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Müller: Es geht nicht nur um fiskalpolitische Diskussion

Stefan Müller, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag, sagt, dass bei seinen Kollegen der Eindruck entstanden sei, man lasse sich von den Finanzmärkten treiben. Daher müsse beim Treffen der Union zur Schuldenkrise nicht nur über Rettungsschirme gesprochen werden.

Stefan Müller im Gespräch mit Peter Kapern | 23.08.2011
    Peter Kapern: Ende der Sommerpause für die Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU. Heute Abend sind sie zu einer Sondersitzung der Fraktion eingeladen. Das Thema: die Wirtschaftskrise, die Schuldenkrise und die Rettung des Euro. Der Unmut in den vergangenen Wochen ist größer geworden, der Unmut darüber, dass einzelne Abgeordnete der Union mit dem Gedanken spielen, Euro-Bonds doch nicht für Teufelszeug zu halten, oder darüber, dass die EZB ihre Unabhängigkeit aufs Spiel setzt und Staatsanleihen aufkauft. Kurzum: die neuesten Windungen der Schuldenkrise den Wählern zu erklären, das fällt immer mehr Abgeordneten der Union schwer. Heute wird Angela Merkel, die Kanzlerin, Rede und Antwort stehen und bei uns am Telefon ist nun Stefan Müller, der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe. Guten Morgen, Herr Müller.

    Stefan Müller: Guten Morgen, Herr Kapern.

    Kapern: Was erwarten Sie vom Auftritt der Kanzlerin?

    Müller: Nun, zunächst einmal haben wir es für richtig gehalten, dass heute diese Sondersitzung stattfindet, damit die Kanzlerin und auch der Bundesfinanzminister noch vor Ende der Sommerpause über die Vereinbarungen zwischen Deutschland und Frankreich informieren und sicher auch auf das eingeht, was an Bedenken von einigen Kollegen in den letzten Wochen dann geäußert worden ist.

    Kapern: Wie groß ist die Zahl der Unions-Abgeordneten, die mit einer Mischung aus Wut, Unverständnis und Ratlosigkeit aus der Sommerpause zurückkehren?

    Müller: Ich will jetzt hier nicht über Zahlen spekulieren. Ich habe da auch keine Erhebung gemacht. Aber ich bin mir sicher, dass natürlich viele in ihren Wahlkreisen und bei den verschiedensten Veranstaltungen jetzt während der Sommerpause auch mit zahlreichen Fragen von Bürgerinnen und Bürgern konfrontiert worden sind, und natürlich auch bei vielen Kolleginnen und Kollegen der Eindruck entstanden ist, dass man jedenfalls was die Euro-Rettung angeht eine ganze Reihe von Fragen beantworten muss, und da soll die Sitzung heute Nachmittag und heute Abend natürlich auch Möglichkeiten geben, diese Fragen dann hier deutlich werden zu lassen und auch Antworten zu bekommen.

    Kapern: Was ist es denn, Herr Müller, genau, was die Bauchschmerzen bereitet bei den Abgeordneten?

    Müller: Nun, der Eindruck ist natürlich schon entstanden, dass wir von einem Krisengipfel zum anderen eilen, ohne dass es die Finanzmärkte, die Investoren in irgendeiner Art und Weise beeindruckt, und ich glaube schon, dass bei vielen Kolleginnen und Kollegen der Eindruck entstanden ist, dass wir uns zu sehr von den Finanzmärkten treiben lassen. Gleichwohl bleibt: wir müssen als Deutschland natürlich uns auch schon darüber im klaren sein, was wir wollen, und es ist im ureigensten deutschen Interesse, dass der Euro stabil ist und dass wir den Euro auch erhalten, und auch darum wird es heute Nachmittag gehen. Es geht eben nicht nur um eine rein fiskalpolitische Diskussion, sondern es geht eben auch um eine wirtschaftliche Dimension, die Bedeutung des Euro für die deutsche Volkswirtschaft, aber es geht eben auch um eine europapolitische Dimension. Der Euro ist das zentrale Projekt der europäischen Integration und da haben wir als Deutsche auch ein Interesse daran, dass das so bleibt.

