei der Zukunft dieses Alltags-Ortes.
    Wasserstoff an der "Tanke"
    Wer etwas genauer hinschaut bei dieser Tankstelle im Berliner Süden an der Autobahn 100, der findet hier wenigstens ein paar Antworten. Hier gibt es seit einiger Zeit auch Wasserstoff zu tanken - eine Variante der sauberen Antriebe.
    "Wir wollen mit Blick auf den Klimawandel unseren Beitrag dazu leisten, saubere Energie-Lösungen anzubieten. Die Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technik ist so eine Lösung, um halt CO2-Emissionen aus dem Pkw-Sektor rauszuziehen."
    Sagt Shell-Konzernsprecherin Cornelia Wolber. Bei den Autos reagiert Wasserstoff in einer Brennstoffzelle mit dem Sauerstoff aus der Luft - ohne Abgase. Der Wasserstoff kann vorher - so die Hoffnung - auch mit Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen werden.
    Es sieht hier in Berlin eigentlich unspektakulär aus: eine zusätzliche Zapfsäule steht dabei. Sie trägt halt ein blaues und kein rotes Schild wie beim Benzin. Doch die neue Infrastruktur - inklusive einer kleinen Anlage - war teuer. Im Schnitt kostet diese Technik branchenüblich 1,5 Millionen Euro.
    "Neue Technologien müssen erprobt werden, dass sie dann entsprechende Marktreife haben, wenn die Entwicklung dann richtig Fahrt aufnimmt."
    Tankfüllung kostet in etwa so viel wie bei Benzin
    Es lohnt sich also trotzdem, findet Wolber. Eine Tankfüllung kostet in etwa so viel wie bei Benzin; das Tanken dauert kaum länger. Shell kooperiert bei der Wasserstoffforschung unter anderem mit Daimler. Doch der Einstieg in diese Zukunftstechnik ist zäh. Die Kunden rennen ihnen nicht gerade die Bude ein.
    "Wir haben hier am Sachsendamm im Schnitt einen Kunden pro Tag, der Wasserstoff tankt. Das ist jetzt nicht das große Geschäft. Das ist richtig."
    Eine E-Ladesäule für Elektroautos, um auf die nächste Variante der neuen Antriebe zu kommen, ist hier an der A100 noch nicht zu finden. Shell, der Branchenzweite im deutschen Tankstellenmarkt, hat einen anderen Weg gewählt und New Motion gekauft. Einen holländischen Anbieter von Ladeinfrastruktur, der in ganz Deutschland erreichbar ist.
    Die Tank-Kunden in Berlin sind an diesem heißen Sommernachmittag hin und her gerissen zwischen Neugier auf neue Technik und Argwohn.
    "Mich nervt das eigentlich eher, dass sich so viele Sachen so drastisch verändern und - nach meinem Dafürhalten - an vielen Stellen auch an den Haaren herbeigezogenen Begründungen."
    "Also wenn Elektrofahrzeuge ein bisschen ausgereifter wären und nicht ganz so teuer, dann wäre ich auf jeden Fall bereit umzusteigen.
    Benzin- und Dieselabsatz bis 2030 nur noch zwei Drittel
    Und was wird dann aus den Tankstellen?
    "Die werden dann überflüssig, die werden verschwinden."
    Knapp 15.000 Tankstellen gibt es laut Scope-Branchenstudie, die der Bund Freier Tankstellen in Auftrag gegeben hat, in Deutschland. Die Zahl ist seit Jahren relativ konstant. Das Geschäft mit Benzin und Diesel läuft gut, erklärt Alexander von Gersdorff vom Mineralölwirtschaftsverband, der Raffinerien und Ölkonzerne vertritt.
    "Bei Benzin wurden im vergangenen Jahr in Deutschland 18 Millionen Tonnen abgesetzt. Bei Diesel rund das Doppelte, also 36 Millionen Tonnen."
    Die gute Konjunktur, die vielen Menschen, die jeden Morgen zur Arbeit pendeln, die rege Bautätigkeit, all das schlägt sich auch positiv an den Tankstellen nieder. Doch am Horizont wissen auch die Mineralölkonzerne, dass es nicht ewig so weitergehen wird.
    "Es gibt Prognosen, die davon ausgehen, dass sich der Absatz von Benzin und Diesel im Pkw-Bereich bis 2030 auf nur noch zwei Drittel bis die Hälfte des heutigen Absatzes beläuft."
