Donnerstag, 25. April 2024

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Mögliche Fahrverbote
"Die ganzen schmutzigen Diesel werden ausgesperrt"

Das Diesel-Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart mit der Empfehlung möglicher Fahrverbote ist aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ein gutes Signal. Ab Anfang kommenden Jahres werde man um Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge nicht mehr herum kommen, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch im Dlf.

Jürgen Resch im Gespräch mit Sarah Zerback | 28.07.2017
    Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe
    Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (imago stock&people / Jürgen Heinrich)
    Sarah Zerback: Der Lack ist ab! Jahrzehntelang galt der Diesel als sauber, bis dann der Abgasbetrug bei VW bekannt wurde, der mittlerweile auch viele andere Hersteller in Erklärungsnot bringt und dem Diesel sein Dreckschleuder-Image verpasst hat. Weil der dazu beiträgt, dass die Luft in deutschen Städten schlecht ist, könnte es in der Autostadt Stuttgart nun bald Fahrverbote für Diesel-Autos geben, das hat das Verwaltungsgericht dort heute entschieden. Ein Urteil, das Signalwirkung hat, über Baden-Württemberg hinaus.
    Und ausgelöst hat diese heutige Entscheidung die Deutsche Umwelthilfe, die in Stuttgart unter anderem geklagt hatte. Am Telefon begrüße ich jetzt den Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch, guten Tag, Herr Resch!
    Jürgen Resch: Einen schönen guten Tag!
    Zerback: Ist damit heute in Stuttgart das Todesurteil für den Diesel gesprochen worden?
    Resch: Auf jeden Fall für den schmutzigen Diesel, der hat keine Zukunft mehr. Und die Automobilindustrie muss jetzt sehr schnell handeln, wenn sie zumindest für eine Übergangszeit den Diesel noch retten möchte, zumindest in kleiner Stückzahl. Das Gericht hat in Stuttgart ganz klar gesagt: Software-Lösungen sind keine geeignete Maßnahme, sie dauern zu lange, sie bringen zu geringe Verbesserungen. Und wir kommen einfach nicht drum herum – so das Gericht –, dass wirksame Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge ab dem 1. Januar 2018 kommen müssen. Und das heißt natürlich, dass diese ganzen schmutzigen Diesel jetzt ausgesperrt werden.
    "Damit hätte die Industrie eine technische Vorgabe"
    Zerback: Sie haben jetzt die Software-Lösungen angesprochen, dann gäbe es ja noch die Hardware-Variante. Wäre das nicht eine Alternative?
    Resch: Das ist genau die, die wir fordern. Und in der letzten Woche fand die mündliche Verhandlung statt, hier hat der Richter Kern es auf den Punkt dann gebracht, er hat gesagt: Warum gehen Sie nicht so herum vor, dass Sie Fahrverbote verfügen und dann die Fahrzeuge von den Fahrverboten befreien, die durch eine wirksame Nachrüstung die Grenzwerte einhalten? Deswegen, unsere Forderung ist: Beim Gipfel nächste Woche muss herauskommen, nur die Diesel-Fahrzeuge, die durch eine Nachrüstung die Grenzwerte von Euro 6 einhalten – das sind 80 Milligramm Stickoxid pro Kilometer –, dürfen zukünftig in die Städte einfahren. Damit hätte die Industrie eine technische Vorgabe und bei den vielen guten Ingenieuren bin ich sicher, dass es möglich ist, das zu erreichen. Wir haben es schon mal vorgemacht und die Autoindustrie ein bisschen blamiert und ihr gezeigt, dass nach anfänglichem Leugnen, das sei technisch nicht möglich, mittlerweile ein Konsens besteht: 1.500 Euro pro Fahrzeug und die Grenzwerte von Euro 6 können bei sehr vielen der Euro-5- und Euro-6-Fahrzeuge, die jetzt zehnmal drüber liegen, dann eingehalten werden.
