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Mögliche Datenverluste bei Windows-10-Update
"Wer das Update bekommt, ist potenziell betroffen"

Dass das neueste Windows-10-Update bei einigen Nutzern für Datenverluste sorge, sei Microsoft seit Monaten bekannt, sagte Axel Vahldiek vom Computermagazin c't im Dlf. Microsoft nutze seine Kunden ungefragt als eine Art Betatester. Nutzer sollten ihre Daten überprüfen und Backups erstellen.

Axel Vahldiek im Gespräch mit Stefan Römermann | 08.10.2018
    Tastatur eines Notebooks mit Windows-Logo | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer. | picture alliance / imageBROKER
    Notebooks mit Windows: Virenschutz inklusive (picture alliance / imageBROKER)
    Stefan Römermann: Eigentlich sollen sie Windows 10 Schritt für Schritt immer besser machen: Die regelmäßigen großen Update-Pakete im Herbst und Frühjahr sollen beim Betriebssystem nach und nach zusätzliche Funktionen nachrüsten und die Bedienung besser und einfacher machen. Beim aktuellen Herbst-Update muss der Hersteller Microsoft jetzt allerdings die Notbremse ziehen und hat die Auslieferung des Updates gestoppt. Offenbar hatte das Herbst-Update bei einigen Nutzern für Datenverluste gesorgt. Darüber spreche ich jetzt mit Axel Vahldiek vom Computermagazin c't.
    Herr Vahldiek, wie kann das denn passieren, dass nach einem Update plötzlich Daten gelöscht sind?
    Axel Vahldiek: Das muss man tatsächlich erst mal hinkriegen. Es liegt letztlich an dem Prozedere, wie dieses Update installiert wird. Das ist nämlich kein normales Update, bei dem einfach ein paar Dateien gegen neue Versionen ausgetauscht werden, sondern tatsächlich passiert ein sogenanntes Upgrade – klingt ähnlich, ist aber technisch etwas anderes.
    Der entscheidende Punkt: Die komplette vorhandene Windows-Installation wird in einen neu erstellten Ordner namens WindowsOld verschoben. Dann nimmt das Setup-Programm die Installationspakete, installiert Windows komplett neu und versucht anschließend, alle Daten, Einstellungen und Anwendungen aus der alten Installation zu übernehmen. Offensichtlich ist bei diesem Schritt irgendetwas diesmal so richtig grandios schiefgegangen.
    "Im Zweifelsfalle braucht man Datenrettungs-Software"
    Römermann: Wie viele Nutzer sind denn davon bisher betroffen? Noch wurde das Update ja nicht ganz groß an alle Nutzer zwangsweise ausgeliefert, oder?
    Vahldiek: Das ist schwer zu sagen, wer überhaupt betroffen ist. Das eigentliche Problem ist, dass wir bisher die wahren Ursachen nicht kennen und deswegen erst mal davon ausgehen müssen, wer das Update bekommt, ist potenziell betroffen, sprich jeder könnte betroffen sein, der es kriegt. Wer es momentan noch nicht hat, der ist natürlich erst mal fein raus.
    Die, die es schon haben, sollten gucken, ob ihre Daten im Ordner Dokumente und in dem Ordner Bilder noch da sind. Wenn nicht, haben sie ein Problem.
    Römermann: Was können die Betroffenen machen? Können die ihre Daten irgendwo wiederherstellen, oder sind die tatsächlich komplett weg?
    Vahldiek: Auch das wissen wir nicht, weil wir selber den Fall noch nicht nachvollziehen konnten. Im Zweifelsfalle braucht man Datenrettungs-Software. Das heißt, man sollte den Rechner tunlichst ausschalten, nicht mehr nutzen, weil jeder Schreibzugriff kann bereits gelöschte oder als gelöscht markierte Dateien wirklich überschreiben. Dann sind sie ganz weg. Im Zweifelsfalle hilft Datenrettung.
    Microsoft bietet auf seiner Support-Homepage Telefonnummern an, wo man anrufen kann, um sich helfen zu lassen, wenn man betroffen ist. Das sollte man dann auch tun.
