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Modellrechnungen auf Führungsebene

Die Wehrpflicht wackelt. Die Politik muss sparen und setzt auf einen freiwilligen Wehrdienst. Und auch in der Bundeswehr hat die Wehrpflicht kaum noch Unterstützung. So bleibt nur noch die Frage welches Modell einer Bundeswehrreform sich am Ende durchsetzen wird.

Von Rolf Clement | 31.08.2010
    "Wenn in der Einsatz vorbereitenden Ausbildung das Fahren des Dingos nur donnerstags geübt werden kann, weil mehr Kapazitäten nicht da sind, ist es nicht das Ausbildungsniveau, das wir erreichen wollen, es ist für manche Beobachter am Rande der Groteske – und wird nun auch abzustellen sein und abgestellt."
    So der Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Mai vor der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Der Dingo ist ein wendiges Transportfahrzeug, das sehr gut gegen Minen und Sprengsätze gesichert ist. Die Bundeswehr hat heute viel zu wenig davon – und es fehlen nicht nur Dingos, sondern auch andere Fahrzeuge, um während der Ausbildung in Deutschland wirklich auf den Einsatz vorbereitet zu werden. So kommt es, dass Soldaten ihr Fahrzeug oft erst im Einsatz wirklich kennenlernen.
    Dies ist nur ein Schlaglicht. Die Probleme der Bundeswehr sind vielfältig. Verteidigungsminister zu Guttenberg will sie nun angehen. Die Modelle, die die Probleme lösen sollen, stellt er morgen dem Verteidigungsausschuss des Bundestages vor. Die Mängel sind im Wesentlichen nicht neu. Denn die Bundeswehr ist – gemessen an ihrem Auftrag - seit Jahren unterfinanziert. Bereits Verteidigungsminister Rudolf Scharping hat vor gut zehn Jahren errechnet, dass der Armee pro Jahr rund fünf Milliarden Euro fehlten, wenn die Verpflichtungen erfüllt und die laufenden Einsätze angemessen ausgeführt werden sollen. Daran hat sich bis heute nichts geändert, jedenfalls nichts, was die Lücke zwischen Aufgaben und Ausgaben geschlossen hätte.
    Im Gegenteil: Die Lage ist durch die Finanz- und Wirtschaftskrise noch angespannter geworden. Die ins Grundgesetz aufgenommene Schuldenbremse zwingt alle staatlichen Institutionen, bei den Ausgaben zu sparen.
    Hinzu kommen ausgemachte Struktur- und Organisationsschwächen. Seit dem Ende der Blockkonfrontation und seit Beginn der Auslandseinsätze der Bundeswehr mussten sich die Streitkräfte mehrfach auf neue Aufgaben einstellen. So wurde die Bundeswehr zum Beispiel in drei Streitkräftekategorien gegliedert: die für die Landes- und Bündnisverteidigung zuständigen Hauptverteidigungskräfte, die für die Auslandseinsätze schnell verfügbaren Eingreifkräfte und die für längere Einsätze vorgesehenen Stabilisierungskräfte. Der erste Einsatz der Bundeswehr unter dem Dach der UNO in Kambodscha war nur darauf ausgerichtet, die medizinische Versorgung der dort eingesetzten Blauhelme sicherzustellen.
    Der Kosovo-Krieg und der Einsatz in Afghanistan stellen das andere Ende im Einsatzspektrum der Armee dar. Obwohl sich die Szenarien grundlegend verändert haben, wurden die Strukturen nicht nachhaltig und tief greifend verändert. So kommt zu Guttenberg zu der Erkenntnis:

