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Morgenbachtal
Zu Besuch in einem verwüsteten Tal

Ein sanftes stilles Bachtal, über dem schroffe Quarzitfelsen thronen: klingt idyllisch. Doch der Morgenbach und das dazu gehörige Tal im Binger Wald in Rheinland-Pfalz sind teilweise Opfer des Klimawandels geworden.

Von Anke Petermann | 13.05.2019
Sonne scheint durch einen Kiefernast, dahinter der Blick in ein Tal
Bedrohte Idylle: Morgenbachtal (Deutschlandradio/Anke Petermann)
Wer die Bedrohung des Morgenbachtals und der anderen idyllischen Seitentäler des Oberen Mittelrheins bei Bingen verstehen will, muss sich die Trockenschäden im Wald auf der Höhe anschauen, findet Axel Henke. Und genau das tut der Leiter des Forstamts Boppard und Waldbau-Dozent gemeinsam mit Umwelt- und Klimaschutz-Studierenden. Die künftigen Wald-Klimabotschafter der TH Bingen führt Henke von einem Laubwald zu einer sogenannten Windwurf-Fläche, auf der ein Sturm ausgetrocknete Fichten flachgelegt hat.
"So, was meint ihr, wie ist so euer Empfinden im Vergleich Eichen-Buchen-Bestand hier zu der Kahlfläche." - "Direkte Sonneneinstrahlung" - "Ja. Was noch?" – "Alles kaputt." – "Im Wald, das habt ihr ja auch gesagt, haben wir deutlich mehr Luftfeuchtigkeit, es ist angenehmer zu atmen, hier haben wir mehr Klimaextreme, aber wenn's kalt ist, ist es hier kälter als im Wald, weil der Wald dann wieder die Wärme bindet. Es ist im Wald ausgeglichener."
Das Mikro-Klima meint Henke. Aber nicht nur binnenklimatisch wirkt der Wald ausgleichend.
"Ganz wichtig für das Rheintal ist der Erosionsschutz, also Wasser-Erosion. Bei den vermehrt auftretenden Starkregen aufgrund des Klimawandels ist es wichtig, dass der Wald einen Rückhalt bietet für den Boden, und die Durchwurzelung des Waldes hilft dagegen, dass der Boden abgetragen wird. Die zweite wichtige Funktion hier in den Tälern ist der Wasser-Rückhalt. Dass man bei Regen-Ereignissen viel Wasser zurückhält, bevor es in die Flüsse und Bäche gerät und zu Überschwemmungen führt."
Stützmauern werden unterspült und sacken weg
Beim Starkregen von 2016 versagte der Erosionsschutz. Ein Vorgeschmack auf das, was häufiger werden könnte, wenn ein angeschlagener Wald seine Schutzfunktion nicht mehr erfüllt? Der Premiumwanderweg überm Morgenbach-Ufer sackte samt Stützmauer auf weiten Abschnitten weg – unterspült. Flachwurzelnde Fichten stürzten um oder neigen sich immer noch bedrohlich über den zerstörten und gesperrten Pfad.
"Für die überregionalen Verbindungen des Rheinburgenweges ist das natürlich eine Katastrophe, dass man den idyllischsten Teil des Morgenbachtals nicht begehen kann",
…bedauert Thomas Merz, Natur- und Landschaftsführer im Nebenberuf.
Sperrungen: Gut für die Natur, schlecht für Wanderer
Langwierige Gutachten und die Tatsache, dass Wege in Handarbeit wieder hergerichtet werden müssen, weil schweres Gerät nicht in das Bachtal gelangt, führten zur langjährigen Sperrung über die mittlerweile vierte Wander-Saison. Als studierter Biologe sieht Merz allerdings auch diesen Aspekt der absoluten Ruhe im unteren Morgenbachtal:
"Da der gesperrte Weg auch in der Nähe des Gewässers verläuft, kommt das auch den Tieren zugute, die am Gewässer zuhause sind, wie Eisvogel oder Wasseramsel, die werden jetzt ein bisschen weniger Störung haben als in üblichen Zeiten, wenn viele Leute unterwegs sind. Andererseits ist es auch so, dass auch bei normalem Besucherverkehr im Morgenbachtal diese Vogelarten trotzdem dort brüten können."
Die 500 Meter Höhenunterschied auf 2,5 Kilometern Distanz zwischen Binger Loch und Franzosenkopf lassen das Gelände rund ums Morgenbachtal geradezu alpin wirken. Aber:
"Das Morgenbachtal ist keine Klamm, weil es breiter ist als die klassischen Klammtäler, die diesen alpinen Charakter vermitteln, wie beispielsweise die benachbarte Kreuzbachklamm. Das Morgenbachtal ist sanfter, die Hänge sind nicht ganz so steil, aber es gibt in diesen Hängen auch spektakuläre Felsen. Es gibt Kletterfelsen bei Trechtingshausen im Morgenbachtal, es gibt große Blocksteinhalden."
Sogenannte Rossel-Halden mit Taunusquarzit. Der Name stammt vom gegenüberliegenden rechtsrheinischen Höhenzug mit denselben eiszeitlichen Gesteinsformationen.
"Diese Blockhalden sind auch noch immer in Bewegung, deshalb können sich da keine Bäume ansiedeln. Deswegen sind die großen 'Rosseln', wie man in unserer Landschaft sagt, natürlicherweise waldfreie Standorte."
Oft noch ein Geheimtipp
Verschiedenste Biotope auf engstem Raum. Kennen die künftigen Waldklima-Botschafter die Seitentäler am Mittelrhein? Kopfschütteln beim Nachwuchs:
"Das Mittelrheintal ja, aber…"- "Das Morgenbachtal nicht." – "Nein" – "Also man kennt es vom Hören, aber ich war da schon ewig nicht mehr da",
…sagen Studentierende der TH Bingen. Frisches Quellwasser, jahrhunderte-alte Eichen-Niederwälder, trockenheiße Kiefern-Haine am Hang und bizarre Felsformationen – teilweise noch ein Geheim-Tipp.