    Zerback: Und diese Fahrverbote, die Sie fordern, sind ja relativ unpopulär, und zwar nicht nur bei den Autoherstellern, sondern auch in der Politik, wir hören das raus. Und man muss doch auch sagen: Letztlich ist von diesen Fahrverboten dann auch die kleine Krankenschwester in Stuttgart mit Diesel-Auto betroffen. Finden Sie das fair und verhältnismäßig?
    Resch: Das ist aber interessant, dass die Krankenschwester oder der Arbeiter in Stuttgart sich zu 64 Prozent dazu entschieden hat, die Fahrverbote für gut zu finden. Also, wir haben ungefähr im ganzen Bundesgebiet bei verschiedenen Befragungen zwei Drittel der Bürger, die Diesel-Fahrverbote für schmutzige Fahrzeuge fordern – übrigens auch viele, die selbst Diesel-Eigentümer sind …
    Zerback: Das wollte ich gerade fragen, ob Sie danach gefragt haben!
    "Wir müssen über Gerichte Aufklärungsarbeit leisten"
    Resch: Ja, ja, das sind auch die Betroffenen, der ist auch gefragt worden. Und ich habe jetzt auch sehr viele Diskussionen gehabt, Hörfunk, Fernsehen, bei denen die Zuschauer oder Zuhörer eigentlich alle Verständnis hatten und sagten: Wir möchten ein sauberes Auto haben! Wir haben doch den Diesel gekauft, weil er uns versprochen wurde als klimafreundlich, als sauber. Und diese Eigenschaft soll er bekommen. Deswegen, wir machen 16 Klagen im Bundesgebiet, wir haben bis jetzt alle Klagen gewonnen, auch München und Düsseldorf haben ja beschlossen, nächstes Jahr wird es Diesel-Fahrverbote in diesen Städten geben. Wir brauchen jetzt eine Politik, die sich nicht nur mit einer Automobilindustrie in Hinterzimmern abstimmt, sondern die vielleicht auch mal den Kontakt zur Zivilgesellschaft, zur Deutschen Umwelthilfe, zu anderen Umweltverbänden sucht. Wir schaffen es seit 22 Monaten nicht, auch nur ein Gespräch bei Herrn Dobrindt oder seinen Staatssekretären oder auch seinen Beamten zum Thema Dieselabgasskandal zu bekommen. Wir müssen über Gerichte und über die Öffentlichkeit Aufklärungsarbeit leisten und die Politik immer wieder zwingen, Recht und Gesetz einzuhalten. So kann es ja eigentlich nicht weitergehen.
    Zerback: Sie mussten jetzt auch in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten, den grünen, quasi dazu zwingen, dabei war man sich ja eigentlich mal einig. Wie erklären Sie sich diese Kehrtwende, die Winfried Kretschmann selber keine Kehrtwende nennt?
    Resch: Ja, die war sehr eindrucksvoll. Ich hatte mit ihm am 13. Januar ein Gespräch und ihn davon überzeugen können, dass er sehr frühzeitig der Bevölkerung reinen Wein einschenken muss, dass Diesel-Fahrverbote unverzichtbar sind. Das hat er dann auch Ende Februar gemacht, hat auch in der "FAZ" dann den Hinweis auf die DUH gebracht, dass er jetzt ab nächstem Jahr, ab Januar 2018 Diesel-Fahrverbote verfügen wollte. Wir dachten, vor Gericht mit ihm jetzt über die Intensität zu diskutieren, nämlich dass sie nicht nur an bestimmten Tagen und für bestimmte Fahrzeuge beziehungsweise Strecken gelten, sondern insgesamt, aber auf Druck der Automobilindustrie hat er eine wirksame Maßnahme ersetzt durch rein ein Gesprächsangebot freiwilliger Software-Updates, die dann natürlich vor Gericht überhaupt nicht quantifiziert werden konnten. Und bei dann doch dem Versuch, zu sehen, wie wirksam könnten sie sein, haben die eigenen Gutachter des Landes gesagt: Ganze neun Prozent Verringerung wären dadurch möglich. Und das ist natürlich nicht ausreichend bei der hohen Belastungslage, die wir in vielen deutschen Städten haben.
    Zerback: Sagt Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Herzlichen Dank für das Gespräch heute im Deutschlandfunk in den "Informationen am Mittag"!
    Resch: Gern geschehen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.