Aus den Feuilletons

Wie umgehen mit den Außerirdischen?

04:08 Minuten
Drei als Außerirdische Verkleidete mit grüngeschminkten Gesichtern und aufgeklebten Fühlern stehen in silbernen A^nzügen vor einem UFO.
Können wir lernen, das Andere in seiner Andersheit zu respektieren? fragt Jens Jessen in der "Zeit". © IMAGO / Future Image / T.Skupin
Von Hans von Trotha · 01.06.2021
Audio herunterladen
Ufos gibt es wirklich - sagen zumindest Barack Obama und das US-Militär. Spätestens jetzt sollten wir über unser Verhalten gegenüber Aliens nachdenken, meint Jens Jessen in der „Zeit“. Auch, um unseren allgemeinen Umgang mit Andersartigkeit zu prüfen.
Was heißt eigentlich: anders? Die gesellschaftlichen Debatten der letzten Jahre führen allmählich zu mehr Sensibilität im Umgang mit ausgegrenzten Mitgliedern der verschiedenen Gesellschaften auf dieser Erde und darüber hinaus, wie wir gleich sehen werden.
Und doch gibt es da immer noch dieses tief sitzende Bedürfnis, dass alle doch irgendwie gleich sein sollten. Nicht, dass sie gleich behandelt werden, schön wär's, sondern dass sie möglichst nicht das sind, was man anders zu nennen immer noch gewohnt ist.

Abweichungen von der Norm werden nicht geduldet

In der SÜDDEUTSCHEN geht Alex Rühle der Frage nach, was es für Menschen mit Downsyndrom heißt, dass Trisomie-21-Früherkennung bald von den Kassen bezahlt wird. Er zitiert Tina Sander vom Inklusionsverein Mittendrin e. V. mit der Beobachtung:
"Das Downsyndrom eignet sich als Projektionsfläche für alle Ängste, die eine Schwangere haben kann. Der Bluttest erscheint dann als Allheilmittel dagegen, als Garantie auf ein gesundes Kind und eine sorgenfreie Schwangerschaft, auch wenn das natürlich Quatsch ist".
Die Philosophin Sigrid Graumann kommt mit der Befürchtung zu Wort: "Zahlt das die Kasse, geht davon die Botschaft aus: Wir können ein niedrigschwelliges Angebot machen und damit angeblich garantieren, dass kein behindertes Kind geboren wird".
Die Schauspielerin Luisa Wöllisch, die selbst das Downsyndrom hat, fragt: "Ich bin ja da. Und mit so einem Test gäb’s mich nicht." Sie schiebt die Frage nach: "Bin ich krank, weil ich anders bin?" Und: "Würde man dasselbe über Schwule sagen? Weg damit? Über Mädchen?"
Zu Wort kommt auch Andreas Lob-Hüdepohl, Professor für theologische Ethik. Der, schreibt Alex Rühle, "attestiert uns als Gesellschaft ein Problem mit dem Normalitätsverständnis. Jede Abweichung werde als 'Minusvariante eines vollgültigen, gelingenden Lebens' gesehen und damit 'fundamental abgewertet'."
Und Harald Wolff, Vater einer Tochter mit Trisomie, meint: "Bei vielen marginalisierten Gruppen entsteht ein neuer gesellschaftlicher Konsens, dass Diskriminierung nicht mehr hinnehmbar ist, aber Menschen mit Behinderungen zählen da nicht dazu. Sie werden grundsätzlich ver-andert."

Obama bestätigt Existenz von Ufos

Über Ausgrenzung einer ganz anderen, sozusagen der dritten Art, denkt Jens Jessen in der ZEIT nach, und zwar als Kommentar zu einer Art Selbstausgrenzung, die darin besteht, dass der Schriftsteller Clemens J. Setz daneben in einem langen ZEIT-Essay davon erzählt, dass er "seit seiner Kindheit" an Ufos glaubt. "Jetzt", macht es die ZEIT sehr kurz, "bestätigen sogar Barack Obama und das US-Militär ihre Existenz".
Setz meint: "Es ist logischerweise eine der bedeutsamsten Offenbarungen der jüngeren Geschichte. Und zugleich eine totale Non-Information. Als man noch Verschwörungstheoretiker sein musste, um es zu glauben, war alles schön und gut. Aber jetzt, wo man die Tatsache auch in der Schule lernen könnte, ja, was jetzt? Alle staunen nur, in einer kuriosen Komödie der Unbeeindruckbarkeit, über die eigene Unfähigkeit zu staunen."
Jens Jessen hat schon ausgestaunt und denkt weiter. Er findet: "Wir müssen den Umgang mit Außerirdischen dekolonisieren". "Jetzt mal Spaß beiseite", beginnt er seine Überlegung, die als allgemeine Argumentationsanleitung gelesen werden will:
"Was ist eigentlich der politisch korrekte Umgang mit Außerirdischen? Solange man stillschweigend davon ausgehen konnte, dass es sie in Wahrheit nicht gibt, konnte man ihnen natürlich mühelos allerlei nachsagen – meistens Negatives. Aber jetzt?"

Das A-Wort verbannen

Jessen entlarvt jedes die Außerirdischen betreffende Gedankenspiel als "versteckt rassistisch, insofern es den Außerirdischen menschliche Psychologie und menschliche Verhaltensweisen andichtet. Können wir also jetzt endlich lernen, das andere in seiner Andersheit zu respektieren?", fragt er, "Diversität vollumfänglich, bis ins unausdenkbar Diverse hinein zu akzeptieren? Nachdem es halbwegs gelungen ist, das N-Wort zu vertreiben, sollte spätestens jetzt das A-Wort (Aliens, Außerirdische und so weiter) verbannt werden."
Übrigens: Während Alex Rühle für die SÜDDEUTSCHE mit Luisa Wöhlisch sprach, fieberte die dem Finale von Germany’s Next Topmodel entgegen, in der Hoffnung, Alex, die erste Transsexuelle, die es ins Finale geschafft hat, möge gewinnen. Und so kam es ja auch. Und so kann Alex Rühle seinen Beitrag mit einem wirklich schönen Zitat von Alex schließen, das dann doch wieder ein bisschen Hoffnung macht, nämlich:
"Anderssein ist viel gewöhnlicher, als wir uns oft eingestehen."
Mehr zum Thema