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Mörbisch und Bad Ischl
Neue Operetten-Intendanten in Österreich

Zwei der wichtigsten Operettenfestspiele in Österreich wurden von neuen Intendanten übernommen: die Seefestspiele Mörbisch von Opernsänger Peter Edelmann und das Lehár-Festival von Regisseur Thomas Enzinger. Während Edelmann eher an die Tradition anzuknüpfen versucht, schaut Enzinger in die Zukunft.

Von Stefan Frey | 16.07.2018
    Ein roter Theatervorhang
    Ein roter Theatervorhang (picture alliance / dpa - Marcus Brandt)
    Peter Edelmann: "Wir haben die Möglichkeit hier in Mörbisch Operette so zu spielen wie sonst nirgends, auf dieser Riesenbühne mit dem See. Der spielt eine Hauptrolle bei uns. Unser neuer Slogan heißt: Wir geben dem See eine Bühne."
    Neusiedler See in Mörbisch
    Und tatsächlich spielt der Neusiedler See in Mörbisch eine große Rolle. Peter Edelmann, der neue Intendant der Seefestspiele hat also den passenden Slogan gewählt. Und Bühnenbildner Manfred Waba hat dem See die versprochen spektakuläre Bühne gegeben: eine riesige Geige von 45 Metern Länge und 12 MEtern Höhe. Die größte Geige der Welt, wie sie offiziell beworben wird. Die Frage war nun, wie wird diese imposante Bühne bespielt?
    Um die Antwort vorwegzunehmen: Gar nicht. Im Gegensatz zu Bregenz, wo solch symbolische Kulissen stets sinnfällig bespielt werden, dient die Geige hier als bloße Verpackung für ein putzig-realistisches Puppenstubenbühnenbild. Sie öffnet sich also und was sieht man? Rätselhafterweise eine Bibliothek. Was man nicht mehr sieht ist - die Hauptrolle - den See.
    Regisseur Karl Absenger verschenkt aber nicht nur die tollen Möglichkeiten des Bühnenbilds, auch die durchweg guten Sänger verlieren sich beziehungslos auf der Riesenbühne. Selbst das Ballett kommt über bloße Folkloreeinlagen nicht hinaus. Die routiniert heruntergespulte Inszenierung mutet an wie die temperamentlose Wiederaufnahme einer Inszenierung aus der längst verklärten Ära des legendären Alt-Intendanten Harald Serafin.
    "Mir gefällt es so wie er es macht, großartig. Denn wenn er es so machen würde wie ich, käme es nicht gut an und das kann auch nicht jeder und soll auch nicht jeder. Er hat seinen Stil: ein feiner Herr ist hier Intendant."
    So groß sind die Unterschiede aber nicht. Im Gegenteil, das Publikum war erleichtert und entzückt über die Ähnlichkeiten.
    "So muss man's machen. So muss man Kalman interpretieren und so muss man Operette machen, wirklich, ehrlichen Herzens."
    "Wir haben analysiert, warum die Zahlen zurückgegangen sind"
    Waren zur letzten Gräfin Mariza vor 14 Jahren – unter Serafins Intendanz –insgesamt 218.000 Zuschauer gekommen - waren es beim Vogelhändler letztes Jahr nur noch 112.000, also fast die Hälfte. Die 6.200 Plätze an über 20 Abenden zu füllen, ist eine wahrhaft herkulische Aufgabe, an der schon Serafins Nachfolgerin Dagmar Schellenberger gescheitert ist. Jetzt hat sie Edelmann übernommen, zusammen mit seinem Geschäftsführer Dietmar Posteiner.
    "Wir haben schon genau analysiert, warum die Zahlen zurückgegangen sind. Wir haben Besucherbefragungen gemacht, und versucht, die Quintessenz herauszusaugen und die Produktion genau so anzulegen, wie's das Publikum wünscht."
    Also eine Aufführung nach dem Geschmack des Publikums? Offenbar schon, denn die Begeisterung steigerte sich bis in die höchsten Kreise der Wiener Gesellschaft. Ganz oben thront dort der ungekrönte König jedes Opernballs und große Operettenfan: Baumeister Richard - genannt: Mörtel - Lugner:
    "Ich würd sagen, das Tollste, was ich seit Langem gesehen hab, das Bühnenbild vom Waba ist perfekt, die Sänger sind gut, die Akustik ist gut, das Ballett ist gut, es ist alles gut. Es ist perfekter wie - also ich schätz den Serafin ... aber das, wie's der Edelmann macht, ist perfekter."
