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Montageautomation
Kollege Roboter schaut Menschen über die Schulter

Technik. - Roboter und Menschen – sie arbeiten in der Industrie immer enger zusammen. Das klappt nur, weil Roboter sicherer geworden sind und ihre Bewegung anhalten, wenn Arbeiter ihnen zu nahe kommen. Die Zusammenarbeit funktioniert aber auch deshalb reibungsloser als früher, weil die Maschinen immer besser von den Menschen lernen. Das können die Besucher der Messe "Automatica" in München in dieser Woche erleben.

Von Hellmuth Nordwig | 05.06.2014
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Roboter sind nicht nur für die Fabrikmontage nützlich. (picture-alliance/dpa)
    Tim Bodenmüller steht über einen Werktisch gebeugt und baut eine Aluminiumverstrebung zusammen. Nimmt dazu acht Teile aus einer grünen Plastikkiste und fügt sie aneinander: Profile, Bolzen, Steckverbinder, Schrauben. Eine Kamera ist auf die Werkbank gerichtet und hält das Endergebnis im Bild fest, das auf einem Monitor zu sehen ist.
    "Wenn man sich das jetzt mal in einer Firma vorstellt, dann wäre dieser Arbeitstisch vielleicht in einem Büro von einem Konstrukteur. Die Ausführung dagegen ist natürlich irgendwo in einer Werkshalle. Der Werker wird jetzt sagen – das haben wir auch so realisiert: Lade bitte den Plan. Und dann würde er das bauen. Und zwar nicht durch den Menschen, sondern durch den Roboter."
    Unter der Projektleitung von Tim Bodenmüller haben Wissenschaftler am Deutschen Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt eine Software entwickelt, die das ermöglicht. Sie übersetzt das Bild des fertigen Endprodukts in Bewegungsabläufe für einen Roboter. Dabei wird das endgültige Bauteil in einer Computersimulation rückwärts wieder in seine Einzelteile zerlegt. Schon jetzt registrieren Roboter bei vielen Prozessen in der Industrie, wie sich Menschen bei einer bestimmten Aufgabe bewegen und fahren diesen Ablauf einfach nach. Bei Montageaufgaben ist das schwieriger. Gerade in kleineren Firmen, die aus Kostengründen eher simpel aufgebaute Roboter einsetzen. Zum Beispiel mit nur einem Arm, dessen Greifhand gerade mal über zwei Finger verfügt. Das muss bei der Montageplanung berücksichtigt werden.
    Bodenmüller: "Wenn man sich das bildlich vorstellt: Man nimmt einen Arm auf den Rücken und versucht, nur mit Zeigefinger und Daumen zu greifen. Dann wird die Aufgabe schon erheblich schwieriger. Die Teile zu legen geht noch, aber eine Schraube einzufügen oder einen Nutenstein einzusetzen, wird dann schon sehr schwer. Das heißt, wir müssen dem Roboter gerechte Sequenzen erzeugen. Es gibt natürlich mehr als eine Lösung, und aus diesen Lösungen wählt er eine aus, die er für am besten hält. Wir könnten ihn noch einmal planen lassen, dann würde vielleicht eine einen Tick andere rauskommen, die aber immer noch baubar wäre durch den Roboter. Hier zählt nur das Ergebnis."
    Der Arbeiter gibt also das Endprodukt vor, und eine Software findet heraus, wie es der Roboter selbstständig zusammenbauen kann. Niemand muss die Schritte einzeln programmieren. Was extrem aufwändig ist und wofür in kleineren Unternehmen oft Spezialisten fehlen. Genau diese Lücke sollen die neuen Planungswerkzeuge schließen, sagt Martin Hägele. Er leitet die Abteilung Roboter- und Assistenzsysteme am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik in Stuttgart.
    "Die Montage heute ist weit weniger automatisiert durch Roboter, als es mal vorhergesagt worden war. Einfach weil Montageaufgaben von der Programmierkomplexität außerordentlich fordernd sind. Sie haben immer komplizierte Bewegungen, sehr toleranzbehaftet, müssen Sensoren einsetzen, Feinfühligkeit – das explizit zu programmieren ist unmöglich. Deshalb gehen wir hier vielmehr über eine fähigkeitsbasierte Programmierung."
    Fähigkeitsbasiert bedeutet: Die Software berücksichtigt, welche Aufgaben der Roboter beherrscht. Zum Beispiel Greifen, Drehen, Ablegen, Zusammenstecken, Schrauben – und aus diesen Bewegungselementen stellt das Computerprogramm den gesamten Montagevorgang zusammen. Der Roboter ist dann nicht unbedingt schneller als der Mensch, aber er kann ihn von monotonen Tätigkeiten entlasten, sagt Tim Bodenmüller.
    "Der Roboter wird das immer richtig machen. Wichtig ist hier, dass das Programmieren des Roboters ein Laie machen kann und dass es sehr schnell geht, sodass diese langweiligen Aufgaben von einem Roboter übernommen werden können, der das vielleicht nicht ganz so schnell wie der Mensch macht. Aber er kann es ja auch über Nacht machen, er wird nicht müde. Der Werker muss das einmal programmieren, dann funktioniert das."
    Jedenfalls im Labor des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Ob das auch in der Realität klappt, diesen Beweis müssen die Forscher allerdings erst noch antreten. Gleich nach der Messe soll es soweit sein. Dann soll sich ihr System zum ersten Mal in einem Industrieunternehmen bewähren.