    "Elektromobilität allein wird es nicht schaffen"
    Doch was passiert dann? Die Strategie der Mineralölkonzerne sieht in etwa so aus: Geld verdienen, so lange es geht, Umsatzausfälle durch Zusatzangebote wie Waschstraßen kompensieren. Und nicht den Anschluss an moderne Technik verlieren. Doch anstatt voll auf E-Mobilität, setzt die Mineralölwirtschaft auf sogenannte synthetische Kraftstoffe, e-Fuels, als großen Hoffnungsträger: Benzin oder Diesel, die vereinfacht gesagt, per Elektrolyseverfahren mit CO2 aus der Luft und grünem Strom gewonnen werden. Sie sehen aus wie Benzin, funktionieren wie Benzin, sind aber CO2-frei. Möglicherweise könnten sie auch die Zukunft für die Raffinerien sichern.
    "Denn sicher ist eins: Elektromobilität allein wird es nicht schaffen können. Dazu fehlt die Kapazität. Also brauchen wir einen anderen CO2-freien Kraftstoff. Und diese synthetischen Kraftstoffe können ab dem Jahr 2030 auch in den deutschen und europäischen Raffinieren produziert werden."
    Diese Hoffnung teilt die Mineralölwirtschaft auch mit den deutschen Autobauern, organisiert im Lobbyverband VDA. Denn auch für sie gelten die großen Leitplanken zur CO2 Vermeidung: das Pariser Klimaschutzabkommen und der deutsche Klimaschutzplan, nach dem bis zum Jahr 2030 über 40 Prozent CO2 im Vergleich zu 1990 eingespart werden müssen. Es ist noch ein langer Weg, denn erst kürzlich ist der CO2 Ausstoß im Verkehrssektor sogar noch leicht angestiegen. Hinzu kommen die CO2 Grenzwerte der EU, die in der Auto-Branche noch mehr gefürchtet sind, weil bei Überschreitung saftige Strafzahlungen drohen.
    Umbruchphase mit bislang ungewissem Ausgang
    Womit fahren wir in der Zukunft durch die Gegend? Die Auto-Industrie weltweit steckt mitten in einer Umbruchphase mit bislang ungewissem Ausgang. Joachim Damasky ist Mitglied der Geschäftsführung des VDA und zuständig für Umwelt- und Energiefragen. Er sieht die Veränderung noch nicht so schnell kommen.
    "In 2025 gehen wir davon aus, dass der größte Teil der Flotte immer noch mit Verbrennungsmotoren angetrieben werden wird. In Europa werden wir bis dahin etwa 15 Prozent batterieelektrische Fahrzeuge in den Markt bringen können. Das hängt natürlich sehr davon ab, inwieweit der Kunde das Ganze akzeptiert."
    Seine Rechnung funktioniert so: Pro Jahr kommen in Deutschland etwa drei Millionen neue Autos in den Markt. Dem gegenüber steht der Bestand von rund 45 Millionen Wagen. Neue Antriebstechniken würden sich also nicht plötzlich, sondern schrittweise durchsetzen, quasi in den Markt hineinwachsen:
    "Sie wissen, dass das deutsche Fahrzeug auf der Pkw-Seite im Schnitt 9,6 Jahre alt ist. Somit brauchen wir circa 20 Jahre, um den kompletten Fuhrpark einmal auszutauschen. Pro Jahr werden gut drei Millionen Fahrzeuge ausgetauscht in Deutschland. Bei einem Gesamtfuhrpark von 44 Millionen werden wir sehen, wie lange es dauern wird, bis wir eine signifikante Marktdurchdringung mit Elektrofahrzeugen haben."
    Elektrofahrzeuge sind noch Nischenprodukte
    Das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg erhebt regelmäßig, mit welchen Antrieben die neu zugelassenen Autos unterwegs sind. Denn hier lässt sich ablesen, in welche Richtung sich der Markt bewegt. Elektrofahrzeuge hier: Nischenprodukte. Die Zahl wächst auf niedrigem Niveau und liegt bei 0,9 Prozent. Hybride, immerhin kommen sie auf knapp drei Prozent. Dazu kommen 0,4 Prozent Erdgas-Fahrzeuge.
    Das einstige Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge im Markt zu haben, wird also deutlich verfehlt. Derzeit sind es im Bestand laut Kraftfahrtbundesamt knapp 100.000 E-Autos, hinzu kommen knapp 240.000 Hybridfahrzeuge Tendenz steigend, aber auf niedrigem Niveau.
    Außerdem, davon geht VDA-Mann Damasky aus, wird sich Elektromobilität nicht für alle Pkw oder Lkw durchsetzen, sondern nur für die kleinen Fahrzeuge.
    "Die durchschnittliche Fahrstrecke von Pkw in Deutschland liegt bei 15 bis 20 Kilometern pro Tag. Das wird batterie-elektrisch problemlos möglich sein."
