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Moskau - das "dritte Rom"

Moskau im Mittelalter: von den Tataren beherrscht, die Lebensverhältnisse primitiv, die Sitten und Gebräuche roh. Grausame Straf- und Foltermethoden sind an der Tagesordnung. 1462 kommt Iwan der Dritte an die Macht, er bringt italienische Baumeister in die Stadt. Moskau entwickelt sich zum Zentrum des russischen Reiches und der Kreml zur Residenz der Zaren. Iwan der Große, wie er später genannt wird, gilt bis heute als einer der bedeutendsten Staatsmänner der russischen Geschichte.

Von Wolf-Sören Treusch | 27.10.2005
    "Der Kreml in Moskau, so wie wir ihn heute wahrnehmen, geht ganz wesentlich auch auf gestalterische Maßnahmen unter Iwan zurück, der diesem Reich mit Moskau und mit dem Kreml in Moskau ein Zentrum gibt, das nicht zuletzt auch als Ausdruck, als Repräsentation seiner Macht dienen sollte, die vielleicht als die glücklichste Phase der russischen Geschichte des Mittelalters anzusehen ist."

    Gertrud Pickhan, Professorin am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin.

    Als Iwan der Dritte am 27. Oktober 1505 im hohen Alter von 65 stirbt, hat er 43 Jahre in Moskau regiert, so lange wie niemand vor ihm und auch niemand nach ihm. Er gilt als der eigentliche Begründer des großrussischen Einheitsstaates, unter seiner Führung wächst das Staatsgebiet um das Vierfache, und Moskau befreit sich von der lang andauernden Tributherrschaft der Tataren.

    1480 stehen sich das russische und das tatarische Heer etwa 100 Kilometer vor Moskau zur Entscheidungsschlacht gegenüber, doch keiner riskiert einen Angriff. Monatelang verharren die Kämpfer dort, bis schließlich eine aus irgendeinem Anlass entstandene Staubwolke dafür sorgt, dass beide Heere schleunigst den Rückzug antreten.

    Iwans Taktik des Aussitzens ist erfolgreich: die Tataren kommen nicht wieder. Der Historiker Hans von Rimscha beschreibt Iwan den Dritten als:

    "Willensstark und klug, geschäftstüchtig und verschlagen, er ist nicht eigentlich tatkräftig gewesen, durchaus unheroisch, keine militärische Natur, jederzeit bereit, wenn die Situation es erforderte, eine schwerfällige elefantenhafte Geduld und Langmut an den Tag zu legen."

    "Aber damit eben ganz anders als seine Vorgänger, die stärker Krieger, Fürsten waren, zu schnellen Taten, zu grausamen Handlungen neigend, von diesen, seinen Vorgängern hebt sich Iwan als eher politisch agierender Herrscher ab, und das war dann tatsächlich auch zum Wohle seiner Untertanen."

    Aus Iwan dem Dritten wird Iwan der Große. Von Byzanz übernimmt er die autokratische Staatsidee und ihre Symbole, den Doppeladler und das Hofzeremoniell. Seither gilt Moskau als "drittes Rom" und Hort der Orthodoxie, Iwan der Große legt sich den Zarentitel zu.

    "Wobei das allerdings nur im diplomatischen Verkehr mit anderen Mächten geschieht: er trägt den Zarentitel, wenn er mit dem Deutschen Orden verhandelt, wenn er mit dem Papst verhandelt, dann ist er bereits der russische Zar, die Legitimierung der Zentralherrschaft durch ein Gottesgnadentum, all das zeichnet sich bei Iwan dem Dritten erstmals ab und legt wichtige Grundlagen für die späteren Zeiten."

    Bis heute gilt Iwan der Große als einer der bedeutendsten Staatsmänner der russischen Geschichte. Hans von Rimscha in seinem Buch "Geschichte Russlands".

    "Er war eine Persönlichkeit von so starker Wirkung, dass Frauen allein durch seinen Anblick ins Zittern gerieten und in Ohnmacht fielen."

    "Obwohl er ja auch einen Beinamen hat, der hier und da in den Quellen auftaucht: ‚Iwan Gorbaty’, dieser Beiname deutet darauf hin, dass er eine leichte Krümmung hatte, möglicherweise darauf zurückzuführen, dass er ungewöhnlich groß war."

    "Eine imposante Erscheinung, schön, hochgewachsen und hager hat er es sich bewusst angelegen sein lassen, den Eindruck seines Äußeren durch ein entsprechendes feierliches Zeremoniell und durch ein stets zur Schau getragenes übersteigertes Selbstbewusstsein entsprechend zu unterstreichen."

    Iwan der Große holt zahlreiche westliche Fachleute ins Land: Ökonomen, Diplomaten, Waffentechniker, Architekten. Von italienischen Baumeistern lässt er den Kreml zur Zarenresidenz ausbauen. Einer der Glockentürme, lange Zeit das höchste Gebäude Russlands, ist nach ihm benannt.