    Serafin perfekt, Edelmann perfekter, da bleibt als Superlativ nur noch der Kaiser! Seit seinem Abgang vor 100 Jahren geistert er durch unsere Operettentagträume. Und in 100 Jahren?
    Christian Reichold: "Es wird auf diesem Planeten kein Leben mehr geben, aber Mörbisch wird's noch immer geben und es wird immer die Mariza tanzen, die Fledermaus drüber flattern und der Serafin, auch wenn ihn keiner mehr kennt, alles noch immer wunderbar finden."
    Bad Ischl: Intendanz mit einem Werk eines jüdischen Komponisten eröffnet
    Mag das Paradies in Mörbisch direkt am Strand des Neusiedler Sees liegen, so sitzt man beim Lehárfestival Bad Ischl auf dem Trockenen und muss sich mit einem etwas sterilen Kurhaus begnügen. Umso farbenfroher leuchtete dort Totos blumig-buntes Bühnenbild der "Blume von Hawaii".
    Mit Paul Abrahams schriller Jazz-Revue-Operette von 1931 hat Thomas Enzinger seine Intendanz durchaus programmatisch eröffnet. Immerhin wurde in Ischl noch nie ein Werk des jüdischen Komponisten gespielt, dessen tragische Lebensgeschichte nach der Vertreibung aus Deutschland im Wahnsinn endete.
    Und so hat Enzinger den Komponisten in seine Inszenierung eingebaut - als erzählerische Klammer. Dem Schauspieler Mark Weigel gelingt ein berührendes Porträt, zugleich führt er aber auch als amerikanischer Gouverneur durch die verrückte Handlung, deren absurde Dramaturgie eigentlich nur als Anlass zu Abrahams Musik dient. Und die hat es in sich, hat er doch eine sogenannte Zentralpartitur geschrieben, in der alle Instrumente durchgehend notiert sind. Es ist also Sache des Dirigenten, wann sie ein- und aussteigen oder auch improvisieren. In Ischl hat Marius Burkert diese Aufgabe glänzend gelöst:
    "Allein schon die Besetzung hat uns hier Probleme bereitet, weil wir gar nicht den Graben füllen konnten damit. Wir haben wirklich eine Stunde gebraucht, alle unterzubringen, aber wir haben dann eine gute Aufstellung gefunden, wo die Bläser auf der einen und die Streicher auf der andern Seite sind. Die Streicher sind es auch nicht gewöhnt, so jazzig zu spielen, als war es für uns eine sehr, große Herausforderung."
    Oper, Schauspiel, Musical
    Wegen der Jazzbesetzung mit vielen Bläsern ist es für die Sänger nicht leicht, gegen das Orchester anzukommen, zumal die Tonanlage in Ischl hier an ihre Grenzen stößt. Doch das durchweg junge, bewegliche und enorm spielfreudige Ensemble tanzt und singt über all diese Schwierigkeiten virtuos hinweg. Wie zu Abrahams Zeiten sind hier alle Sparten vertreten: Oper, Schauspiel, Musical. Alle Rollen sind perfekt besetzt. Ob Hawaii-Prinzessin Laya mit der in Schwips und Schmerz gleich bezaubernden Sieglinde Feldhofer, ob Jazzsänger Jim Boy mit dem lässigen Steppgenie Gaines Hall oder Buffo Buffy mit dem an Jerry Lewis erinnernden Ramesh Nair. Er hat auch die mitreißenden Tänze choreografiert, die dem ganzen Abend ordentlich Tempo verliehen.
    Im Vergleich zu Peter Edelmanns nostalgischem Konzept in Mörbisch, gelingt seinem Kollegen in Ischl der direkte, sinnliche Bezug zur Gegenwart geradezu spielerisch. Und der ist Thomas Enzinger nicht nur für seine Inszenierung wichtig, sondern auch für das gesamte Festival:
    "Bad Ischl ist ein magischer Ort, auch mit der Vergangenheit, das sollte man auch in die Zukunft bringen. Das; was Bad Ischl einmal war, das Zentrum der Operette. Hier haben sich alle Superstars der Operette getroffen und auch die Stücke kreiert. Es war lebendig, kein Museum. Das sollte Bad Ischl sein, dafür steht auch das Lehár-Festival. Daran sollte kein Weg vorbei führen, wenn man Operette sehen will."