    "Langfristig Wasserstoff, kurzfristig synthetische Kraftstoffe"
    Andere Antriebe müssten für Langstreckenfahrten her und für schwere Nutzfahrzeuge, denn Lkw können nicht mit Batterien fahren, weil sie zu schwer sind.
    "Das heißt, dort werden wir in Richtung Wasserstoff langfristig, kurzfristig in Richtung synthetische Kraftstoffe gehen müssen, um eine CO2-Reduzierung der Flotte zu erreichen."
    Wobei Damasky einschränkt, dass derzeit noch zu viel Energie bei der Produktion der synthetischen Kraftstoffe verwendet wird. Effizient sind sie noch nicht. Probleme gibt es mit dem Wirkungsgrad, weil es im Moment noch Energieverluste in der Herstellung von 40 bis 60 Prozent gibt, laut Umweltministerium. Hinzu kommt der derzeit hohe Preis von zwei bis vier Euro pro Liter. Das beklagen Kritiker und sehen bei den e-Fuels überzogene Hoffnungen von Autoindustrie und Mineralölwirtschaft.
    Investitionen der Tankstellen in Ladeinfrastruktur
    Trotzdem, wenn es zu den 15 Prozent E-Autos bis 2025 kommt, von denen der VDA ausgeht, müssen die Tankstellen mithalten und in Ladeinfrastruktur investieren. Doch das kostet richtig Geld, rechnet Stephan Zieger vom Bund Freier Tankstellen vor.
    "Eine Zapfsäule für E-Mobilität kostet 20.000 Euro. Den Platz an der Tankstelle, dafür zu schaffen, das kostet 15.000 Euro. Die richtigen Stromkabel hinzulegen kommt so um 6.000 bis 7.000 Euro. Insgesamt legen sie so 45.000 Euro auf den Tisch."
    Gerade für kleinere Betriebe werden Investitionen in neue Technologien zur Existenzfrage. Manche scheuen diese Überlegungen und hoffen, die Zeit bis zur Rente noch überbrücken zu können.
    "Es macht Sinn zu investieren und diese Dinge voranzutreiben. Aber der Mittelständler kann seinen Euro nur einmal ausgeben. Der muss dann wirklich genau hinschauen, was er macht."
    Von den 2.500 Freien Tankstellen in Deutschland haben erst 30 oder 40 eine E-Ladesäule, so Zieger
    Bei Tankstellen- Pächter Sven Noack im Norden von Berlin ist davon noch nichts zu sehen.
    "Ich denke, dass die Elektromobilität ein Nischenprodukt werden wird. Aber wir als Tankstellenpächter rechnen nicht mit einer ganz groben Veränderung."
    Verbrennungsmotoren dominant in den nächsten acht bis zehn Jahren
    In den nächsten acht bis zehn Jahren bleiben die Verbrennungsmotoren dominant, so sieht es auch der Spitzenverband der Freien Tankstellen. Bei einem Investitionszyklus von acht Jahren an den Tankstellen, muss jetzt noch nicht dringend Geld für Neues ausgegeben werden.
    Noack betreibt eine freie "Feld-Wald-und Wiesen-Tankstelle. Simpel, aber mit Herzblut. Es ist Mittagszeit, viele Handwerker kommen vorbei - kurze Pause, kalte Cola, heiße Bockwurst. Der Shop ist ein wertvolles Zusatzgeschäft.
    "Gerade der Bistrobereich mit der Theke und den Sitzmöglichkeiten ist sehr gut angenommen worden. Das ist halt der Trend."
    Der Branchenführer Aral rüstet einige seiner Tankstellen gerade in Zusammenarbeit mit 'Rewe to go' zu kleinen Supermärkten aus.
    Auch Stadtwerke drängen mit E-Ladesäulen in den Markt
    Auf der anderen Seite bieten die Veränderungen in der Branche auch Anreize für ganz neue Akteure. Stadtwerke drängen mit E-Ladesäulen in den Markt und setzen eigene Geschäftsmodelle auf, teilweise auch mit integrierter Versorgung des Kunden zu Hause.
    Elmar Thyen von den Stadtwerken Wuppertal, die den stellvertretenden Vorsitz im VKU, dem Dachverband aller Stadtwerke, haben.
    "Zum ersten Mal in der Geschichte der Mobilität hat der Kunde die Möglichkeit sein Auto zu Hause aufzutanken. Wir gehen davon aus, dass genau das passieren wird."
