Donnerstag, 18. April 2024

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Multiple Sklerose
Die Krankheit der vielen Gesichter

Multiple Sklerose äußert sich ganz unterschiedlich, verläuft oft schubweise. Für die Betroffenen bedeutet das ein Leben mit vielen Unwägbarkeiten. Eine 49-jährige MS-Patientin erzählt, wie die Krankheit sich bei ihr äußert - und wie sie bemerkt hat, dass etwas nicht stimmt.

Von Lennart Pyritz | 10.04.2018
    Die Illustration zeigt eine gesunde (l) und eine von Makrophagen geschädigte Nervenzelle (r).
    Die Illustration zeigt eine gesunde (l) und eine von Makrophagen geschädigte Nervenzelle (r). (picture-alliance / dpa / Wissen Media Verlag)
    Also ich hatte eine Gesichtslähmung, der Mund hing, und da war mir sofort klar: Das ist jetzt nicht normal. Und dann bin ich ins Krankenhaus gefahren, und dann hat es aber trotzdem noch ein Dreivierteljahr gedauert, bis es diagnostiziert worden ist - was bei MS ja auch nicht so unüblich ist. Und dann habe ich aber sukzessive Probleme bekommen mit der Hand, dann kamen die Beine dazu, und dann kam noch eine zweite Gesichtslähmung.
    Daraufhin bin ich dann auch direkt in die Uni-Klinik gekommen. Das war dann wahrscheinlich auch ein stückweit mein Glück. Und dann gab's das volle Programm mit Liquor-Untersuchung, MRTs. Und dann war relativ schnell klar, dass es in diese Richtung geht, dass es eine neurologische Erkrankung ist.
    Dann war's so, dass ich nach drei, vier Monaten gemerkt hab, dass die Erkrankung - wie man so schön sagt - richtig Gas gibt: Schwere in den Beinen, Kribbeln, dann hatte ich auch einen Tremor in der Hand. Da war dann für mich ganz klar - ich hab zwei Kinder -, dass ich gedacht habe: Nee, das kommt jetzt nicht in Frage. Daraufhin habe ich dann mit der Medikamentierung begonnen, hab zwischendurch im Abstand von drei, vier Monaten auch immer nochmal Schübe gehabt, die ich dann aber mit Kortison-Stoß-Therapien immer wieder ganz gut in den Griff bekommen habe, und hatte dann, würde ich sagen, ab 2014 gut anderthalb Jahre auch eine gute Phase.
    Dann kam aber 2016 ein ganz starker Einschnitt mit einem ganz schweren Schub - mit längerem stationären Aufenthalt, Reha. Da brauchte ich knapp zwei Monate einen Rollator. Das war ein extremer Einschnitt. Da hat sich bei mir nochmal ganz viel geändert, weil ich diese zwei Jahre davor eigentlich so weiter gemacht habe wie immer. Es ist ja auch so, dass es eine Erkrankung ist, die man jetzt nicht unbedingt nach außen trägt, wo ich dann für mich entschieden hab': Och, da kannst du mit leben, wenn das so bleibt. Es gibt ja diese große Bandbreite bei der MS. Als dann Behinderung Thema war, starke körperliche Einschränkung, da hat sich nochmal ganz viel verändert, muss ich sagen - auch in meinem Umfeld.
    Jetzt bin ich seit ein paar Monaten tatsächlich sogar komplett ohne Gehhilfe, selbst wenn ich mich mal ein bisschen überanstrengt hab. Also ich hab eine wirklich deutliche Verbesserung erfahren. Und das ist bei der MS so eine sehr einschneidende Erfahrung. Dieses Lernen, sich mit einer Situation zu arrangieren, zu gucken, was mache ich jetzt, aber nicht aufzugeben, weil die Krankheit einen doch auch immer wieder mal zurück wirft.