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Moscheen in Deutschland
Fromm, unauffällig - und gefährlich?

Rund fünf Millionen Menschen bekennen sich in Deutschland zum Islam. Diese Zahl ist bekannt. Nicht genau bekannt ist hingegen, wie viele Moscheen es hierzulande überhaupt gibt. Und auch die Frage, wie sich Moscheegemeinden in Deutschland finanzieren, ist nicht einfach zu klären. Klar ist nur: Rund 90 Moscheen werden vom Verfassungsschutz beobachtet.

Von Ulrich Pick | 03.08.2016
    Ein Muslim betet am 26.05.2015 im Gebetsraum der DiTiB-Moschee in Stuttgart
    Wie viele der mittlerweile rund fünf Millionen Muslime in Deutschland regelmäßig Moscheen besuchen, ist unbekannt. (dpa / picture alliance / Daniel Naupold)
    Die Mainzer Al-Nur-Moschee. Im ersten Stock haben sich 28 Männer zum Abendgebet versammelt. Die meisten von ihnen stammen aus Syrien und kommen nicht nur zum Beten in das islamische Gotteshaus. Denn sie besuchen hier auch einen Deutschkurs. Für Samy el Hagrasy, den Leiter des Moscheevereins, ist das selbstverständlich. Eine Moschee, sagt er, sei schließlich für alle Bereiche des Lebens zuständig:
    "Wenn sie bei uns sind und ein Familienproblem haben. Dann wollen Sie auch mit jemandem sprechen, der ihre Kultur kennt und ihnen weiterhelfen kann."
    Die Al-Nur-Moschee ist eines von elf islamischen Gotteshäusern in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt. Sie sieht aus wie ein mehrstöckiges Wohnhaus und ist damit unauffällig. So wie die meisten Moscheen hierzulande. Dies dürfte wohl auch der wichtigste Grund sein, weshalb niemand genau weiß, wie viele Moscheen es überhaupt in Deutschland gibt. Im Grunde, sagt die Göttinger Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus, verfüge man nur über einen Annäherungswert:
    "Es gibt eine Schätzung, und zwar basiert die darauf, zusammenzurechnen wie viele Ortsgemeinden, die bestehenden großen islamischen Zusammenschlüsse und Dachverbände haben. So kommt man auf geschätzte 2.600 Moscheegemeinden in Deutschland. Es gibt an die 150 gebaute, sozusagen repräsentative Moscheen, die vielleicht dann auch mal eine Kuppel oder ein Minarett haben. Die meisten Moscheegemeinden sind Räumlichkeiten, die umfunktioniert wurden."
    Ein Mann betet am 11.09.2015 in der Mevlana Moschee in Hamburg während des Freitagsgebets.
    Freitagsgebet in Mevlana Moschee in Hamburg (dpa / picture alliance / Daniel Reinhardt)
    Wie viele der mittlerweile rund fünf Millionen Muslime in Deutschland regelmäßig die 2.600 Moscheen besuchen, ist unbekannt. Eine ungefähre Angabe bekomme man jedoch, sagt Riem Spielhaus, wenn man sich die Mitgliederlisten der organisierten Moscheevereine anschaue. Denn die islamischen Verbände organisieren in der Regel das Gemeindeleben in den hiesigen Moscheen.
    "Es gibt eine Befragung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, das ist 'Das muslimische Leben in Deutschland'. In dieser Studie sind es um die 15 bis 20 Prozent der geschätzten Anzahl der Muslime in Deutschland, die sich einem Verband verbunden fühlen oder durch ihn vertreten fühlen."
    Ob der angegebene Prozentsatz wirklich den Anteil derjenigen Muslime wiedergibt, die regelmäßig die Moscheen besuchen, ist jedoch umstritten. Anders nämlich als bei den christlichen Kirchen, könne von der Mitgliedschaft in einem islamischen Verband nicht unmittelbar auf den Moscheebesuch geschlossen werden, erklärt Hamideh Mohaghighi, islamische Theologin an der Universität Paderborn:
    "Es gibt Mitglieder, es gibt aber auch viele Muslime, die nicht Mitglieder sind und trotzdem in diese Moscheen reingehen. Deswegen ist es dann wirklich mit den Zahlen zu zeigen, ist es schwierig."