    "Dies zeigt, dass sich die Kategorisierung der Kräfte ebenfalls nicht durchgängig bewährt hat. Der konzeptionelle Ansatz, ausschließlich Stabilisierungskräfte für Stabilisierungseinsätze vorzusehen, ließ sich in der Praxis nicht durchhalten. Ohne die Ergänzung durch Eingreifkräfte wären weder die personellen Umfänge noch die benötigten Fähigkeiten realisierbar gewesen."
    Es wurden in den vergangenen Jahren neue Führungskommandos aufgestellt, aber die alten nicht abgebaut. Sie erhielten weniger bedeutsame Aufgaben. So entstanden Doppelstrukturen, die Personal und Material binden und Entscheidungsprozesse erschweren. Deswegen hat die Koalition sich im vergangenen Herbst darauf verständigt, eine Strukturkommission einzusetzen, deren Bericht für November angekündigt ist.
    Obwohl die Bundeswehr für die Art, wie sie ihre Einsätze durchführt, national wie international viel Lob erntet, haben die Planer der deutschen Streitkräfte Mängel ausgemacht. Die Bundeswehr kann den nötigen Truppenmix für Einsätze nicht bereitstellen, das heißt: Die Bundeswehr kann das, was von ihr verlangt wird, nicht immer erfüllen. Am meisten fehlt es zurzeit an Kräften der Infanterie, die für Checkpoints und Patrouillen benötigt werden. Zum Zweiten hat die Bundeswehr Probleme, Missionen über einen längeren Zeitraum hinweg aufrecht erhalten zu können. Das Ziel, dass jeder Soldat nach einem Einsatz zwei Jahre zu Hause bleiben kann, ist gegenwärtig nicht erfüllbar. Hinzu kommen Mängel bei der Ausrüstung. Dies alles führt dann zu dem ernüchternden Fazit: Die nationalen Zielvorgaben, die im Weißbuch der Bundesregierung für die Sicherheitspolitik festgeschrieben sind, sind nicht erreichbar.
    So kommen jetzt drei Entwicklungen zusammen: die Erkenntnis, dass die unterfinanzierte Bundeswehr in einigen Bereichen ihre Einsatzfähigkeit deutlich verbessern muss. Die Erarbeitung einer neuen Struktur. Und die Sparpolitik.
    Das Bundeskabinett hat im Juni Aufgaben für die Sparmaßnahmen verteilt. Für das Verteidigungsministerium wurde beschlossen:

    Das Bundesministerium der Verteidigung prüft im Rahmen der derzeitigen Reformüberlegungen die Optimierung der Strukturen der Bundeswehr an den Erfordernissen der Befähigung zum Einsatz. Vor diesem Hintergrund wird der Bundesminister der Verteidigung in Zusammenarbeit mit der Strukturkommission der Bundeswehr beauftragt, bis Anfang September 2010 aufzuzeigen,
    welche Folgen eine deutliche Reduzierung der Streitkräfte um bis zu 40.000 Berufs- und Zeitsoldaten für die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands, die Einsatz- und Bündnisfähigkeit, Fragen der Beschaffung, die Strukturen und den Gesamtumfang der Bundeswehr sowie die Wehrreform und deren Ausgestaltung hätte.

    Das Ergebnis der Prüfung Guttenbergs sind fünf Modelle, die er jetzt präsentiert.
    Zwei davon wurden schnell verworfen: Da wurde zunächst einfach errechnet, was es bringt, 40.000 Soldaten abzubauen. Dann verblieben noch 205.000 Soldaten. Das hätte weder finanziell noch strukturell irgendeinen Vorteil erbracht. Auch Option zwei wurde verworfen, nach der die Truppenstärke auf 150.000 festgelegt werden sollte – auch das hätte nichts gespart und zu Verwerfungen im inneren Aufbau geführt. Die Armee wäre dann um 100.000 Mann reduziert worden, um weit über ein Drittel. Etwas besser wäre die Lage bei Modell drei, das von 156.000 Soldaten ausgeht. Die Aufgaben könnten im Wesentlichen erfüllt werden, aber nur mit sehr engem Personalkorsett, ohne jeden Spielraum, wie es heißt, "ohne jedes Fett auf dem Knochen".
    So schaffte es das Modell vier schließlich in die Schlagzeilen. Es sieht vor, die Bundeswehr auf 163.000 Zeit- und Berufssoldaten zu verschlanken. Grundwehrdienstleistende sind nicht mehr eingeplant. Aber für freiwillig Wehrdienstleistende – junge Männer und später auch Frauen – sollen 7.500 Stellen eingerichtet werden. Dieser Wehrdienst soll zwischen sechs und 23 Monate dauern, die Dienstzeit würde individuell vereinbart. Auch dabei, so heißt es, kann die Truppe noch einsatzfähig gehalten werden und ihren Aufgaben nachkommen.
    Bleibt Modell fünf: Es geht von 180.000 Zeit- und Berufssoldaten und 30.000 Grundwehrdienstleistenden aus. De facto handelt es sich um das Modell vier mit Wehrpflicht. Es würde rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr mehr kosten als das Modell vier, heißt es.
    Verteidigungsminister zu Guttenberg favorisiert das Modell vier, formuliert das aber sehr geschmeidig:
    "Ich habe allerdings heute auch schon mal deutlich gemacht, wo eine fachliche Empfehlung des Hauses liegen könnte, und das ist tatsächlich bei dem sogenannten Modell vier. Das ist ein Modell, das am Ende des Tages, ja, deutlich machen wird, dass die Bundeswehr kleiner werden wird. Sie wird aber auch besser werden. Und sie wird einsatzfähiger werden, und sie wird gleichzeitig aber auch die Möglichkeiten des Schutzes im Inland und ähnliche Dinge, die notwendig sind, aufrechterhalten."
    Bei einer Truppenstärke von 163.000, so die Planer, können die Soldaten, die für die Organisation der Wehrpflicht nötig sind, nicht mehr bereitgestellt werden. Deshalb wird vor allem über die Einführung des freiwilligen Wehrdienstes diskutiert. Der Minister spricht von der Aussetzung der Wehrpflicht. Damit meint er, dass Artikel 12a des Grundgesetzes nicht aufgehoben werden soll. Er lautet:

