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Multimedia beim "ImPulsTanz"-Festival
Beschwörung der Geister der Zukunft

Andreas Spechtl, umtriebiger Musiker mit Hang zum Diskurs, und der viel beschäftigte Postdramatiker Thomas Köck gestalten gemeinsam die Performance "Ghostdance" für das "ImPulsTanz"-Festival in Wien: Inspiriert von Poptheoretiker Mark Fisher sollen im Museum für Moderne Kunst Geister beschworen werden.

Von Paul Lohberger | 13.07.2018
    ´Musiker Andreas Spechtl & Theaterautor Thomas Köck
    Musiker Andreas Spechtl und Theaterautor Thomas Köck beim ihrem "Ghostdance" (Foto © Max Zerrahn)
    In keinem anderen Genre konzentrierte sich die künstlerische Innovationskraft in den letzten Jahrzehnten so stark wie im Feld von zeitgenössischem Tanz und Performance. Das Wiener ImPulsTanz Festival begleitet diese Entwicklung seit 1984. Es fungiert jeden Sommer als Fixpunkt der Szene und als Szene-Barometer. Heiße Newcomer und große österreichische, europäische und internationale Namen bestimmen das Programm. Doch es bietet auch Kooperationen mit anderen Genres. Ein Beispiel ist die Uraufführung von "Ghostdance", eine Art Sound Ausstellung, deren Klänge um die Konzepte zwischen Zukunft und Vergangenheit schwingen, konzipiert und realisiert von dem Musiker Andreas Spechtl und dem Postdramatiker Thomas Köck.
    Andreas Spechtl: "Wenn man so über Zukunft nachdenkt, nämlich indem man zuerst den Blick zurückwirft, was es da eigentlich in der Vergangenheit für Konzepte gegeben hat, dann ist man gleich mal beim Geist und beim Gespenst."
    Andreas Spechtl war Kopf und Frontmann einer hochintellektuellen Rockband. Doch nach dem Sprung von Wien nach Berlin verlor Spechtl das Interesse, den Weg des vorgezeichneten Erfolges weiterzugehen. Hier arbeitet auch ein anderer Österreicher: Thomas Köck beherrscht derzeit das Spiel von Theater, Moral und Zeitgeist wie nur wenige. So wie er mit Stoffen und Texten umgeht, haben seine Stücke einen fixen Platz auf den progressiven Bühnen des deutschen Sprachraums.
    Séance des 20. Jahrhunderts
    Thomas Köck: "Ich find' bei mir eher erstaunlich, dass ich mich bislang als Theaterautor tarnen konnte."
    Andreas Spechtl: "Ich glaub', das zeichnet das aus, dass wir nur an unseren extremsten Punkten quasi diesen Zuschreibungen entsprechen - ich, der Musiker, Thomas, der Theatermann."
    Sie trafen sich, weil Spechtl die Musik zu einem Stück von Köck machen sollte. Daraus wurde nichts, dafür haben die beiden nun gemeinsam ihre erste Soloausstellung im Wiener MUMOK, dem Museum für Moderne Kunst. Korrespondierend mit der aktuellen Ausstellung über Bildende Künstler, die Musik machen, haben Köck und Spechtl einen "Ghostdance" gestaltet. Das 70-Minuten-Event soll eine Séance des 20. Jahrhunderts sein, die zweimal stattfindet. Primär hörbar, vielleicht auch tanzbar, jedenfalls ist Eigendynamik vorgesehen.
    Thomas Köck: "Auf der unteren Ebene gibt's eine Art Videoinstallation und im Treppenhaus eine Art Soundinstallation, die das Foyer und das Treppenhaus beschallt, und oben gibt’s so eine Art-Live-Performance, so 'ne Art konzertantes Readymade, weil's irgendwie Performance und Konzert zusammenbringt."
    Rückkoppelung zur Geisterbeschwörung
    Oben, in einem dunklen Raum, stehen sich zwei Tische gegenüber, dahinter der Musiker und der Autor. Während Spechtl Sounds aus dem Laptop generiert, betätigt sich Köck als DJ. Zwei altmodische Mikrofone hängen von der Decke. Wer an diese herantritt, zeichnet seine Silhouette in einen hellen Lichtkreis, der auf eine Leinwand dahinter projiziert wird.
    Die Mikrofone dienen zum Erzeugen einer geordneten Rückkoppelung. Damit sollen sich die Geister über acht Stereo Kanäle verselbständigen, erklärt Thomas Köck: "Also dieser gesamte Raum bildet dann einen Kreis aus Sound, der auch wandern kann wie in diesem archaischen Ghostdance, den es ja bei indigenen Völkern gab als eine Form des Umgangs mit den Toten, der diese Form anhand von den Lautsprecherboxen quasi imitiert oder sich dessen bedient."
    Mit den Mikrofonen wird auch gesungen oder deklamiert - wenig überraschend bei Andreas Spechtl, unerwartet bei Thomas Köck.
    Mark Fishers Texte waren eine zentrale Inspirationsquelle für die Inhalte von "Ghostdance". Der britische Autor beschäftigte sich mit dem Phänomen von Zukunftsvorstellungen aus der Vergangenheit: unerfüllte Sehnsüchte, Visionen oder Wünsche, die durchs kollektive Gedächtnis spuken. In diesem Sinn haben Köck und Spechtl beispielsweise O-Ton-Material von Frauen verarbeitet, die in den 1960ern als Pionierinnen der Synthesizer Musik wirkten.
    Andreas Spechtl: "Wir haben wahnsinnig viel recherchiert, haben wahnsinnig viel Material. Aber man macht das schon mit dem Raum, mit den Leuten, wie es passiert. Die Geschichten, die erzählt werden, die Samples, die wir abspielen, das sind erst mal die Dinge, die da im Raum tanzen. Wir werden nicht tanzen, und das Publikum kann gern dazu tanzen, aber - genau so viel hat's mit Tanz zu tun."
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