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Motivation und Leistung
Auch die PISA-Tests haben Schwächen

In der Bildungspolitik haben sie sich als wichtiger Indikator etabliert – PISA-Studien vergleichen Schulsysteme und weisen auf mögliche Verbesserungen hin. Bildungsforscher haben nun die Studien selbst untersucht. Das Ergebnis: Die Motivation der Schüler wird von PISA zu wenig berücksichtigt.

Von Martin Hubert | 30.05.2018
    Grundschüler und eine Lehrerin während einer Unterrichtsstunde in einem Klassenzimmer
    PISA-Daten haben sich als wichtiger Masstab dafür etabliert, wie und wo man das Schulsystem eines Landes verbessern kann. (imago / Photothek)
    15-jährige Jugendliche sollen sich stundenlang in einen Saal setzen und Testaufgaben lösen – ohne dass sie etwas davon haben. Sie bekommen ihr Ergebnis nicht mitgeteilt und auch kein anderes Feedback. So laufen PISA-Tests ab, die die Leistungsfähigkeit von Schulsystemen unterschiedlicher Länder miteinander vergleichen sollen. Die Ergebnisse eines Landes werden nur als statistische Gesamtgröße veröffentlicht und dann von Politikern, Wissenschaftlern und Pädagogen bewertet. Dann kommt zum Beispiel heraus, dass Chinesen bei mathematischen Aufgaben ganz oben in der Länderrangliste stehen, die USA aber nur auf Rang sechsunddreißig.
    Uri Gneezy von der University of California in San Diego hatte den Verdacht, dass diese Unterschiede bereits durch das Testdesign mitbedingt sein könnten. Nämlich dadurch, dass chinesische Schüler immer motiviert sind, ihr Bestes zu geben, amerikanische Schüler dagegen dazu angespornt werden müssen:
    "Um das zu überprüfen, verschafften wir den Jugendlichen eine Motivation. Als sie zum Test kamen, gaben wir ihnen 25 Dollar und 25 PiSA-Testaufgaben und sagten ihnen,dass wir für jede falsche Antwort einen Dollar abziehen werden. So hatten sie einen starken Anreiz, sich wirklich anzustrengen", so Gneezy.
    Belohnung verbessert die Leistungen
    Insgesamt verglich Gneezy 700 Jugendliche aus Shanghai und San Diego. Die Studie ist noch nicht veröffentlicht, aber Gneezy stellte sie jetzt auf einer Tagung des Max-Planck-Instituts für Gemeinschaftsgüter in Bonn zur Diskussion. Die Ergebnisse sind eindeutig:
    "Die Jugendlichen aus Shanghai haben sich durch den finanziellen Anreiz nicht verbessert, wahrscheinlich, weil sie beim Test schon von Anfang an alles gaben. Die Jugendlichen aus den USA dagegen schnitten deutlich besser ab. Wenn man sich die Rangliste in Mathematik anschaut, dann hätten sie sich von Rang 36 auf Rang 19 vorgeschoben – allein dadurch, dass wir ihnen am Anfang des Tests 25 Dollar gegeben haben!"
    Amerikanische Jugendliche scheinen demzufolge nur an ihre Leistungsgrenzen zu gehen, wenn sie etwas dafür bekommen. Zumindest die Jungs:
    "Beim Geschlecht bestätigte sich das, was wir erwarteten hatten. Die Mädchen sagten, dass sie sich auch ohne zusätzliche Anreiz wirklich anstrengen wollen, die Jungs nicht . Und tatsächlich verbesserte die Belohnung vor allem das Ergebnis der Jungs."
    "Wir müssen die Testergebnisse künftig anders interpretieren"
    Für den Bildungsforscher Uri Gneezy lassen diese Ergebnisse nur einen Schluss zu:
    "Wir müssen die Testergebnisse künftig anders interpretieren. Denn der Test ist nicht so verlässlich wie wir glauben. Er misst eben nicht nur die Leistungsfähigkeit. Er misst auch die Motivation, sich bei einem Test richtig ins Zeug zu legen, für den man keine Belohnung erhält."
    Gneezy will keineswegs in Zukunft allen Jugendlichen vor dem PISA-Tests Geld versprechen. Denn es könnte ja sein, dass die chinesischen Schüler zwar nicht auf Geld reagieren, aber auf andere Motivationsanreize. Anders als in Gneezys Test würden sie dann in Mathematik vielleicht noch besser als bisher abschneiden und erst so ihre höchste Leistungsfähigkeit erreichen:
    "Wir haben noch eine Menge zu lernen. Der erste Schritt besteht, darin anzuerkennen, dass es hier ein Problem gibt. Das ist die Voraussetzung dafür, es lösen zu können."
    Ein Appell an die PISA-Verfechter, darüber nachzudenken, wie man PISA-Tests so gestalten kann, dass alle Jugendlichen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen gleichermaßen motiviert sind. Matthias Sutter, einer der Direktoren am Bonner Max-Planck-Institut für Gemeinschaftsgüter hält Gneezys Studie für so bedeutsam, dass er eine Folgeuntersuchung starten will. Er möchte testen, inwieweit Jugendliche auch durch andere Anreize motiviert werden können. Zum Beispiel wenn es ein Feedback über Ihre Ergebnisse gibt: für sie selbst, ihre Eltern oder ihre Lehrer. Oder wenn sie bei guter Leistung eine symbolische Belohnung bekommen, zum Beispiel eine Gold- oder Silbermedaille.