    Kapern: Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach hat ja gesagt, er könne gegebenenfalls ohne Nachbesserung dem jüngsten Rettungspaket gar nicht zustimmen im Bundestag. Wie viele CSU-Abgeordnete sehen das auch so?

    Müller: Bei mir jedenfalls haben sich in den letzten Tagen keine CSU-Abgeordneten in der Form gemeldet, wie es Herr Bosbach tut. Ich weiß auch nicht, ob es gut ist, jetzt schon solche Vorfestlegungen zu treffen, zu einem Zeitpunkt, wo die Texte ja noch gar nicht vorliegen, also die Texte dessen, was im Juli vereinbart worden ist. Es wird das Kabinett sich in der nächsten Woche damit erstmals befassen und wir werden dann in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause am 5. September uns in einer weiteren, der regulären Fraktionssitzung dann auch mit dem Gesetzentwurf befassen und dann in ein reguläres parlamentarisches Verfahren einsteigen, wo dann auch noch offene Fragen geklärt werden können. Deswegen, glaube ich, ist es klüger, im Augenblick sich mit derlei Wortmeldungen und auch schon Ankündigungen, nicht zustimmen zu wollen, etwas zurückzuhalten.

    Kapern: Wenn ein so gestandener Abgeordneter wie Wolfgang Bosbach mit Nichtzustimmung droht, hat das Signalwirkung für die Fraktion?

    Müller: In jedem Fall ist es ernst zu nehmen. Aber das ist unabhängig davon, welche Funktion ein Abgeordneter, ein Kollege bekleidet, sondern natürlich sind derlei Bedenken immer ernst zu nehmen und darauf muss auch eingegangen werden. Auch dazu dient die Sondersitzung des heutigen Abends, um jedenfalls die Eckpunkte dessen zu besprechen, was im Juli beschlossen worden ist, aber auch darüber zu reden, was insgesamt im Euro und in der Eurozone verändert werden muss. Wir haben ja nun mehrere Probleme, die den Euro betreffen: wir haben eine gemeinsame Währung ohne eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik beispielsweise, es ist ein Problem, dass vor allem die wirtschaftlich schwachen Länder in den Euro eingetreten sind, aber einige starke Länder in Europa außen vor geblieben sind, und auch die Stabilitätskriterien, die wir uns seinerzeit gegeben haben, sind ausgerechnet von Deutschland vor etlichen Jahren als erstes gebrochen worden. Das sind alles Schwierigkeiten, über die zu reden sein wird und die auch verändert werden müssen, und deswegen, finde ich, sollten wir eben nicht nur über Ertüchtigung von Rettungsschirmen reden, sondern auch über das, was im Anschluss daran noch passieren muss im Herbst. Wir werden ja auch noch über die weiteren Rettungsschirme dann ab 2013 reden und über Mechanismen, die dann in Gang gesetzt werden, wenn tatsächlich auch in Zukunft ein Land in eine Schieflage gerät.

    Kapern: Aber irgendwann, Herr Müller, kommt der Tag der Abstimmung im Bundestag. Wird die Koalition eine eigene Mehrheit zu Stande bekommen?

    Müller: Davon bin ich überzeugt.

    Kapern: Was macht Sie so sicher?

    Müller: Wir haben jetzt heute eine erstmalige Beratung, wir haben noch einige Fragen, die geklärt werden, wir werden dann in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause im Rahmen der Haushaltsberatungen erstmals auch darüber, über diesen Gesetzentwurf beraten, und dazwischen auch noch ausreichend Zeit haben, dann alle offenen Fragen zu klären, die noch anstehen, die auch von Kolleginnen und Kollegen formuliert worden sind, und dann bin ich mir am Ende auch sicher, dass viele überzeugt sein werden, dass es der richtige Weg ist.

    Kapern: Stefan Müller war das, der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Herr Müller, danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Müller: Vielen Dank, Herr Kapern.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.