    Wer repräsentiert die Muslime in Deutschland?
    Die Frage, wie viele Muslime wirklich regelmäßig in die deutschen Moscheen gehen, muss also offenbleiben. Und auch die Frage nach der Rolle der islamischen Verbände, die in der Regel das Gemeindeleben organisieren, ist nicht einfach zu beantworten. Zwar geben sie sich selbst immer wieder als die offiziellen Repräsentanten aller Muslime in Deutschland aus. Dieser Anspruch aber, sagt Susanne Schröter, die Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums "Globaler Islam", sei unangemessen:
    "Die Verbände versuchen einen glauben zu machen, dass sie diejenigen sind, die die Muslime in Deutschland repräsentieren. Versuchen sich als Sprachrohr der Muslime der Politik auch anzubieten. Zum Teil mit gutem Erfolg, muss ich sagen. Aber, die Sache ist eben die, dass sie nur einen kleinen Teil aller in Deutschland lebenden Muslime tatsächlich vertreten können, weil die Mehrheit der Muslime gar nicht organisiert ist. Sie sind gar nicht Teil eines Verbandes oder auch nicht einer Moscheegemeinde."

    Diese Einschätzung teilt auch die islamische Theologin Hamideh Mohaghighi. Die Muslime in Deutschland würden durch die islamischen Verbände nur bedingt repräsentiert.
    "Es ist einfach so, dass die Mehrheit der Muslime sich jetzt nicht vertreten fühlt. Weil sie auch nicht direkten Kontakt mit den Verbänden hat."
    Die DITIB Markez Camii-Moschee, eine Gebetsstätte der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, in Duisburg (Nordrhein-Westfalen) im Stadtteil Marxloh
    Es gibt an die 150 repräsentative Moscheen in Deutschland. Hier die DITIB Markez Camii-Moschee in Duisburg (Nordrhein-Westfalen) im Stadtteil Marxloh. (dpa / picture alliance / Horst Ossinger)
    Frage nach der Finanzierung der Moscheen
    Gleichwohl spielen die Verbände eine Schlüsselrolle im deutschen Islam. Denn über sie läuft auch die Finanzierung der Moscheen. Wie diese konkret vonstattengeht, ist in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Denn Fragen nach ihrem Vermögen und dessen Herkunft, weiß Susanne Schröter, sind unter führenden Muslimen hierzulande ein Tabu:
    "Verbände und Moscheegemeinden, die tun natürlich einen Teufel, das offenzulegen. Sie können jetzt nicht in eine Moscheegemeinschaft gehen oder in einen Verband und sagen: 'Jetzt erzählen Sie mir doch mal bitte, von wem Ihre Finanzen kommen'. Die Antwort wird immer sein: 'Spenden!' Spenden aus den Reihen der eigenen Mitglieder. Und das ist ein Feld, über das nicht gerne geredet wird."
    Da die meisten Muslime hierzulande eher als finanzschwach gelten, wird deshalb vermutet, dass ein Großteil des Geldes, mit dem die deutschen Moscheen unterhalten werden, aus dem Ausland kommt. Dies trifft vor allem für den größten islamischen Dachverband in Deutschland zu, die DITIB. Sie ist der deutsche Arm des türkischen Religionsministeriums. Die Imame ihrer knapp 1.000 Moscheen sind türkische Staatsbeamte, die von Ankara entsandt und bezahlt werden. Sie vertreten einen staatsoffiziellen türkischen Islam und kommen in der Regel für fünf Jahre nach Deutschland. Für Moscheen, die unter dem Dach der DITIB organisiert sind, ist der Entsendedienst des türkischen Religionsministeriums ein großer Vorteil. Denn ohne ihn, sagt Bekir Alboga, der Integrationsbeauftragte der DITIB, hätten sie erhebliche Finanzprobleme:
    "Die größte finanzielle Hilfe für uns ist natürlich, dass die Imame, die aus der Türkei hierher entsandt werden, uns nichts kosten. Das ist eine enorme Erleichterung. Stellen Sie sich mal vor, Sie würden einen Imam so brutto 5.000, 6.000 monatlich honorieren. 1.000 Imame, das ist eine enorme Summe, viele unserer Moscheegemeinden wären finanziell an ihren Grenzen."
