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Monatelang den Unterricht verpasst

Maren sitzt im Besucherzimmer der Kinderklinik in Bonn. Die Station hier hat sie in den vergangenen Monaten zu Genüge kennen gelernt. Im Rahmen ihrer Chemo-Therapie war sie wochenlang hier untergebracht. Und in dieser Zeit konnte sie natürlich auch ihre zehnte Klasse im Gymnasium nicht mehr besuchen.

VonArmin Himmelrath | 18.11.2005
    " Ich bin Maren, bin 16 Jahre alt, komme aus der Eifel und habe seit fünf Monaten Leukämie."

    " Am Anfang hatte ich Angst, dass ich in der Schule nicht weiterkomme, also dass ich irgendwie durch die Krankheit sitzen bleibe, weil ich nicht so oft in die Schule gehen kann. Aber durch dieses Klassissimo-Projekt und dadurch, dass ich mit einer Freundin immer lerne, ging das dann schon."

    Das Klassissimo-Projekt, von dem Maren erzählt, ist eine Spezialität der Bonner Kinderkrebsklinik.

    " In meiner Klasse ist eine Kamera angebracht, und halt ein Mikrofon, und zwei Freundinnen von mir aus meiner Klasse, die nehmen immer Unterricht auf und speichern den dann und schicken mir den. Und wenn ich dann Zeit habe oder nicht in die Schule gehen kann, dann kann ich mir die Unterrichtsstunden auf dem Computer angucken. Weil die ja gespeichert sind. Ich kann die mir also immer angucken, auch wiederholt angucken, und so kriege ich dann so ein bisschen wenigstens vom Unterricht mit."

    Dabei ist die Vermittlung des Lernstoffs nur die eine Seite. Beim Projekt Klassissimo geht es nämlich auch darum, den sozialen Kontakt zu den Klassenkameraden nicht zu verlieren. Die Kinder in der Klinik bekommen dafür einen Laptop zur Verfügung gestellt. Maren zeigt, wie das funktioniert.

    " Zuerst muss ich ins Internet, dann auf diese Seite von Klassissimo, und dann gehe ich halt auf Zugriff aus der Klinik oder von Zuhause. Benutzername, Passwort. Und dann bin ich drin und kann mir hier den Chat angucken, was die mir geschrieben haben, oder ich kann mir angucken, was die mir für Unterricht geschickt haben, und dann steht da immer davor, was das für ein Fach ist, und an welchem Tag das aufgenommen wurde, und dann kann ich mir halt aussuchen, was ich gucke."

    Da steht jetzt zum Beispiel Englisch 17.10., Mathe 18.10., Mathe 19.10., und wir gucken mal bei Latein 19.10.?

    " Ja, also, ich sehe nicht soviel, was auf der Tafel steht, aber wenn die Lehrer laut reden, dann kriege ich das schon mit."

    " Also, da vorne ist meine Lateinlehrerin, und ich sehe ich nicht alle aus der Klasse, weil die Kamera hängt oben, und ich sehe eigentlich nur die, die vorne sitzen. Also, ganz hinten die Reihe sehe ich nicht."

    Auf dem Bildschirm ist, nicht ganz scharf, Marens Klassenzimmer zu sehen, und die 16jährige in der Klinik schaut dem Unterricht aus einer Perspektive zu, als säße sie irgendwo in der letzten Reihe. Dass sich die Schule nach Marens Erkrankung auf den Fernunterricht über das Internet eingelassen hat, findet Marens Mutter richtig gut.

    " Die waren direkt einverstanden, die mussten ja auch das Einverständnis der Eltern und Schüler einholen. Also, das hat sehr gut geklappt. Die haben von vorneherein gesagt: Wir helfen, wo wir nur können; wir stehen dahinter, wenn sie irgendwas braucht oder will. Also, das hat sehr gut funktioniert. Da sind auch einzelne Lehrer, die haben sich bei uns zuhause gemeldet und sich angeboten, wenn sie irgendwas braucht oder so, dass sie sich nur melden muss. Da war ich doch positiv überrascht."

    Auf so eine positive Resonanz stoßen längst nicht alle Kinder, die hier in der Bonner Klinik untergebracht sind. Es kommt gar nicht so selten vor, dass Lehrer sich weigern, ihren Unterricht auf Video aufzeichnen zu lassen oder die jungen Patienten anders zu unterstützen. Doch diese Probleme hatte Maren nicht. In der vergangenen Woche konnte sie zum ersten Mal wieder für einen Tag in ihre Klasse zurückkehren.

    " Also, ich war schon ziemlich nervös, weil ich so lang nicht mehr in der Schule war. Aber eigentlich war das schon ziemlich cool, weil die Lehrer sich vielleicht ein bisschen gefreut haben, dass ich noch mal da war, und auch die anderen aus meiner Klasse, und ich war zwar nur vier Stunden da, aber das war schon schön."

    An diesem ersten Schultag nach langer Zeit hat Maren auch festgestellt, dass sie dank der Hilfe ihrer Klasse gar nicht so weit hinterher hinkt mit dem Lernstoff. Ist damit die Angst, wegen der Leukämie-Erkrankung sitzen bleiben zu müssen, verflogen?

    " Nicht ganz, aber schon ein bisschen. Weil mir viele Leute halt geholfen haben, dass ich weiterkomme. Und dann hoffe ich, dass das auch klappt."