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Moldawien
Rumänische Pässe sind begehrt

Rumänische Vorfahren reichen für Moldauer aus, um eine rumänische Staatsbürgerschaft zu bekommen. Diese Möglichkeit nutzen viele, denn sie wollen von der Reisefreiheit profitieren und hoffen auf bessere Karrierechancen.

Von Karla Engelhard | 20.02.2014
    Seit gut einem halben Jahr hat Inessa Postica ihren rumänischen Pass. Die junge Moldauerin kommt aus dem Landesteil, der bis in die 1940er-Jahre zu Rumänien gehörte, bis die Russen kamen: "Es gibt mindestens zwei Gründe, warum ich rumänische Staatsbürgerin wurde. Wegen meiner Liebe zu Lucian, der schon in Rumänien lebt. Aber gleichzeitig bin ich durch meine rumänischen Wurzeln an dieses Land gebunden. Meine Großeltern sind Rumänen und meine ganze Familie. Ich bin stolz darauf, Rumänin zu sein."
    Rumänische Vorfahren reichen für Moldauer aus, um eine rumänische Staatsbürgerschaft zu bekommen. Inessas Verlobter Lucian ergänzt, warum sie dies wollen:"Die damit verbundene Reisefreiheit ist der Hauptgrund für junge Moldauer, die rumänische Staatsbürgerschaft haben zu wollen. Denn mit dem moldauischen Pass kann man nur nach Russland reisen oder in einige Länder der Ex-Sowjetunion. Wenn man in die EU reisen will oder in die Vereinigen Staaten, braucht man in Moldau ein Visum. Und ein Visum zu bekommen, ist sehr schwierig oder teuer."
    Eine gespaltene Republik
    Seit 1991 ist die einstige Sowjetrepublik Moldawien unabhängig. Das kleine Land, nur halb so groß wie Bayern, ist zerrissen. Das separatistische Transnistrien im Osten und die Gagausen, eine christliche türkische Minderheit im Süden, halten Moskau die Treue. Der Rest der Republik Moldau ist unentschieden. Vor allem die Rumänen in Moldau wollen in die Europäische Union. Doch ein fast gleichgroßer Teil Moldauer will eine Union mit Russland, Weißrussland und Kasachstan.
    Der rumänische Präsident Trajan Basescu hält dagegen: "Rumänien kann sich das Risiko nicht leisten, dass der Weg Moldaus in Richtung Europäischer Union unterbrochen wird. Es ist für uns eine Frage der Sicherheit Rumäniens und der Moral. Wir wissen genau, dass jenseits des Grenzflusses Pruth Menschen leben, die einmal rumänische Staatsbürger gewesen sind, oder die direkt von rumänischen Staatsbürgern abstammen. Wir wissen auch, dass die kommunistische Partei Moldaus den Menschen eine eurasische Union als Alternative anbietet. Und all das ist bisher ohne konkretes Gegenangebot der Europäer geblieben."
    Der rumänische Präsident will eine Wiedervereinigung mit den Brüdern und Schwestern vom linken Ufer des Pruth, aber dafür gibt es keine Mehrheit in Moldau. Auch wenn von den dreieinhalb Millionen Einwohnern gut zwei Drittel Rumänen sind.
    Mit Bestechung zum Pass
    Nach offiziellen rumänischen Quellen besitzen bereits 300.000 die rumänische Staatbürgerschaft. Doppelt so viele haben offizielle Anträge gestellt oder versuchen es auf dem Schwarzmarkt. Für rund 2000 Euro soll ein rumänischer Pass in der moldauischen Hauptstadt Chisinau zu haben sein. Im rumänischen Bukarest lassen sich Beamte rund 1500 Euro für eine "schnellere Passbearbeitung" zahlen.
    Slawik lebt seit sechs Jahren in Bukarest. Er hat lange auf seine rumänische Staatsbürgerschaft gewartete: "Es gibt keine gesellschaftliche Sicherheit ohne ökonomische Sicherheit. Du kannst Dich nicht entwickeln, wenn du nur ständig mit Überleben beschäftigt bist. Der Durchschnittslohn in Moldau liegt bei umgerechnet 100 Euro. Davon kannst Du nicht leben. Wir können im Ausland mehr für unsere Familien tun, wir ernähren sie mit."
    In Rumänien lässt es sich verhältnismäßig besser leben als im noch ärmeren Moldau. Sprachproblem gibt es ohnehin keine, da Rumänisch neben Russisch Amtssprache in Moldau ist. Vor allem Fachkräfte werden gebraucht, weil viele Rumänen zur Arbeit in reichere EU-Länder auswandern.
    Doch auch etliche Neu-Rumänen ziehen weiter, meist nach Italien oder Kanada, nach Deutschland zieht es wenige. An eine rasche Integration der Republik Moldau in die Europäische Union glauben vor allem junge Moldauer kaum.
    Moskau am längeren Hebel
    Slawik und seine Freunde sind sich sicher: "Zwar laufen mit der EU Gespräche und wir werden bald einen visafreien Reiseverkehr mit der EU haben. Aber die Ereignisse in der Ukraine zeigen uns, dass uns Russland nicht so einfach ziehen lassen wird und die Europäische Union uns wohl auch nicht wirklich will."
    Moskau sitzt derzeit am längeren Hebel. Die Republik Moldau ist vollständig von russischem Gas abhängig und hat alte Gas-Schulden in Milliardenhöhe. Ein Pipeline-Anschluss nach Rumänien ist erst in Bau.