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Motten im Windkanal

Biologie. - Windkanäle gibt es Tausende: Autos werden ihn ihnen stromlinienförmig gemacht, die Strömungen an Flugzeugflügeln oder die Wirbel in Wäldern untersucht. In Jena am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie ist nun ein Windkanal eröffnet worden, in dem der Geruchssinn von Insekten untersucht wird.

Von Hartmut Schade | 19.05.2010
    Ob Manduca sexta, der Tabakschwärmer, von seinem neuen Domizil begeistert ist, lässt sich nicht erkennen. Er bleibt einfach in der Transportbox hocken. Begeistert vom Windkanal ist aber Johan Brandenburg, der Technikchef des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena.

    "Wir haben versucht, hier eine Lichtdecke zu kreieren. Also keine Punktbeleuchtung, wo die Motten sich letztendlich drauf konzentrieren können, das wollten wir vermeiden. Wir wollen eigentlich einen Himmel darstellen. Die Möglichkeit an den Insekten zu forschen, sollte sein von Mondschein bis Tageslicht."

    Auch wenn man es angesichts des Geräuschpegels kaum glaubt: Die Jenaer sind auch stolz auf den geringen Lärmpegel ihrer Insektenwindkanäle. Eines kleinen, knapp zwei Meter langen für Fruchtfliegen und eines rund doppelt so großen für Motten und Schmetterlinge. Wobei die Windkanäle der kleinste Teil der Anlage sind. Die Technik in den Nachbarräumen würde ein kleines Einfamilienhaus füllen.

    "Aktivkohlenfilter, Heizregister, Kühlregister, Wärmerückgewinnung. Alles vor Ort."

    Und alles nötig, um in den Windkanälen genau definierte Bedingungen zu schaffen. Neben Temperatur, Luftfeuchte und Licht ist für die Forscher die absolute Geruchsfreiheit der Luft entscheidend. Nur wenn sie alles kontrollieren, können die Jenaer ihr Ziel erreichen, den Geruchssinn komplett zu entschlüsseln.

    "Unsere Untersuchungen haben das Ziel, die ganze Kette zu verstehen. Wie funktioniert das Gehirn, wie funktioniert das an der Insektennase, der Antenne, und wie funktioniert das Verhalten?", "

    sagt Professor Bill Hansson, Direktor des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie. Die Tiere wachsen in Brutschränken auf, die auch über die Windkanal-Anlage klimatisiert werden. So erreicht sie kein Duft, von dem die Forscher es nicht wollen. Für diese gilt deshalb auch ein Parfümverbot. Motten, Fliegen, Mücken und Schmetterlinge sollen keinen Unterschied zwischen Brutschrank und Windkanal merken, um wirklich ihr normales Verhalten beobachten zu können, sagt Dr. Markus Knaden:

    " "Genau haben wir überall die gleichen Lichtverhältnisse in den Brutkammern, auf dem Weg zu den Brutkammern und im Kanal, sodass also, wenn wir ein Tier testen wollen, dann gucken wir erst mal im Brutschrank, welches Tier ist jetzt gerade wach? Welches ist sehr aktiv? Wir können dieses Tier dann ganz vorsichtig in den Kanal bringen und setzen es dann dem Duft aus in dem Kanal und hoffen dann, dass es die nötige Reaktion zeigt."

    Im Windkanal können die Wissenschaftler ganz exakt dosieren, welche Duftmoleküle sie dem Tier anbieten. Soll es nur ein einzelnes Molekül sein oder ein ganzes Bukett wie bei einer natürlichen Pflanze? Sie können Düfte, die Insekten abschrecken, zugeben oder locken sie mit den Pheromonen, den Sexuallockstoffen. Die Jenaer Forscher interessiert dabei besonders, wie ihre duftlos aufgewachsenen Insekten lernen.

    "Man guckt immer, wie sich das auswirkt, wenn ein Tier einen Duft schon sehr oft gerochen hat. Gerade bei den Pheromonen ist das eine wichtige Sache, mal zu schauen, wie ist das denn, wenn die Tiere vorher schon Pheromone gerochen haben, reagieren die dann schneller? Müssen die also Pheromone auch erst mal lernen? Oder der ganze Organismus muss sich drauf einstellen."

    Der Blick ins Mottenhirn zeigte den Wissenschaftlern: Bei Tabakschwärmern, die Sexuallockstoffe oft riechen, sind die Geruchsareale stärker verknüpft. Wie aber geht das Lernen bei neuen Gerüchen vor sich, will Bill Hansson wissen.

    "Es ist erstaunlich, weil diese Tiere, sie brauchen manchmal eine Erfahrung und dann wissen sie. Sie hat ein Gehirn und können wirklich lernen schnell. Auch eine Fruchtfliege, eine Erfahrung und sie hat es gelernt. Genau diese Dinge versuchen wir auch hier zu untersuchen, vom Molekül an der Nase, im Gehirn und dann weiter im Verhalten."

    Die Bedingungen dafür sind in Jena nun ideal. Jetzt müssen nur noch Fruchtfliege, Tabakschwärmer, Mücken und Schmetterlinge mitspielen mit und sich durch die Düfte in den Windkanal locken lassen.