    Männer können vom vollendeten 18. Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.
    Das Grundgesetz ermöglicht die Wehrpflicht, es schreibt sie aber nicht vor. Zu Guttenberg will das Wehrpflichtgesetz aufheben und durch ein Wehrdienstgesetz ersetzen, das den freiwilligen Dienst regeln würde. Damit sei es möglich, durch eine einfache Mehrheit die Wehrpflicht wieder einzuführen, wenn das politisch gewollt sei.
    Doch ist das tatsächlich vorstellbar? Einsparungen sind nur dann zu erzielen, wenn bisherige Strukturen verändert werden – sie nachträglich wieder aufzubauen, wäre langwierig und teuer. Längst denkt zu Guttenberg darüber nach, nicht mehr benötigte Kasernen zu schließen und zu verkaufen. Auch politisch ist kein Szenario denkbar, in dem eine Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht noch opportun wäre: Gerade in krisenhaften Zeiten würde es unweigerlich Spannungen erhöhen, wenn Deutschland dann wieder die seine einführte. Deshalb ist die Aussetzung der Wehrpflicht nach Ansicht nahezu aller Experten de facto deren Abschaffung.
    Verteidigungsminister zu Guttenberg beteuert, er sei eigentlich ein Befürworter der Wehrpflicht, aber sie sei unter den gegebenen Umständen nicht mehr zu finanzieren. In der Bundeswehr hat die Wehrpflicht kaum noch Unterstützung – viele glauben, sie machte schon jetzt kaum noch Sinn, nachdem der Grundwehrdienst auf sechs Monate verkürzt wurde.

    Die Gegner der Wehrpflicht argumentieren jetzt vorwiegend finanzpolitisch. Die alten Argumente, die lange die Diskussion bestimmten, werden kaum noch angeführt: Dass dieser "Zwangsdienst" nicht mehr zu rechtfertigen und die Wehrgerechtigkeit nicht mehr gewährleistet sei. FDP-Chef Guido Westerwelle, dessen Partei gegen die Wehrpflicht ist:

    "Es heißt, 16 Prozent leisten Dienst bei der Bundeswehr und viele, viele andere können zu derselben Zeit ihren persönlichen Lebensweg, ihre Karriere schon befördern."
    Westerwelle bezieht aber in seine Rechnung all jene nicht mit ein, die Zivildienst leisten oder sich in der Entwicklungshilfe oder beim Technischen Hilfswerk verpflichtet haben und dafür vom Wehrdienst befreit wurden. Ein weiterer Teil wird als "untauglich" ausgemustert. Von jenen, die tauglich sind, zieht die Bundeswehr über 80 Prozent ein - mit steigender Tendenz, weil die geburtenschwächeren Jahrgänge nun für die Wehrpflicht anstünden.
    So wirbt der Minister jetzt für seinen freiwilligen Wehrdienst:

