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Museo Casa de la Memoria in Medellín
Ein Museum der Erinnerung und Versöhnung

Mehr als 250.000 Todesopfer hat der bewaffnete Konflikt in Kolumbien gefordert, der über 50 Jahre dauerte. Der Frieden seit der Unterzeichnung des Abkommens Ende 2016 ist brüchig. In Medellín wurde 2006 das Museo Casa de la Memoria gegründet - auch zur gesellschaftlichen Aussöhnung.

Von Burkhard Birke | 22.07.2018
    Außenansicht des Museo de la Memoria in Medellín / Kolumbien.
    Das Museo de la Memoria im kolumbianischen Medellín (Deutschlandradio / Burkhard Birke)
    "Die Gewalt und die Auswüchse des Konfliktes, an die wir in diesem Museum erinnern, existieren noch in Kolumbien. Deshalb müssen wir der Gewalt in besonderer Weise gedenken. Denn die Erinnerung lebt."
    Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen, in der Hoffnung, dass die Zukunft besser wird!? Als Direktorin ist sich Adriana Valderrama der Herausforderung bewusst. Die Casa de la Memoria ist mehr als Museum und Ort des Erinnerns. Die Casa de la Memoria ist ein Platz der Zuflucht und der Versöhnung geworden – vor allem für die Opfer des Konfliktes wie Teresa Gaviria.
    "Hier exhumieren wir die Leichen einiger junger Männer. Wir mussten das selbst in die Hand nehmen, weil sich die Staatsanwaltschaft nicht richtig gekümmert hat."
    Teresa Gaviria deutet auf verschiedene Bilder an der Fotowand.
    "Den da haben die Guerilleros auf dem Gewissen und den hier die Paramilitärs. Irgendwie müssen wir damit fertig werden. Diese Frau hier hat unendlich viel geweint und ich hatte schlaflose Nächte."
    Katalysator für den Schmerz
    Teresa Gaviria hat selbst einen Sohn verloren. Seither organisiert die kleine drahtige Frau die Madres de la Candelaria - eine Gruppe von fast 900 Müttern von Verschollenen in Medellín und Umgebung. Sie treffen sich häufig hier im Museum, reden, diskutieren, halten Workshops ab. Im Untergeschoss des Gebäudes haben sie einen ganzen Raum gestaltet und einen Lebensbaum gebastelt:
    "Schauen Sie, so kamen die Frauen zu uns: Verzweifelt, traurig wie ein Baum ohne Blätter und hier sind sie wieder stark."
    Um die Stärkung der Opfer geht es: Das Museo Casa de la Memoria gibt ihnen den nötigen Platz, dient als Katalysator für den Schmerz.
    Allein in Medellín sind 600.000 Opfer des bewaffneten Konfliktes registriert, die meisten davon sind Vertriebene. Für die Verantwortlichen in der Stadt war das der Grund, einen Ort des Erinnerns zu schaffen. Mitten ins Zentrum Medellíns, beim Parque Bicentenario, ließen sie einen langgezogenen, schmalen anthrazitfarbenen Betonklotz errichten.
    Die Psychologin Cindy Arboleda steht vor einer Fotowand im Museo de la Memoria.
    Die Psychologin Cindy Arboleda leitet das Team der Museumsführer. (Deutschlandradio / Burkhard Birke)
    "Das Museum wurde wie ein Tunnel geplant. Denn wir glauben doch, dass das Gedächtnis ein dunkler Ort ist. Um sich zu erinnern, muss man erst dorthin gelangen, eine gewisse Strecke zurücklegen. Deshalb ist auch die Haupthalle dunkel. Durch die Beleuchtung werden bestimmte Texte und Erfahrungen hervorgehoben, aber man muss durch das Dunkel der Erinnerung und am Ende gelangt man ins Helle, in den Tunnel des Widerstandes."
    Wie Licht und Schatten liegen auch Krieg und Frieden eng beieinander, erläutert Cindy Arboleda weiter. Die Psychologin leitet das Team der Museumsführer, die ein wenig Licht in die dunklen Kapitel Kolumbiens bringen.
    Hohle, innen beleuchtete Würfel als Tische mit Exponaten, Fotowände und interaktive Bildschirme klären auf. So erfährt der Besucher u.a., dass in den zurückliegenden Jahrzehnten 142 Journalisten, 900 Lehrkräfte und 5.000 Mitglieder und Sympathisanten der Partei Union Patriotica ermordet wurden, die aus einem früheren Friedensprozess hervorgegangen war.
    In den Ausstellungsräumen stehen meist Einzelschicksale im Vordergrund oder prangen als Sterne am dunklen Himmel.
    Erinnerung ohne Rachegefühle
    "Diese leuchtenden Sternenpunkte stehen für die schier unendliche Zahl der Opfer in unserem Land. Wir wollen sie so zeigen, wie sich die Angehörigen an sie erinnern, und scannen dazu Fotos ein, damit wir die Toten nicht vergessen,"
    sagt Cindy Arboleda. Viele kleine Elemente fügen sich zu einem Mosaik des Grauens zusammen.
    "Die Ausstellung mache einfach nur traurig", kommentiert diese Besucherin. Einer anderen bricht sie das Herz. Seit sie sich erinnern könne, habe sie Gewalt erlebt von Guerilla und Paramilitärs. An den Friedensprozess glaubt die etwa 60ig-jährige Blanca Mejia nicht. Auf Frieden hofft sie dennoch.
    An die Opfer erinnern, um eben diesen Frieden zu säen: Das sieht Museumsdirektorin Adriana Valderrama als die eigentliche Aufgabe der Casa de la Memoria.
    "Die Erinnerung darf nicht mit Rachegefühlen einhergehen. Es geht auch nicht darum, Gerechtigkeit zu fordern oder zwischen Guten und Bösen zu unterscheiden. Wir wollen natürlich auch keine Wut oder Hass schüren, die die Gesellschaft weiter spalten. Wir wollen alle mit einbeziehen. Denn es gibt nicht eine Erinnerung, sondern viele Erinnerungen. Mit diesen Erinnerungen und unserer begleitenden Arbeit wollen wir Räume für Versöhnung schaffen."