    Professionelle Datenretter sind teuer, in der Hoffnung, dass Microsoft das dann bezahlt. Aber ob das so sein wird, weiß auch noch keiner so genau.
    "Problem seit Monaten bekannt"
    Römermann: Sie haben gesagt, Microsoft bietet jetzt eine Hotline an. Reicht das aus, oder sollte Microsoft jetzt mehr tun?
    Vahldiek: Was Microsoft offensichtlich hat, ist ein ganz massives Problem bei der Qualitätssicherung. Denn das Problem – das macht die Sache eigentlich noch viel schlimmer – ist seit Monaten bekannt.
    Römermann: Dieses ganz konkrete Problem mit dem Datenverlust?
    Vahldiek: Genau diese beiden Ordner, deren Inhalt gelöscht wird, das wurde bereits vor Monaten von Betatestern berichtet, und Microsoft hat diese ganzen Berichte einfach ignoriert. Die haben genau dieses Szenario beschrieben.
    Römermann: Es gab ja auch früher schon mal Probleme mit anderen von diesen großen Update-Paketen. Ich glaube, im vergangenen Frühjahr gab es da schon mal welche. Die Updates werden immer an die privaten Benutzer als erstes ausgespielt und dann, glaube ich, drei Monate oder eine gewisse Zeit später an die geschäftlichen Nutzer. Werden da die normalen Nutzer, werden wir Normalnutzer irgendwie als Testkaninchen benutzt? Man hat ein bisschen den Eindruck.
    Vahldiek: Ja, so muss man das auch mal klar und deutlich sagen. Letztlich werden alle Nutzer von Home-Editionen – das sind die günstigsten Windows 10 Editionen – als eine Art Betatester von Microsoft benutzt. Sie können sich nicht wehren, dieses neue Update zu kriegen. Man kriegt es, wenn Microsoft es für fertig hält, und was Microsoft für fertig hält, das haben wir jetzt gerade gesehen.
    Das ist letztlich etwas, was eigentlich so nicht angehen kann, wo wir seit Jahren fordern, seit Windows 10 da ist, dass Microsoft das ändert. Aber bisher nimmt man da irgendwie keine Rücksicht drauf.
    "Backups sind immer zu empfehlen"
    Römermann: Sollten die Testphasen, bevor solche Updates ausgeliefert werden, deutlich länger sein?
    Vahldiek: Dass der Zeitraum eine Rolle spielt, ist nicht so sehr die Frage wie die Tatsache, dass man tatsächlich, wenn man solche Tests macht und Fehlerberichte einsammelt, die dann auch bearbeiten muss. Sie einfach zu ignorieren, das ist das eigentliche Problem. Dass es so ein Fehler ins Produkt schafft, ist ein Problem. Dass der Fehlerbericht ignoriert wird, ist noch ein Problem.
    Offensichtlich muss Microsoft ganz dringend an der Qualitätssicherung was tun. Und sie sollten – wahrscheinlich wäre das der einzig richtige Weg, um Vertrauen auf Dauer wiederherstellen zu können – erst mal die aktuelle Version 1809 komplett zurückziehen, erst mal wirklich alle Fehlerberichte bearbeiten, und dann, wenn alles fertig ist, sie vielleicht erneut veröffentlichen.
    Römermann: Wer die jetzt vielleicht schon heruntergeladen hat, sollte sie auf keinen Fall installieren. Das kann man so sagen?
    Vahldiek: Auf eigenes Risiko. Wer Backups aller seiner Daten hat, ist natürlich grundsätzlich fein raus. Backups sind immer zu empfehlen, egal für welches Betriebssystem. Von allen wichtigen Daten, die man hat, die womöglich auch noch unersetzlich sind, sollte man grundsätzlich ein Backup haben. Es reicht notfalls, sie mit dem Explorer auf eine externe Festplatte zu kopieren, Hauptsache man hat erst mal eine Kopie irgendwo. Dann kann man auf eigenes Risiko gucken, ob man betroffen ist beim Einspielen. Aber wer auf Nummer sicher gehen will, lässt die Finger erst mal weg.
    Römermann: Axel Vahldiek vom Computermagazin c't. Vielen Dank für diese Einschätzungen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.