    "Das ist der Grund, warum wir ein Modell vorschlagen, das dem Prinzip gerecht wird: Tu was für Dein Land! Das dem Prinzip gerecht wird, dass es noch keinem jungen Menschen geschadet hat, auch mal einen Dienst an der Gesellschaft zu tun, aber wo wir sagen, wir können durch einen attraktiveren, durch einen entsprechend besser gestalteten Dienst Menschen dazu bewegen, auch freiwillig zur Bundeswehr zu kommen."
    Die Befürworter der Wehrpflicht befürchten, dass die Bundeswehr auf dem enger werdenden Arbeitsmarkt nicht die Soldaten bekommt, die sie braucht. Dabei geht es zum einen um die Zahl, zum anderen aber auch um die Fähigkeiten der Bewerber. Die Bundeswehr gewinnt ihren Nachwuchs mindestens zur Hälfte aus Grundwehrdienstleistenden. Sie verfügen über Kenntnisse und Erfahrungen, die die Bundeswehr braucht – und die sie womöglich gar nicht mehr bekommt, wenn die Wehrpflicht abgeschafft wird.
    Diese Argumente werden gestützt durch die Erfahrungen in jenen Ländern, die in den vergangenen Jahren die Wehrpflicht abgeschafft haben. Sie haben alle Rekrutierungsprobleme, und sie bekommen schon gar nicht die Bewerber, die sie gerne haben wollen.
    Fällt die Wehrpflicht, wird zudem die viel zitierte Bindung der Streitkräfte an die Gesellschaft gelockert, befürchten Wehrpflichtbefürworter. All diese Argumente lassen viele um den inneren Zustand der künftigen Bundeswehr bangen.
    Der Streit um die Wehrpflicht spielt sich vor allem in den Unionsparteien ab. Ernst-Reinhard Beck, der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag:

    "Bei uns in der Union ist die Diskussion nach wie vor offen. Für mich stellt sich im Grunde die Frage zwischen dem Modell vier und dem Modell fünf."

    Also zwischen Strukturreform mit und ohne Wehrpflicht.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in dieser Frage noch nicht festgelegt. Sie gilt als Befürworterin der Wehrpflicht, will aber der Diskussion, die ihr Verteidigungsminister losgetreten hat, jetzt nicht im Wege stehen:

    "Ich habe ihn beauftragt zusammen mit dem ganzen Kabinett dafür Sorge zu tragen, dass wir eine fundierte Grundlage für unsere Bundeswehr haben, um die Sicherheitsanforderungen der Zukunft zu bewerkstelligen, und da macht er diese Vorschläge. Ich werde jede Entscheidung befördern, die wirklich für zukunftsfähige Sicherheit steht, und da ist ein Neudenken der Rolle der Wehrpflicht nicht ausgeschlossen."
    Die SPD hat ein ähnliches Modell wie zu Guttenberg vorgeschlagen, geht dabei aber davon aus, dass junge Männer weiterhin eingezogen werden können, wenn sich nicht ausreichend Freiwillige melden. Diese Möglichkeit sieht das Modell vier nicht mehr vor. Die Grünen sind ebenfalls gegen die Wehrpflicht, fordern aber ein Attraktivitätsprogramm für die Berufsarmee, damit der Dienst auch angenommen wird. Die Linke ist gegen die Wehrpflicht.
    Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat in seinem Aufruf für den Antikriegstag am 1. September ein Bekenntnis zur Wehrpflicht abgelegt. Auch aus anderen gesellschaftlichen Gruppen kommt Unterstützung für die Beibehaltung der Wehrpflicht. Die Organisationen, die Zivildienstleistende beschäftigen, treten für eine Beibehaltung ein. Jugendministerin Schröder hat für den Fall, dass die Wehrpflicht aufgegeben wird, einen freiwilligen Zivildienst vorgeschlagen. Erforderlich wären dann allerdings 35.000 bis 40.000 Freiwillige.
    Zu Guttenberg will den freiwilligen Wehrdienst durch ein spezielles Programm attraktiver machen. Derzeit werden Ideen entwickelt. Unter anderem ist im Gespräch, die Bezahlung höher als beim Wehrsold anzusetzen. Wer sich auf mindestens 18 Monate verpflichtet, soll kostenlos einen Führerschein kostenlos erhalten. Abiturienten soll angeboten werden, einen Studienplatz an den Universitäten der Bundeswehr mit einer Unterkunft zu bekommen. Weitere Vorschläge berät in dieser Woche der Bundeswehrverband. Solche Angebote kosten aber Geld. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, nennt eine Grundvoraussetzung für alles:

