Donnerstag, 18. April 2024

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Mögliche Kandidatur für CDU-Vorsitz
Friedrich Merz - ein Mann mit enormem Einfluss

Der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz gilt als Kandidat für den CDU-Vorsitz. Diese Ankündigung dürfte die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung von Dlf-Wirtschaftsredakteur Klemens Kindermann geradezu elektrisieren. Seine Rückkehr in die Politik wäre für Deutschland ungewöhnlich.

Klemens Kindermann im Gespräch mit Ursula Mense | 29.10.2018
    Friedrich Merz (CDU), Vorsitzender des Vereins Atlantik-Brücke, beim Wirtschaftstag 2018 des CDU-Wirtschaftsrats
    Hat Friedrich Merz eine Chance auf den CDU-Parteivorsitz? (picture alliance/ dpa/ Jens Büttner)
    Ursula Mense: Der frühere Unions-Fraktionschef Friedrich Merz ist offenbar bereit, auf dem Bundesparteitag im Dezember für den CDU-Vorsitz zu kandidieren. Wie könnte das in der deutschen Wirtschaft ankommen?
    Klemens Kindermann: Das ist eine Ankündigung, die viele in der deutschen Wirtschaft geradezu elektrisieren dürfte. Friedrich Merz ist vielleicht der CDU-Politiker, der schlechthin für Wirtschaftskompetenz steht. Er ist als Rechtsanwalt Senior Counsel in Düsseldorfer bei der Anwaltskanzlei Mayer Brown. Da bestehen Mandate von vielen Dax-Unternehmen und internationale Konzernen. Merz ist aber auch noch beim Vermögensverwalter Blackrock Aufsichtsratschef für Deutschland.
    Ich würde so weit gehen, dass es nur wenige in Deutschland gibt, die einen so guten Überblick über die Konzerne hierzulande haben. Eine Kandidatur von Merz für die Spitze der CDU dürfte da ziemliche Sympathien auslösen, weil kaum einer ihre Anliegen so gut kennt. Aber nicht nur bei den Großen, auch bei den mittelständischen Unternehmen dürfte Merz' Kandidatur extrem gut ankommen. Sie erinnern sich an seine berühmte "Bierdeckel"-Steuererklärung aus dem Jahr 2003: die Steuern ganz einfach und verständlich machen. Das ist etwas, was gerade Mittelständler umtreibt: weniger Bürokratie, Entschlackung.
    Merz hat als Blackrock-Aufsichtsrat enormen Einfluss
    Mense: Und dennoch: Ist das die späte Rache eines Mannes – und das macht die Angelegenheit wirtschaftspolitisch und wirtschaftsethisch interessant – eines Mannes, der Aufsichtsratschef von Blackrock Deutschland ist? Der US-Konzern ist der größte Vermögensverwalter der Welt, mithin eines der einflussreichsten Unternehmen im Finanzsektor mit Beteiligungen an vielen großen Aktiengesellschaften. Eigentlich eine echte Heuschrecke, oder?
    Kindermann: Blackrock ist vielleicht nicht im eigentlichen Sinn, wie das der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering zuspitzte, eine Heuschrecke. Also sich an einem Unternehmen beteiligen, es auspressen oder um im Bild zu bleiben, abfressen und dann rausgehen. Blackrock beteiligt sich – zum Beispiel hier in Deutschland – ziemlich gleichmäßig mit drei, vier, fünf oder sechs Prozent, auch schon mal über acht Prozent. Blackrock ist an allen DAX-Unternehmen beteiligt und übt den Einfluss von innen her aus, sozusagen strategischen Einfluss. Da müssen Vorstandschefs ihre Strategie erläutern oder überarbeiten, das passiert alles mehr abseits der großen Bühne etwa von Hauptversammlungen.
    Der Einfluss ist dennoch enorm, weil jeder Vorstandschef natürlich genau weiß, mit welcher Macht er es da zu tun hat. Blackrock verwaltet Vermögen in Höhe von mehr als 5,5 Billionen Euro – eine unvorstellbare Summe, die dazu geführt hat, dass Blackrock als eine heimliche globale Weltmacht gilt.
    Larry Fink, der Blackrock aus einer kleinen Fondsgesellschaft geformt hat, heißt auch: der Zauberer von Oz. Er ist irgendwie nie zu fassen, aber dennoch unheimlich mächtig: Blackrock berät überall Banken, Versicherungen, Staatsfonds und Versicherungen und so weiter, sogar die Europäische Zentralbank. Dass da der Stellvertreter in Deutschland ein Mann mit enormem Einfluss und einem Hintergrund ist, der weit über die nationale Politik hinausgeht, ergibt sich fast von selbst. Und im Moment ist es: Friedrich Merz.
    Wechsel von Wirtschaft in Politik kann Risiko sein - oder Gewinn
    Mense: Was bedeutet es nun, wenn jemand von einer so exponierten Stelle in der Wirtschaft in die Politik zurückkommt?
    Kindermann: Das wäre für Deutschland absolut ungewöhnlich. Es wäre sozusagen das US-amerikanische Modell. Da sind die Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft - insbesondere Finanzwirtschaft - absolut üblich. Der aktuelle US-Finanzminister Steven Mnuchin war 17 Jahre Investmentbanker bei Goldman Sachs. Hier in Deutschland und auch in der EU ist man da erheblich vorsichtiger, weil Interessensverquickungen befürchtet werden. EZB-Präsident Mario Draghi ist schon alleine dafür kritisiert worden, dass er mit Blackrock überhaupt gesprochen hat.
    Die US-Sicht ist: Ich nehme mein Wissen aus der Wirtschaft mit in die Politik, diene ihr eine Zeitlang und kehre dann womöglich wieder zurück. Das ist im schlechtesten Fall für die Gesellschaft ein Risiko, weil dann Gesetze im Sinne von Unternehmen gemacht werden könnten. Im besten Fall wäre es ein Gewinn, weil Wirtschaftskompetenz in der Politik ein absolutes Desiderat ist. Letztere Sicht auf die Dinge dürfte die von Friedrich Merz sein.