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Multitasking beim Medienkonsum

Bei der alljährlichen ANGA COM in Köln dreht sich alles um den Fernseh- und Internetzugang via Kabelnetz oder Satellit. Dieses Jahr wurde vor allem darüber diskutiert, welche Möglichkeiten das Modell des komplett vernetzten Hauses privaten Anwendern in der Zukunft bieten könnte.

Von Michael Gessat | 08.06.2013
    Die Messeleitung freut sich über einen neuen Rekord: 17.000 Fachbesucher haben den Weg nach Köln gefunden, 1700 nahmen am begleitenden Kongressprogramm teil – an das breite Publikum richtet sich die ANGA COM ausdrücklich nicht. Experten wiederum wird das Wort "Horizon" bekannt vorkommen – so heißt die neue Plattform, die der Provider UnityMedia/KabelBW nach dem Start in Holland und der Schweiz demnächst auch in Deutschland einführen will. Pressesprecher Helge Buchheister:

    "Das ist ein Gateway, das wir unserem Kunden geben, über das er alle unsere Dienste benutzen kann: Fernsehen, Breitband-Internet, und Telefonie, alles in einem Gerät. Das ist eben der große nächste Schritt von Horizon gegenüber unseren bisherigen Endgeräten."

    Eine Kombination also aus Kabelmodem, Festplattenrecorder und WLAN-Router, die man kaufen oder mieten kann; mit einer per Flash animierten Navigationsoberfläche, über die der Kunde dann auch problemlos den Weg zum kostenpflichtigen Video-On-Demand-Angebot oder zum TV-AppStore des Kabelanbieters findet. Und natürlich ermöglicht die moderne Schaltzentrale im Wohnzimmer auch den Zugriff auf die eigene Mediensammlung auf dem Rechner, auf dem Netzwerkspeicher oder in der Cloud und den Zugriff auf YouTube, Flickr und Social Media.

    Aber: All das bieten ja mittlerweile die TV-Geräte selbst, die Settopboxen und Harddiskrecorder oder die externen Mediencenter wie etwa die Apple-TV-Box. Im Extremfall kann der Kunde unter vier verschiedenen Oberflächen wählen, um auf ein und dieselben Inhalte zuzugreifen.

    "Wir glauben nichtsdestotrotz, dass für Horizon auch noch Platz in diesem Markt ist. Die Integration in einem Gerät, die Reduzierung von Geräten, von Einzelgeräten zu Hause, ist was, von dem wir glauben, dass es für den Kunden einen Wert an sich darstellt."

    Konkurrenz belebe das Geschäft und fördere die Innovation - gegen neue Plattformen wie Horizon hat Gerd Thiedemann vom deutschen Hersteller AVM also gar nichts einzuwenden; wohl aber gegen Endgerätezwang für Kunden und verriegelte Schnittstellen zum Netz:

    "Insofern freuen wir uns, wenn der Zugang zu diesen Märkten weiter offen und wettbewerblich gestaltet werden kann, so dass eben an den Kabelnetzen, an den DSL-Netzen, an den LTE- und weiteren Netzwerken, die Zugang zum Internet bieten, wenn dort offene Systeme und offene, interoperable Standards vorgesehen werden, dann ist das für alle Beteiligten immer die beste Lösung."

    AVM profitiert ebenso wie anderen Netzwerktechnikanbieter von der Herausforderung, den für HD oder gar 4K-Auflösung erforderlichen Datenstrom im Haushalt weiterzuverteilen – der auf der ANGA überall präsentierte Trend heißt nämlich "Multiscreen". Andreas von Ow von Nagravision:
    "Beim Multiscreen geht es im Wesentlichen darum, dass sie nicht nur Fernsehen schauen wollen auf ihrem Fernsehgerät, was im Wohnzimmer steht, sondern sie wollen auch auf anderen Geräten ihren Content schauen."

    Also überall Zugriff auf alle Inhalte, entweder unterwegs über das Internet, oder zu Hause in allen Räumen der Wohnung – für Pay-TV-Anbieter ist dabei wichtig, dass beim Streaming nicht Verschlüsselung beziehungsweise Kopierschutz auf der Strecke bleiben. Dass das Tablet oder das Smartphone im heimischen Wohnzimmer mittlerweile die Fernbedienung abgelöst hat, sorgt einerseits für schöne Hoffnungen bei den Anbietern:

    "Sie sehen ein schönes Auto im Film - es könnte sein, dass sie auf dem Tablet ein Fenster kriegen, wo sie sich einen Werbespot anschauen können für dieses Auto, wenn sie möchten."

    Andererseits birgt das Multitasking beim Medienkonsum auch ernste Gefahren für das Geschäftsmodell von Inhaltsanbietern: Wer sagt, dass die moderne Couch-Potato nicht gerade auf dem Tablet in ganz anderen Onlineshops einkauft, "facebookt" oder chattet – und deswegen auch von der im linearen Programm laufenden Werbung noch viel weniger Notiz nimmt als in alten Zeiten? Auch für Experten wie von Ow ist daher noch nicht absehbar, ob und wie die "Monetarisierung von Multiscreen und vernetztem Haushalt" eigentlich funktionieren soll.
    Einfacher hingegen ist die Sache für Geräteanbieter: Neue Technik liefert neue Verkaufsargumente. Mit Unterhaltung und Shopping ist für Andre Schneider von Samsung das Thema "Connected Home" noch längst nicht ausgereizt:

    "Worum es jetzt geht ist, den Massenmarkt zu erreichen mit Lösungen, die … völlig neue Nutzungskonzepte für den Kunden realisieren lassen. Das heißt, wir verbinden die Segmente Multimedia mit Hausautomatisation, mit dem Bereich Energie, Gesundheit und auch Hausgeräte – um dann zu schaffen, dass der Kunde eine Gesamtlösung hat."