    "Der Dienst an sich muss erst einmal so attraktiv sein, dass der, der in diesem Dienst gerade zu Hause ist, nach draußen geht und sagt: Da kannste hingehen, da wird Dir was geboten, das ist schon ganz besonders."
    Aber den Modellen schlägt noch ein anderer Kritikpunkt entgegen. Im Mai meinte der Minister in Hamburg:

    "Der Anspruch 'Cost to Design', also den strukturellen Rahmen seitens der Exekutive vorzugeben und anschließend zu finanzieren, wird völlig illusionsfrei durch die Realität des 'Design to Cost' bestimmt werden, also der Finanzrahmen wird den strukturellen Rahmen und damit auch das eigene Anspruchsniveau, den 'level of ambition', vorzugeben drohen."
    Dass die sicherheitspolitischen Herausforderungen eine untergeordnete Rolle spielen sollen, will zum Beispiel die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff nicht hinnehmen:

    "Uns war auch sehr wichtig, an dieser Stelle einen Begriff, der in der letzten Zeit auch öfter durch die Medien geisterte, nämlich 'design to cost', mit dem Begriff 'design to interest' zu ersetzen. Für uns ist es an erster Stelle wichtig, die sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik zu definieren und dann daraufhin die neuen Strukturen auszubilden."
    Auch der Minister drehte vor einer Woche bei:

    "Wichtig und entscheidend ist, dass wir – was die künftigen Strukturen der Bundeswehr anbelangt – uns an den sicherheitspolitischen Gegebenheiten ausrichten. Es wird keine Bundeswehr nach Kassenlage künftig geben, sondern eine, die die sicherheitspolitischen und verteidigungspolitischen Herausforderungen bewältigen kann."
    Das aber, so ist zu hören, spiegelt sich nicht im Diskussionsprozess des Ministeriums wieder. Für den militärischen Führungsrat, in dem die Inspekteure der Teilstreitkräfte zusammensitzen, haben die Fragen der Aufgaben der Bundeswehr keine Rolle gespielt. Dort seien, so heißt es aus gut unterrichteten Kreisen, nur Zahlen für die künftige Personalstärke weitergegeben worden.
    Den Kabinettsauftrag, auch das Verhältnis der Teilstreitkräfte untereinander neu abzuwägen, gingen die Planer bisher gar nicht an. Oberst Kirsch, Chef des Bundeswehrverbandes, nennt als kritisches Beispiel, die Marine auf 9000 Mann zu reduzieren:

    "Wenn der Suezkanal heute zu ist, dann kostet morgen beim Aldi alles das Doppelte, weil alle Schiffe ums Kap herum müssen und das ist nun einfach mal teurer."
    Er fordert daher eine Aufgabenteilung in Europa – nicht jedes Land müsse über alle Fähigkeiten verfügen.

    "Warum gehen wir nicht her und sagen: Da bilden wir einen Schwerpunkt? Und sind damit in der Lage, das auch international anzubieten. Wenn es um europäische Lastenverteilung geht, dann ist es doch viel geschickter, wenn ein Land eine bestimmte Fähigkeit im Angebot hat."
    Minister zu Guttenberg weiß, dass die Einführung des Modells vier allein nicht ausreichen wird, um das Sparvolumen zu erreichen, das im Bundeskabinett beschlossen wurde. Da muss auch noch in anderen Bereichen gespart werden.
    So soll zum Beispiel beim Heer mit der anstehenden Verkleinerung die Infanterie gestärkt werden. Dafür soll es künftig nur noch drei Panzerbataillone geben. Dies ist auf den ersten Blick nachvollziehbar – Deutschland sieht sich keinen Feinden mehr gegenüber, deren Angriff mit einer großen Panzertruppe abgewehrt werden müsste. Aber das reicht nicht, wenn Deutschland seine Aufgaben übernehmen und den internationalen Einfluss sichern will, sagt Oberst Ulrich Kirsch:

    "Drei Panzerbataillone ist das schon ein bisschen wenig, sondern eine Brigade, die in der Lage ist, ein Gefecht der verbundenen Waffen halt eben auch panzerstark zu führen, ist schon erforderlich."
    Die Bundeswehr des Jahres 2015 wird also sehr viel anders aussehen als die Bundeswehr unserer Tage. Bis die Entscheidungen anstehen, werden die Diskussionen noch anhalten. Erst im Oktober und November werden die Parteitage von CDU und CSU über die Wehrpflichtfrage entscheiden.