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Monge: Rohstoffe aus Peru dürfen nicht "auf der Überholspur" gefördert werden

Wenn Peru Rohstoffe an Deutschland liefere, müssten die höchsten Umwelt-, Menschenrechts-, Sozialstandards einhalten werden, sagt Carlos Monge von der NGO "Revenue Watch". Deutschland müsse selbst auch darauf hinwirken.

Carlos Monge im Gespräch mit Jule Reimer | 03.05.2013
    Susanne Kuhlmann: Unfair, keine ausreichende Berücksichtigung der Menschenrechte, so kritisieren Organisationen wie Misereor oder Terre des Hommes das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kolumbien und Peru, über das heute der Bundesrat abstimmen wird. Darin geht es auch um den Zugang zu Rohstoffen in den beiden Ländern. Und im Windschatten dieses großen Abkommens geschehen unbemerkt noch andere Dinge. Die Bundesregierung verhandelt offenbar ein eigenes Rohstoffabkommen mit Peru, das noch im Mai unterzeichnet werden soll. Allerdings ist das Vorhaben umstritten, weil es keine verbindlichen Standards für Menschenrechte, Arbeitnehmerschutz und Umweltschutz beinhalte, monieren Kritiker, zum Beispiel aus Nichtregierungsorganisationen. Umweltverträglichkeit ungewiss –

    Jule Reimer sprach mit Carlos Monge, der bei der Nichtregierungsorganisation Revenue Watch für Lateinamerika zuständig ist. Sie fragte ihn zunächst nach den Abbaubedingungen in Lateinamerika.

    Carlos Monge: Die Realität in Lateinamerika sieht so aus, dass der Abbau von Rohstoffen zugunsten der Staatskassen gefördert worden ist, ohne jedoch immer genügend die Meinung der Bevölkerung vor Ort zu berücksichtigen und ohne den Umwelteffekt zu berücksichtigen, der manchmal mit solchen Aktivitäten einhergeht. Wir haben in der Vergangenheit dazu keine Regelungen gehabt, und sofern vorhanden, sind sie schwach. Im Allgemeinen arbeiten diese Branchen also nicht in dem Umfeld, das wir uns wünschen würden. Wir arbeiten jetzt in ganz Lateinamerika daran, um die Umweltrahmengesetzgebung zu stärken und um die ILO-Vereinbarung 169 zur Notwendigkeit einer vorherigen öffentlichen Anhörung in nationale Gesetzgebung umzusetzen, sodass sichergestellt wird, dass die Meinung der Bevölkerung vor Ort gehört wird.

    Jule Reimer: In welcher Konkurrenzsituation befinden sich die Bergbauunternehmen, was den Verbrauch von Natur, von anderen natürlichen Ressourcen angeht?

    Monge: Das kommt ganz darauf an, wo der Abbau stattfindet und über welche Art von Abbau wir sprechen. Am schlimmsten sind die Auswirkungen des Tagebaus im Hochland der Anden. Da, wo die Grassteppe beschädigt wird, wo die Sohle der Gletscher direkt beschädigt wird, da wo Frischwasserbestände durch das Sammeln von Regen und Feuchtigkeit sich neu bilden.
    Wenn man beim Tagebau große Erdmassen bewegt, dann zerstört man direkt diese Produktionsstätten des Frischwassers. Und selbst, wenn der Abbau die Wassergewinnung nicht zerstört, so wird doch sehr viel Wasser verbraucht, wenn große Bergbauunternehmen zu Werke gehen, dann haben sie meistens sehr viel mehr politischen Einfluss als zum Beispiel irgendwelche Kleinbauern oder die Landbevölkerung, sodass ihnen, den Bergbauunternehmen, meist das Wasser zugewiesen wird auf Kosten anderer.

    Schließlich kann Bergbau auch Wasserläufe verschmutzen, auch dann, wenn Unfälle geschehen, führt dies zu Schäden. Und schließlich braucht Bergbau große Mengen an Energie. Oftmals wird dazu fossile Energie, schmutzige Energie verwendet, die die gesamte Gegend dann schädigt, auch durch die Luftverschmutzung. Häufig werden auch Staudämme gebaut. Und diese haben wiederum eine ganz erhebliche Auswirkung auf die Umwelt. Dann, wenn diese künstlichen Seen geschaffen werden und große Flächen Land dadurch zerstört werden.

    Reimer: Im Bereich Energie kommt es dann auch zu gravierenden Versorgungsengpässen mit Energie des Restes der Bevölkerung?