    Laden wird dezentraler stattfinden als tanken, zu Hause, am Arbeitsplatz, an der Straße, das steht fest. Doch in einer Studie des VKU wird deutlich wie sehr der Teufel bei den Elektrotankstellen im Detail steckt. Dabei geht es vor allem um das Stromnetz. Der Knackpunkt: Jetzt wird der Kraftstoff mit Tankwagen geliefert und kann überall hingebracht werden. E-Ladesäulen sind dagegen vom Stromnetz abhängig. Für Thyen ist klar: Große E-Tankstellen müssen direkt an das Mittelspannungsnetz angeschlossen werden, nicht an Haushaltsstromleitungen.
    "Aber grundsätzlich ist es so, dass Tankstellen, die mehrere Ladepunkte gleichzeitig haben, und wir reden jetzt von einem Bereich um 600 Kilowatt, da können sie zwölf Autos à 50 Kilowatt gleichzeitig schnell laden, dass eine solche Tankstelle definitiv ans Mittelspannungsnetz angeschlossen werden muss. Das Mittelspannungsnetz ist das 20.000 Volt Netz. Und das liegt nicht in jeder Straße und schon gar nicht an jeder Tankstelle."
    "Mobility Hub" - 340 Ladestationen auf neun Stockwerken
    Es kann also gut sein, dass größere Stromtankstellen in Zukunft umziehen müssen. Nämlich an Standorte mit direktem Anschluss ans Mittelspannungsnetz. Wie solche riesigen Ladezentren aussehen können, wird ab 2023 in der Schweiz zu sehen sein. Dort soll in der Nähe von Basel an der A2 ein "Mobility Hub" entstehen. Mit einer völlig neuen Mischung aus Büros, Dienstleistung, Gewerbe und 340 Ladestationen für E-Autos auf neun Stockwerken.
    Außerdem haben sich BMW, Daimler, Volkswagen und Ford gerade zum Joint Venture mit dem Namen Ionity zusammengeschlossen. Ihr Ziel: 400 Schnell-Ladesäulen mit 350 KW Leistung direkt an den Autobahnen in ganz Europa bis zum Jahr 2020 - alle 120 Kilometer, um den Kunden die Reichweitenangst zu nehmen und E-Autos besser zu verkaufen.
    Die erste Tankstelle wurde Ende Juni an der A 61 an der Raststätte Brohltal-Ost in der Eifel eröffnet. Aber es gibt auch skeptische Stimmen. Damasky vom VDA sieht das allenfalls als Starthilfe für die Technologie, nicht als dauerhaftes Geschäftskonzept.
    "Das wird aber kein Geschäftsmodell für die Zukunft sein, sondern es geht wirklich nur darum, den Kunden von Elektrofahrzeugen zu überzeugen. Die Fahrzeughersteller werden sich in Zukunft sehr stark mit neuen Geschäftsmodellen auseinandersetzen, aber das wird nach jetzigem Stand nicht die Energieversorgung sein."
    Geld verdienen mit Strom für Autos
    Mit Strom für Autos Geld verdienen? Das funktioniert nicht, sagt der Automann und schüttelt leicht den Kopf.
    Das geht eben doch, findet Christian Lang vom Berliner Start-up Chargery. Sie treiben die Idee des dezentralen Ladens von E-Autos auf die Spitze und liefern Strom an Ort und Stelle, mit Akkus, die auf einem Fahrrad-Anhänger montiert sind.
    "Das hat schon Vorteile mit dem Fahrrad, dass man überall durchkommt, dass man das direkt daneben abstellen kann, ohne dass man zusätzlich einen Parkplatz braucht."
    Der Fahrrad-Anhänger, von dem von außen nur eine große Alukiste zu sehen ist, wird neben das Auto auf den Gehweg gestellt, dann verbindet der Stromlieferant Akkus und Auto vier Stunden bis zu Abholung, erklärt Lang, der als Betriebswirt selbst mehrere Jahre bei Audi in der Strategie-Entwicklung tätig war. Chargery hat sich auf die Flotten eines Car-Sharing-Dienstes spezialisiert, die ihre Kunden entlasten wollen.
    "Wenn ich Carsharing nutze, möchte ich von A nach B kommen. Ich will das Auto da abstellen, wo ich hin muss. Und dann fahre ich nicht noch 300 Meter weiter, weil dort eine Ladesäule ist. Von daher wird es den Bedarf dort immer geben."
    "Tanke" - vom anonymen Durchgangsort zum Treffpunkt
    Die geschäftliche Zukunft schätzt Gründer Lang positiv ein, denn er treffe neue gesellschaftliche Gewohnheiten:
    "Ich glaube, den Trend sieht man auch in anderen Teilen der Gesellschaft. Wir bestellen uns auch oft Essen, obwohl 15 Restaurants um die Ecke sind. Das ist jetzt vielleicht ein blödes Beispiel, aber man sieht, dass der Trend zu Komfort geht, dass die Leute für irgendwelche anderen Sachen immer weniger Zeit haben."
