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Mückenstich mit Folgen

Stiche von Mücken, Bremsen oder Pferdefliegen verursachen in diesem Sommer gefährliche Wundinfektionen. Sowohl neu entdeckte Arten oder Arten aus den Tropen können für die Infektionen verantwortlich sein.

Von Michael Engel | 16.07.2013
    Welches Insekt es war, das zugestochen hat, kann Calla Katharina Wilhelm nicht mehr sagen. Wahrscheinlich eine Mücke.

    "Ich merkte dann nur, dass mein Handgelenk immer dicker wurde und dann auch anfing, rot zu werden. Und die Rötung ist in den nächsten 24 Stunden bis über den Ellenbogen in einer Geschwindigkeit gewachsen, dass ich dann echt Angst bekommen habe und dann dachte, ab zu Arzt."

    Mediziner sprechen von einer "Wundrose", wenn sich die Haut nach einem Insektenstich großflächig rötet. In diesem Jahr sind deutlich mehr Menschen davon betroffen. Einmal gibt es mehr Mücken, Folge der Überschwemmungen in Deutschland. Und außerdem, so Dr. Julia Börger, Internistin aus Hannover, sind die blutsaugenden Plagegeister in diesem Jahr besonders aggressiv:

    "Ich könnte mir vorstellen, dass das damit zusammenhängt, dass möglicherweise die Insekten insgesamt aggressiver sind – durch Umweltgifte beispielsweise auch, dass somit eine Lokalreaktion heftiger ausfällt, und durch das Kratzen einfach die Keime in das Gewebe reingebracht werden."

    Die Keime stammen aber nicht vom Insekt. Vielmehr sind es Bakterien, speziell Streptokokken, die auf der menschlichen Haut siedeln. Da die Stiche stark jucken, werden die Erreger in die Wunde hinein gerieben und lösen dort die Infektion aus, erklärt Professor Matthias Stoll von der Medizinischen Hochschule Hannover:

    "Da tritt Lymphe aus. Das ist natürlich ein "idealer Nährboden" gewissermaßen, dann können sich die Streptokokken schon mal an der Oberfläche vermehren, und dann haben die ihren Enzymsatz und können sich damit in die Tiefe gewissermaßen bewegen.

    Streptokokken sind aggressive Erreger. Gelangen sie in den Blutkreislauf, droht eine Sepsis - im schlimmsten Falle Multiorganversagen mit Todesfolge. Gefährdet sind vor allem ältere Menschen mit Vorerkrankungen wie zum Beispiel Diabetes. Jüngere erkranken auch, aber in der Regel nicht so schwer. In allen Fällen gilt: ab zum Arzt, wenn sich eine Wundrose andeutet.

    Julia Börger:
    ""Das erkennt man erst mal an der Rötung der Einstichstelle, die dann aber auch rasch größer wird, heiß wird, schmerzt, sich weiter ausbreitet, relativ glatt begrenzt ist zum noch gesunden umgebenden Gewebe."

    Die Rötung beginnt schon wenige Stunden nach der Infektion und breitet sich schnell aus. Zum Glück sind die Streptokokken relativ einfach zu behandeln. Noch einmal Prof. Stoll.

    ""Die Behandlung der Wahl ist das klassische, alte Penicillin, weil man das unglaublich hoch dosieren kann, ohne dass es dem Körper schadet. Es schadet hauptsächlich dieser Art von Erreger und macht nicht alle anderen Bakterien, die im Körper vorhanden sind, mit kaputt, sondern nur relativ wenige davon. Das macht weniger Nebenwirkungen.

    Wer an der Einstichstelle nicht kratzt, hat gute Chancen, eine Infektion zu vermeiden. Deshalb sind Salben, die den Juckreiz unterbinden, eine gute Wahl. Nur nicht Spucke. Denn auch im Speichel sind, besonders im Falle von Karies, die Streptokokken enthalten. Prinzipiell können die Bakterien bei jeder Wunde zum Problem werden. Bei Insektenstichen indes ist die Gefahr einer Wundrose besonders groß, warnt Dr. Jochen Wedemeyer vom Klinikum Robert Koch in Gehrden bei Hannover:

    "Das Wichtigste ist – glaube ich – nicht daran jucken. Durch das Kratzen eröffnen wir die Haut und stellen damit eine Eintrittspforte für Erreger dar. Am besten einfach Finger von lassen.