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Mord in Darmstadt
Fromme Eltern gestehen Tötung der Tochter

In Darmstadt haben die Eltern einer getöteten 19-Jährigen den Mord an ihrer Tochter gestanden. Das pakistanische Elternpaar gehört einer streng patriarchalen islamischen Glaubensgemeinschaft an. Laut Staatsanwaltschaft wollte die Tochter einen Mann heiraten, mit dem ihre Eltern nicht einverstanden waren.

Von Ludger Fittkau | 31.01.2015
    Die Polizei sichert am 28.01.2015 in Darmstadt den Fundort der Leiche einer 19-jährigen jungen Frau. Nach dem gewaltsamen Tod der Frau hat die Polizei vier Familienangehörige festgenommen. Dabei handelt es sich um Vater, Mutter, Onkel und Tante des Opfers, wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag mitteilten.
    Am 28.01.2015 sicherte die Polizei in Darmstadt den Fundort der Leiche der 19-Jährigen. Nun haben die Eltern den Mord an ihrer Tochter gestanden. (picture alliance / dpa / Darmstädter Echo/Andre Hirtz)
    Der "Steinbrücker Teich" ist ein beliebtes Naherholungsgebiet am Darmstädter Stadtrand. Gerade im Sommer grillen hier gerne Familien auf einer Wiese am Ufer, auf dem Teich ist man vergnügt im Tretboot unterwegs. Doch nun gibt es auf einem Parkplatz am "Steinbrücker Teich" einen pinkfarbenen Punkt, den die Polizei dort angebracht hat. Weil dort am Mittwoch die Leiche einer 19 Jahre alten Deutschen pakistanischer Herkunft gefunden wurde.
    Jetzt haben die Eltern der jungen Frau den Mord an ihrer Tochter gestanden. Nina Reiniger, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Darmstadt im Hessischen Rundfunk:
    "Sie haben angegeben, dass der Vater die Tochter erwürgt hat. Die Mutter habe aber den Tatplan mitgetragen und dann auch beim Abtransport der Leiche geholfen."
    Den Mord an ihrer Tochter sollen die in Darmstadt lebenden Eltern geplant durchgeführt haben. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist die Tat in der Nacht zum Mittwoch in der elterlichen Wohnung in der Darmstädter Hochhaussiedlung Kranichstein geschehen. Anschließend wurde die Leiche der jungen Frau wohl mit dem Rollstuhl der Großmutter aus dem Haus zu einem Fahrzeug transportiert und letztlich an einer Böschung am späteren Fundort abgelegt – im Ausflugsgebiet nur wenige Kilometer vom Wohnort der Familie entfernt.
    Mitgliedschaft in der islamischen Ahmadiyya-Gemeinschaft relevant für die Tat?
    Der Grund für das Familiendrama: Die 19-Jährige habe beschlossen, einen Mann zu heiraten, mit dem die Eltern nicht einverstanden gewesen seien. Nina Reiniger von der Staatsanwaltschaft Darmstadt:
    "Die Beschuldigten haben sich so eingelassen, dass sie mit der Beziehung der Tochter nicht einverstanden waren, die diese mit dem jungen Mann geführt hat."
    Die Staatsanwaltschaft untersucht nun auch, ob es für die Hintergründe der Tat relevant ist, dass das Opfer wie die gesamte Familie Mitglied der islamischen Ahmadiyya-Gemeinschaft war. Diese in Deutschland rund 30.000 Mitglieder zählende Religionsgemeinschaft weist streng konservative, sektenähnliche Strukturen auf. Nina Reiniger:
    "Unseren Erkenntnissen nach waren die Beschuldigten Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde. Der Freund der Beschuldigten soll ebenfalls Mitglied in dieser Gemeinde gewesen sein."
    Ob es einen Zusammenhang zwischen der Tat und der Religionszugehörigkeit der Beteiligten gibt, sei jedoch noch nicht klar.
    Laut Recherchen des Hessischen Rundfunks sei den Eltern des Opfers der Freund ihrer Tochter jedoch womöglich nicht fromm genug gewesen. Die deutsche Ahmadiyya-Zentrale in Frankfurt am Main soll jedenfalls von dem Konflikt in der Darmstädter Ahmadiyya-Familie gewusst haben. Die Leitung der Gemeinschaft habe zu vermitteln versucht und sei davon ausgegangen, der Konflikt sei gelöst, teilte ein Ahamadiyya-Sprecher dem HR mit. Man sei gegen Zwangsehen und distanziert sich auch deutlich von sogenannten "Ehrenmorden".
    Pakistanische Eltern halten Eheschließung oft für Sache der Familie
    Die Gemeinschaft gilt hierzulande als pazifistisch und ist deswegen auch in Hessen für die Ausbildung von Religionslehrern an staatlichen Schulen zugelassen. Fachleute wie der Theologe Friedmann Eißler von der Zentralstelle für Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche in Deutschland weisen allerdings darauf hin, dass in Schriften von Ahmadiyya ein vormodernes, streng patriarchales Geschlechterverhältnis propagiert werde:
    "Das heißt, dass die Männer als Beschützer der Frauen gelten, wie es im Koran steht und das sie – wenn auch leicht – gezüchtigt werden können, wie es auch im Koran steht. All dieses wird festgehalten und auch in Schriften heute verbreitet."
    Konflikte zwischen traditionell orientierten Ahmadiyya-Familien und ihren in Deutschland aufgewachsenen Kindern entzünden sich laut Insider-Aussagen häufig an den Heiratswünschen. Pakistanische Eltern kämen mit der althergebrachten Überzeugung hierher, Eheschließung sei eine Sache der Familie. Wenn Kinder ihrem Liebeswunsch folgten und sich ihren Partner selbst aussuchten, entstünden schwere Konflikte.
    Ein solcher Konflikt könnte jetzt ein grausames Ende gefunden haben. Mit einem pinkfarbenen Punkt auf einem Parkplatz im Darmstädter Erholungsgebiet "Steinbrücker Teich".