    DITIB-Imane sind türkische Staatsbeamte
    Ob es außer der DITIB noch andere islamische Verbände und Moscheevereine gibt, die regelmäßig Geld aus dem Ausland bekommen, ist schwer zu sagen. Denn bislang gibt es hierüber nur wenige Informationen - zumal dieses Thema bislang in der deutschen Öffentlichkeit kaum diskutiert wurde. Folglich könne sie, sagt Hamideh Mohaghighi, nur ungefähre Angaben machen:
    "Ditib-Imame kommen ja aus der Türkei, sie werden von dort bezahlt. Das ist einmal das. Dann gibt es einzelne Moscheen, die dann durchaus von Saudi-Arabien scheinbar finanziert werden. Weil, das sind ja kleine muslimische Gruppierungen, die dann auf einmal eine Moschee haben, wenn sie auch Anhänger dieser Ideologie sind. Dass sie dann durchaus finanziert werden. Einzelne iranische Moscheen, die hier sind, die bekommen natürlich auch ihre Gehälter, ihr Geld aus dem Iran."
    Sie sehen Muslime, die gemeinsam in einer Moschee beten.
    Muslime beten im Gebetsraum der DiTiB-Moschee in Stuttgart (picture-alliance / dpa / Daniel Naupold)
    Auch wenn etliche Details der externen Finanzhilfen für deutsche Moscheen noch unbekannt sind – ein wichtiger Aspekt dieses Themas gibt bereits jetzt Anlass zur Sorge: Das Geld dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach Abhängigkeiten vom Ausland schaffen und damit eine gute Integration von Muslimen in Deutschland untergraben. Denn zusammen mit den Spenden fließt auch eine bestimmte politische Ideologie in die hiesigen Moscheen. So ist bekannt, dass salafistische Gruppen oft aus Saudi-Arabien unterstützt werden. Das Königreich gilt auch als die geistige Heimat der Terrorgruppe Islamischer Staat. Entsprechend betont Riem Spielhaus:
    "Wenn regelmäßig Geld fließt und die Moscheearbeit abhängig ist von diesem Geld aus dem Ausland, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass da auch Anforderungen mit verbunden werden."
    Finanzierung aus dem Ausland unterbinden - und dann?
    Dass diese Sorge nicht unbegründet ist, zeigt sich bei der DITIB: Das türkische Religionsministerium als Geldgeber kann bis in die Personalstruktur hiesiger Moscheegemeinden hinein mitbestimmen und Vorgaben machen. So ist es wiederholt geschehen, dass dort Türkei-kritische Personen ohne Angaben von Gründen von ihren Aufgaben entbunden wurden: Kein Wunder, dass der Ruf, den ausländischen Geldfluss für deutsche Moscheen zu stoppen, immer lauter wird. Allerdings: Das Verbot alleine dürfte nur wenig helfen. Um das Problem wirklich nachhaltig zu lösen, bedarf es nämlich gleichzeitig einer Antwort darauf, wie sich die betroffenen Moscheen stattdessen finanzieren könnten, sagt Susanne Schröter:
    "Sicherlich wäre eine Möglichkeit, dass ähnlich wie bei den Kirchen unser Staat eben auch da Steuern erhebt. Man müsste Moscheen wahrscheinlich auch bezuschussen, weil die Mitglieder oft deutlich ärmer sind als die Mitglieder in Kirchen. Also, man müsste sich sicherlich Gedanken machen, wie diese Moscheen finanziert werden."