    Doch diese Zukunftsvision heißt auch Tanken ohne menschlichen Kontakt, ohne Snickers-Kauf, ohne kurzen Plausch mit dem Nachbarn an der Stammtanke. Dabei ist die Tankstelle doch auch ein sozialer Ort, darauf weist Helmut Eberhart hin - vor allem in ländlichen Regionen. Der Volkskundler von der Universität Graz hat die Bedeutung von Tankstellen als Ort des Austausches erforscht:
    "Das Sterben der klassischen Gasthäuser in den Umgebungen, vor allem in den Vorstädten, damit gewinnt die Tankstelle an Bedeutung. Jene Tankstelle, die ein Kaffeehaus betreibt, oder die nur einen kleinen Gastrobereich hat, dort kann man sich dann treffen und das Ganze ist am Land dramatischer. Denn das Wirtshaussterben am Land ist noch viel stärker als das in der Stadt."
    Die Tankstellen wandeln sich damit von einem anonymen Durchgangsort zu einem Treffpunkt, an dem man gerne Zeit verbringt.
    Verkaufsorte für lokale Produkte oder Service-Zentren
    Forscher Eberhart sieht in seiner Zukunftsvision fürs Tanken eine Zweiteilung. Auf der einen Seite gibt es in Österreich mehr und mehr Automatentankstellen, wo Menschen direkt an der Zapfsäule bezahlen, anonym und schnell.
    Auf der anderen Seite macht er auch die genau gegenläufige Bewegung aus: Tankstellen werden Verkaufsorte für lokale Produkte oder Service-Zentren, die wegbrechende Strukturen ersetzen sollen.
    "Da ist sicherlich noch ein Potenzial drin, auch als sogenannter Postpartner. Das ist auch eine Möglichkeit. Speziell auch im ländlichen Raum, wo die Postämter schließen."
    Auch Arbeitsbereiche mit W-LAN kann sich Eberhart an Tankstellen vorstellen, die könnten von Außendienstlern stundenweise genutzt werden. Doch diese Überlegungen gehen alle noch davon aus, dass der Fahrer sein Auto selbst steuert, eigene Entscheidungen trifft.
    Denn neben der Entwicklung bei den Antrieben, gibt es noch eine weitere, die die Zukunft der Tankstelle beeinflussen wird. In ein paar Jahren - zehn bis 15 Jahren je nach Entwicklungsstand - werden zumindest einige Autos voll automatisiert unterwegs sein. Der Fahrer wird Passagier und teilt dem Wagen nur noch sein Fahrtziel mit.
    Das Auto fährt automatisch zum Windpark
    Wenn der Besitzer arbeitet oder schläft, muss das Auto nicht tatenlos in der Garage stehen, sondern kann sich um sich selbst, um seinen Treibstoff kümmern. Diese Zukunftsvision für das Tanken der Zukunft skizziert zumindest Michael Thyen vom VKU. Die Autos könnten tragender Teil der Energiewende sein, quasi autonom fahrende Stromspeicher.
    "Die ersten Windparkbetreiber kommen auf die Idee, dass sie im Bereich der Windparks, Ladestationen errichten. Schon deshalb, weil sie häufig ans Mittelspannungsnetz angeschlossen sind. Das heißt, da können die großen Ladestationen in unmittelbarer Nähe sein, das Netz ist schon vorhanden. Und ihr autonomes Fahrauto, bringt sie nach Hause und fährt dann automatisch zum Windpark, der das günstige Angebot hat und fährt da automatisch in die Ladestation rein und holt sie am nächsten Morgen ab, um sie zur Arbeit zu bringen, oder die Kinder in den Kindergarten. All das ist denkbar in Zeiten von autonomen Fahren."
    Bis die Wagen das selbst erledigen, ist es jedoch noch ein weiter Weg. Aber wenn man dem automatisierten Fahrzeug dann noch beibringen könnte, vom Tanken morgens selbstständig Kaffee, Kippen und ein Snickers mitzubringen, sieht die Mobilität der Zukunft gar nicht so schlecht aus.
    Abwarten oder investieren? Stromlieferung mit dem Rad, Mobility Hubs mit Büro-Anschluss oder Tankstellen, die aussehen wie immer, nur halt aufgerüstet mit Strom und Wasserstoff? Bei den Tankstellen zeigt sich nur langsam der Pfad in die Zukunft.