    Monge: Ich würde sagen, in manchen Ländern gibt es diese Energiekonkurrenz. In manchen Gegenden, wie zum Beispiel in Chile, wird bis zu 30 Prozent des Energiebedarfs für diese Rohstoffgewinnung verwendet. Dadurch leiden dann insbesondere im Sommer die Städte. Es wird der Zugang zu Strom für die Armen und für die Mittelschichten eingeschränkt, einfach, um diesen Abbau zu fördern. Daran leidet dann häufig auch die exportorientierte Branche, etwa der Weinanbau, Fisch, Lachs, Obstexporteure – die brauchen ja eine Kühlkette, um ihre Ware frisch zu halten. Sie leiden dann, wenn im Sommer nicht genug Energie da ist, auch die städtische Mittelschicht, die dann zum Beispiel Klimaanlagen betreiben möchte, kommt zu kurz.
    In Peru ist das bisher noch nicht der Fall, es gibt aber bereits für ein neues Abbauprojekt Planungen im Flussgebiet des Amazonas. Dort wird, wie im offiziellen Dokument auch dargelegt, auf Anweisung des Energieministeriums Erdöl gesucht und wird auch angezapft werden im Flussgebiet des Amazonas, und das hat katastrophale Auswirkungen.
    Darüber hinaus gibt es in einigen Fällen neue Großabbauprojekte in Nordperu. Dafür soll, weil bisher keine Energiequelle da ist, ein großes Wasserkraftwerk gebaut werden, das von der lokalen Bevölkerung zurückgewiesen wird. Dafür müssen riesige Landflächen überschwemmt werden. Die sind aber nicht leer, nein, sie gehören den Indianervölkern, die dort verbriefte Rechte und Ansprüche haben.

    Reimer: Deutschland strebt Entwicklungspartnerschaften, Rohstoffpartnerschaften an mit diversen Entwicklungsländern, mit Kasachstan, mit der Mongolei, aber auch mit Chile. Sind solche Partnerschaften ein sinnvoller Weg, um auch den Bergbau in diesen Ländern positiv voranzubringen?

    Monge: Nun, ich habe dieses nicht diskutiert, ich weiß aber, dass im Augenblick Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und der Regierung Perus im Gange sind, über den Abbau von Rohstoffen, über derartige Partnerschaften. Die meisten dieser Vereinbarungen sollen wohl bis Ende Mai unterschriftsfertig sein. Nun, zunächst einmal können wir dazu nichts sagen, denn wir wissen nicht, was die Inhalte dieser Vereinbarungen sind. Normalerweise werden beim Abschluss solcher Freihandelsabkommen und ähnlicher Vereinbarungen die Inhalte offengelegt. Wir haben das in der Vergangenheit ausführlich diskutiert, wir haben oft nicht zugestimmt, aber wir wussten, worüber wir sprachen. Denn es gab Mechanismen zur Verhandlung mit Partnern der Zivilgesellschaft. Das ist jetzt nicht der Fall.
    Zweitens scheint es uns ganz wichtig, dass die Länder, die an Deutschland Rohstoffe liefern, die höchsten Umwelt-, die höchsten Menschenrechts-, die höchsten Sozialstandards einhalten. Wenn also Peru an Deutschland solche Rohstoffe liefert, dann wären wir sehr besorgt, wenn da Druck ausgeübt werden sollte von deutscher Seite in dem Sinne, dass Deutschland sagt, wir brauchen eure Rohstoffe, und dass dann etwas darauf hingewirkt würde, dass die Umwelt-, die Menschenrechts- und die Konsultationsstandards irgendwie aufgeweicht werden sollten. Wir glauben, dass, wenn Peru Rohstoffe liefert, dies stets in Einhaltung der höchsten Menschenrechts-, der Umweltstandards erfolgen sollte, dass Deutschland darauf hinwirken sollte, dass diese Standards auf höchstmöglicher Stufe eingehalten werden und dass Deutschland dann auch technische Hilfe leisten sollte. Das wäre eine Situation, aus der beide großen Nutzen ziehen könnten.

    Reimer: Wie könnten diese Standards dann gesichert werden? Also, es gibt ja auch die Verantwortung der peruanischen Regierung?

    Monge: Die letzte Verantwortung liegt bei der peruanischen Regierung. Aber Peru hat jetzt beispielsweise eine neue politische Grundlinie vorgegeben, wonach Rohstoffgewinnungsprojekte von Umweltauflagen befreit werden sollten, weil man eben diese Rohstoffe so dringend benötige und man sagt, wir setzen uns hinweg über Umweltverträglichkeitsprüfungen, wir brauchen keine Sozialstandards. Man möchte sozusagen auf der Überholspur in diese neuen Projekte einmünden. Wir sagen dagegen, Nein, wir wollen, dass in den Gesprächen zwischen Deutschland und Peru nicht gedrängt wird auf eine möglichst rasche Belieferung unter Hinansetzung aller möglichen Bedenken. Nein, wir sagen, Deutschland sollte mit Peru sich so verständigen, dass man sagt, ja, wir brauchen diese Rohstoffe, aber wir stimmen dem nur zu, wenn auch die Belange der indigenen Bevölkerung berücksichtigt werden, wenn es zu Verhandlungen kommt, wenn die Umweltstandards eingehalten werden. Erst dann, wenn diese Auflagen erfüllt werden, also die Umweltauflagen, die Menschenrechtsstandards und die Interessen der indigenen Bevölkerung, können wir dem auch zustimmen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.