    Auch für Hamideh Mohaghighi ist ein Verbot der Auslandsfinanzierung deutscher Moscheen alleine zu wenig. Zwar sei dieses Thema ausgesprochen wichtig und müsse angegangen werden, aber:
    "Das ändert sich nur, wenn die Moscheegemeinden finanzielle Mittel dazu haben, sich selbst hier zu organisieren. Daher muss man vielleicht erst daran arbeiten, als zu sagen: "Das verbieten wir alles." Das wird nicht funktionieren, sondern arbeiten daran: Wir erkennen die Muslime als Religionsgemeinschaft an. Machen wir sie zur Körperschaft des Öffentlichen Rechtes. Und dann haben sie auch die Möglichkeit, hier Gelder zu haben und sich selbst hier zu finanzieren."

    Ob eine pauschale Anerkennung sämtlicher islamischer Verbände als Körperschaft des Öffentlichen Rechtes machbar und gewollt ist, muss letztlich politisch entschieden werden. Gleichwohl könnte der Gedanke einer Eigenfinanzierung der Moscheen – auch mit Hilfe öffentlicher Mittel – grade unter dem Aspekt der Integration ein erwägenswerter Ansatz sein. Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, stimmt ihm jedenfalls zu:
    "Wer "a" sagt, muss auch "b" sagen. Wenn man sagt, okay wir wollen dieses System so nicht mehr haben - und da gibt es durchaus Gründe dafür, das zu sagen - dann müssen wir uns auch die Frage gefallen lassen: Wie finanzieren wir die? Wie organisieren wir das hier in diesem Land? Und da ist der Zentralrat gerne bereit mitzumachen."
    In der Aachener Bilal Moschee hat Aiman Mazyek seine religiösen Wurzeln.
    In der Aachener Bilal Moschee hat Aiman Mazyek seine religiösen Wurzeln. (Deutschlandradio / Nicolas Hansen)
    CSU fordert Deutsch als Pflichtsprache in den Moscheen
    In diesem Zusammenhang kam aus den Reihen der CSU die Forderung, in deutschen Moscheen müsse auch auf Deutsch gepredigt werden. Denn dadurch, so heißt es, könnten interne Entwicklungen besser kontrolliert und ein möglicher Extremismus unterbunden werden. Hamideh Mohaghighi schüttelt über diesen Appell nur den Kopf. Allein aus theologischen Gründen, sagt sie, sei beispielsweise ein Verbot von Arabisch in der Moschee nicht durchzusetzen:
    "Das finde ich Unsinn. Erstens: Arabisch kann man gar nicht verbieten. Ganze Gebete sind in Arabisch. Das ist die spirituelle Sprache aller Muslime. Und auch in anderen Sprachen. Warum soll es nicht sein, dass ein Mensch sich in zwei Sprachen zu Hause fühlt?"

    Hinzu kommt ein zweites Problem: Wer Deutsch als Pflichtsprache in Moscheen türkisch- oder arabisch-stämmiger Muslime verordnet, muss sich gleichzeitig fragen lassen, wie er es mit den Kirchen italienisch- oder griechisch-stämmiger Christen und den Synagogen russisch-stämmiger Juden halten will. Hier gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung. Zudem weist Riem Spielhaus daraufhin, dass eine Deutsch-Pflicht in islamischen Gotteshäusern keineswegs Schutz vor Extremismus bietet:
    "Ich glaube nicht, dass das wirklich hilfreich ist. Im salafistischen Feld, finde ich, dass die problematischsten Predigten nicht unbedingt in arabischer Sprache, sondern gerade auch auf deutscher Sprache laufen. Wir haben da ja eine ganze Reihe von Konvertiten auch, die unterwegs sind und kein Blatt vor den Mund nehmen, auch wenn sie Deutsch sprechen. Also, deutsche Sprache hilft auch nicht unbedingt vor Extremismus."
    Laut Verfassungsschutz werden derzeit bundesweit 90 Moscheen als extremistisch eingestuft und observiert. Die meisten von ihnen sind nach Angaben von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen arabisch-sprachige Moscheen.
    Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und die Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, Dilek Kolat (beide SPD, l) besuchen am 18.08.2015 in Berlin die Sehitlik Moschee und nehmen an der Eröffnung der Beratungsstelle Bahira teil.
