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Modello Germania

Deutschland wird geschätzt, aber nicht geliebt. Auf diesen einfachen Nenner wird das Verhältnis der Italiener zu den Deutschen gern gebracht: Doch der Merkspruch stimmt so nicht mehr. Seit der Euro-Krise hat sich das Deutschlandbild vieler Italiener gewandelt - zum Positiven.

Von Tilmann Kleinjung | 26.08.2013
    Reiches Deutschland – armes Italien. Gut gegen Böse. Mit diesem Schwarzweißbild glaubten viele Politiker in Italien punkten zu können. Allen voran Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

    "Es geht um eine Kraftprobe mit Deutschland. Ansonsten wird die Wirklichkeit ein Land nach dem anderen dazu zwingen, aus dem Euro auszutreten. Und das trifft zuerst die Mittelmeerländer."

    Die philosophische Unterfütterung dieser antideutschen Attitüde liefert der italienische Intellektuelle Giorgio Agamben, der von einem "lateinischen Reich träumt", in dem sich die mediterranen Länder zusammenschließen und so vom Spardiktat des deutschen Nordes emanzipieren. Für den langjährigen Leiter des Italienischen Kulturinstituts in Berlin Angelo Bolaffi wäre eine solche Teilung des Kontinents ein Kurzschluss. Als wäre der von Berlin geforderte und von Brüssel verordnete Sparkurs der Grund für die italienische Misere.

    "Das ist eine falsche Analyse, eine falsche Diagnose. Die Krise gibt es nicht, weil kein Geld da ist, sondern weil das Land, in dem Fall Italien, nicht die Reformen gemacht hat, die es hätte machen müssen."

    Die Wirtschaftsleistung Italiens nimmt von Quartal zu Quartal ab. Die Jugendarbeitslosenquote hat bereits die 40 Prozent Marke überschritten. Mit EU-Milliarden lassen sich da höchstens Symptome kurieren, was Italien dringend braucht, ist eine Strukturreform, und zwar nach dem "Modello Germania", fordert Bolaffi in seinem jüngsten Buch.

    "Im Lissabonner Vertrag steht, dass Europa die Soziale Marktwirtschaft durchsetzen muss und die Soziale Marktwirtschaft existiert seit 50 Jahren in Deutschland. In diesem Fall hat das Modellcharakter."

    Deutschland hat Modellcharakter. Vor allem junge Italiener, Verlierer der Krise wie Daniele und Fabio sehen das ganz ähnlich und träumen von einem Leben in Berlin, München oder Hamburg.

    "Das ist eine Leistungsgesellschaft. Ich habe Italiener und Spanier gesehen, die an einer deutschen Uni beschäftigt waren, weil sie gut waren in ihrem Job."

    "Der Unterschied zwischen Deutschland und Italien ist: Wer den Willen und auch die Qualität hat, um sich am Markt zu beweisen, hat mehr Möglichkeiten in Deutschland als in Italien."

    Das Verhältnis der Italiener zu den Deutschen wird gern auf den einfachen Nenner gebracht: Deutschland wird geschätzt, aber nicht geliebt. Dieser Merkspruch stimmt so nicht mehr: Gerade für die deutsche Hauptstadt empfinden viele Italiener mehr als nur Achtung. Berlin ist begehrt. Der Philosoph Angelo Bolaffi erklärt warum:

    "Berlin ist für die Italiener eine Überraschung. Die sind groß geworden mit einem verkehrten Deutschland Bild. Und dann landen sie in Berlin und erleben eine andere Realität: Großzügigkeit und Freiheit."

    Bolaffis schmeichelhafte Deutschland-Analyse wird in Italien widerspruchslos zur Kenntnis genommen. Überhaupt muss man sagen: Die Italiener haben beim Deutschland-Bashing der Scharfmacher nie mitgemacht. Und auch in der Politik werden die deutschlandkritischen Töne leiser und Ministerpräsident Enrico Letta erklärte neulich kategorisch: Es gibt kein Match Italien gegen Deutschland!