    Die Moscheen in Deutschland soll nach dem Willen von Bundesfamilienministerin Schwesig (SPD) junge Muslime stärker vor dem Einfluss von Salafisten schützen. (picture alliance/dpa/Wolfgang Kumm)
    Viele junge Muslime betrachten Deutschland als ihr Zuhause
    Vor allem unter jungen Muslimen scheint sich Deutsch als Sprache durchzusetzen. Denn im Gegensatz zu ihren Eltern betrachten sie Deutschland immer öfter als ihr Zuhause und wünschen, dass sich diese Sicht auch in hiesigen Moscheen widerspiegelt:
    "Aus den Gemeinden höre ich immer mehr, dass es durchaus Kritik gibt von der zweiten, dritten Generation. Die wünschten sich eigentlich, hier aufgewachsene, hier sozialisierte und deutsch sprechende Imame, und sind dadurch kritisch gegenüber dieser Entsendung aus der Türkei."
    Diese Position vertritt auch Nushin Atmaca, die Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes. Sie verweist darauf, dass gerade Imame, die die Lebensverhältnisse in Deutschland kennen und hier aufgewachsen sind, zur besseren Integration von Muslimen beitragen könnten:
    "Neben der Frage der Finanzen ist die Frage dessen, was inhaltlich in Moscheen gepredigt und vermittelt wird, viel relevanter. Und es ist sehr viel wichtiger, darauf zu schauen, welches Gedankengut oder welche Spielarten des Islam dort vertreten werden. Ich denke, es ist wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, weil es letztlich ja auch darum geht – auch für uns Muslime - wie sich unsere Religion weiterentwickelt und welche Strömungen, über Deutungshoheit verfügen."
    Bislang lag die Deutungshoheit des deutschen Islams in den Händen der Verbände, die in der Regel ihre Imame aus dem Ausland holten. Seit 2010 gibt es Alternativen. Denn an mehreren deutschen Universitäten wird seitdem der Studiengang "Islamische Theologie" angeboten, so dass sich angehende Imame auch hierzulande und in deutscher Sprache ausbilden lassen können. Für Susanne Schröter ist dies ein großer Vorteil, der genutzt werden sollte:
    "Man sollte schauen, dass die Imame in den Moscheen tatsächlich im Land ausgebildet werden. Wir haben islamische Theologien an unseren Hochschulen. Und die produzieren Absolventen, die durchaus in der Lage wären, auch in den Moscheen Funktionen auszuüben. Dass muss man aber wollen."
    Die Vertreter der islamischen Verbände allerdings beobachteten diese Entwicklung mit Argwohn, sagt Susanne Schröter. Und sie verweist auf den Fall des islamischen Theologieprofessors Mouhanadaus Khorchide aus Münster, der wegen seiner weltoffenen Haltung über lange Zeit von Vertretern der Verbände bekämpft wurde.
    "Das ist nicht gewollt, dass jemand tatsächlich ihnen die Deutungshoheit über den Islam abspenstig macht. Dass hier andere Deutungen an den Universitäten entstehen, liberale Deutungen. Und solche liberalen Deutungen, die auch noch wissenschaftlich fundiert sind. Das ist ja eine Bedrohung. Wenn man vorher die einzigen Instanzen war, die den Islam interpretiert haben, dann ist das natürlich für solche Verbandsvertreter nicht gerade eine Freude."
    Die Verbände haben jedoch nach wie vor Einfluss. Denn sie stellen die Vertreter einiger Beiräte, die die Lehrstühle für islamische Theologie fachlich beaufsichtigen. Die islamische Theologin Hamideh Mohaghighi sieht darin nicht unbedingt einen Nachteil. Wichtig sei allerdings, dass die Freiheit der Wissenschaft nicht angetastet werde:
    "Wenn jemand sagt, ich glaube nicht an Gott, und sagt, ich mache islamische Theologie, ist klar, dass es nicht möglich ist. Aber es muss dann im bestehenden Rahmen, wo man an Glaubensgrundprinzipien festhält, doch die Möglichkeit geben, frei zu forschen. Und es muss nicht so sein, dass die Theologinnen und Theologen daran gehindert werden, wirklich eine islamische Theologie zu entwickeln, die wirklich auf Denken, auf Reflektieren, auf Vernunftbasis arbeitet und nur gucken muss, was darf ich und was darf ich nicht."
    Mouhanad Khorchide, Leiter Zentrum für Islamische Theologie Münster, vor dem Schloss.
    Mouhanad Khorchide hat für seine historisch-kritische Koranexegese viel Kritik geerntet - und wurde bedroht. (Rolf Vennenbernd / picture alliance / dpa)
    Vom Beispiel Österreich lernen?
    Um Lösungen für die Problemfelder "Imamausbildung" und "Moscheenfinanzierung" zu finden, könnte ein Blick nach Österreich lohnen. Denn dort wurde – nach ähnlichen Diskussionen wie in Deutschland – im vergangenen Jahr ein neues "Islamgesetz" verabschiedet. Es regelt zweierlei: Erstens müssen die Moscheevereine und islamischen Verbände das Geld für die religiöse Arbeit ausschließlich im Inland aufbringen. Zweitens dürfen seit Mitte dieses Jahres keine Imame mehr tätig sein, die aus dem Ausland kommen. Von Seiten der Verbände in Deutschland war schon frühzeitig Kritik am österreichischen Islamgesetz zu hören. So betonte der Dialogbeauftragte der DITIB, Bekir Alboga, dass eine ähnliche Regelung für Deutschland ungeeignet sei:
    "Wenn Sie jetzt Imame, die ein gemäßigtes Wissen über den Islam verbreiten, nicht zulassen, dass sie in Deutschland arbeiten, dann entsteht ein großes Vakuum: Wer soll dieses Vakuum füllen? Dann ist sozusagen Tür und Tor geöffnet für radikale Prediger, und das muss man sich gut überlegen, ob man das machen möchte."
    Dass die Alternative zu staatlich entsendeten Imamen aus der Türkei keineswegs einzig und allein radikale Prediger sind, dürften die Vertreter des türkischen Religionsministeriums in Deutschland eigentlich wissen. Sie dürften allerdings auch wissen, dass auf ihre Personalpolitik schwerwiegende Änderungen zukämen, falls in Deutschland ähnliche Vorgaben gelten würden, wie sie das neue Islamgesetz für Österreich vorsieht. Da die islamischen Verbände aber nach wie vor eine tragende Rolle für das hiesige Gemeindeleben der Moscheen spielen – über sie werden nämlich in der Regel die Imame eingestellt und gezahlt – versuchen sie, diese Position so gut es geht zu nutzen. So gibt es bislang an hiesigen Moscheen kaum einen Imam, der in Deutschland studiert hat. Dass die Verbände lieber Vorbeter aus den Herkunftsländern der Muslime einstellen, hat für Hamideh Mohaghighi eindeutige Gründe:
    "Es besteht noch die Angst davor, wenn man sich zu viel als Deutsche versteht, dann automatisch verliert man eigene Glaubensprinzipien. Dann assimiliert man sich in eine Form, die dann der Anlass dafür ist, dass man nicht mehr den eigenen Glauben erst nimmt."
    Politik muss sich mehr mit dem Islam in Deutschland beschäftigen
    Ängste scheint es allerdings nicht nur bei den Moscheevereinen und islamischen Verbänden zu geben, sondern auch in weiten Teilen der deutschen Politik. Anders könne sie es nämlich sich nicht erklären, sagt Susanne Schröter, warum so wenige Mandatsträger in Bund, Ländern und Gemeinden sich ernsthaft mit dem Islam in Deutschland beschäftigten. Für eine gedeihliche Zukunft hiesiger Moscheen sei dies aber unverzichtbar.
    "Ich glaube, vielen Politikern ist der Islam grundsätzlich etwas Fremdes und etwas So-Fremdes, dass sie sich schon fast weigern, sich damit auseinanderzusetzen. Und glauben, wenn man da jetzt nicht drüber redet, dann wird das sich irgendwie so organisieren, wie sich auch das Christentum organisiert hat. Das heißt: Die Muslime werden irgendwie so was wie eine Kirche jetzt gründen, und da hat man dann Ansprechpersonen. Aber realisieren nicht, dass der Islam sehr heterogen ist. Und dass das alles auch etwas Politisches hat."