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Museum der Moderne
Streit um geplanten Standort

Für das Museum der Moderne in Berlin ist ein prominentes Grundstück zwischen der Neuen Nationalgalerie von Mies an der Rohe und der Philharmonie von Hans Scharoun vorgesehen. Das sorgt für Streit. Dazwischen zu bauen, sei sehr schwierig. "An der Potsdamer Straße sitzt man zwischen drei Gebäuden, die alle welterbeverdächtig sind. Da kann man nicht glänzen", sagte der Achitekturkritiker Nikolaus Bernau.

Nikolaus Bernau im Gespräch mit Frederik Rother | 21.07.2015
    Klare Kante: Die Neue Nationalgalerie von Ludwig Mies van der Rohe in Berlin.
    Mit Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie und Scharouns Philharmonie gibt es am geplanten Standort schon zwei architektonische Schwergewichte (dpa / picture alliance / Jörg Carstensen)
    Frederik Rother: Zunächst nach Berlin – das entwickelt sich immer mehr zur Bauhauptstadt: der Flughafen, die Staatsoper Unter den Linden und das Berliner Stadtschloss. Jetzt kommt ein weiteres Vorhaben hinzu, über das schon länger diskutiert wird: das Museum der Moderne. Es soll eines Tages die Kunstschätze des 20. Jahrhunderts zusammenführen, die in der Neuen Nationalgalerie keinen Platz haben. Letzten Donnerstag erst gab der Bundestag grünes Licht für dieses Projekt und bewilligte knapp zweieinhalb Millionen Euro – erst einmal nur für einen Architekturwettbewerb. Streit aber, den gibt es jetzt schon, und zwar um den geplanten Standort. Die Bundesregierung will aus Kostengründen von Anfang an nur einen Standort zulassen, und der soll – alternativlos – an der Potsdamer Straße liegen, am sogenannten Kulturforum. Dort gibt es mit Scharouns Philharmonie und Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie bereits zwei architektonische Schwergewichte, die die Aufgabe der Gestaltung nicht leichter machen. Mit dem Architekturkritiker Nikolaus Bernau habe ich über die Kontroverse gesprochen, und ich habe ihn gefragt, ob der Streit um das geplante Museum der Moderne ein Sommerlochthema sei.
    Nikolaus Bernau: Nein, überhaupt gar nicht, er soll ganz im Gegenteil im Sommerloch versenkt werden. Das ist ganz offensichtlich die Strategie von Kulturstaatsministerin Monika Grütters und auch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, man will möglichst wenig Debatte, und dann lohnt es sich eben, wenn man eine Debatte genau vor dem Sommerloch beginnt.
    Rother: Woran liegt das denn Ihrer Meinung nach?
    Bernau: Vor allem da dran, dass es eine sehr strittige Angelegenheit ist. Es geht ja immerhin um 200 Millionen Euro, das ist sehr, sehr viel Geld, und es geht um ein Projekt, bei dem sehr viele Museumsleute der Meinung sind, dass es vollkommen überflüssig ist. Aber vor allem geht es um drei Grundstücke, die sich gegenseitig quasi ausschließen: Es gibt ein Grundstück an der großen Potsdamer Straße, sehr repräsentativ gelegen, sehr monumental auch, direkt neben der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe, neben der neuen Staatsbibliothek von Hans Scharoun und neben der Philharmonie, also allerbeste Lage, aber genau deswegen eben auch sehr problematisch, weil dazwischen zu bauen, ist einfach schwierig. Und es gibt ein etwas abgelegeneres Grundstück hinter der Neuen Nationalgalerie, das wird von den Museumsleuten eigentlich bevorzugt, aber ist eben abgelegener. Und deswegen gibt es den großen Streit, welches Grundstück soll man nehmen. Frau Grütters hat jetzt quasi entschieden, sie möchte an der Potsdamer Straße bauen – je länger die Debatte dauert, desto größere Widerstände gibt es dagegen möglicherweise.
    Rother: Welches Grundstück wäre denn Ihrer Meinung nach besser oder vielleicht sogar am besten geeignet für den Neubau?
    Bernau: Am besten wäre vor allem geeignet, wenn man vorher einen städtebaulichen Wettbewerb machen würde, das heißt, dass man erst mal auslotet, welches Grundstück wäre wofür wie geeignet. Das wäre zentral. Nach aktuellem Stand der Kenntnis ist wahrscheinlich das Grundstück hinten an der Sigismundstraße das besser geeignete, einfach weil es das einzige ist, bei dem alle Museumsbauten, die dort vorhanden sind, miteinander verbunden werden können, das heißt über Übergänge über die Straße oder durch Tunnel et cetera. Das ist ein ganz entscheidender Vorteil. Der zweite entscheidende Vorteil ist, denke ich, auf diesem abgelegenen Grundstück, dort kann ein Architekt wirklich glänzen, da kann er mit allem Möglichen spielen, da kann man zur Not sogar Zaha Hadid fragen oder Daniel Libeskind oder Renzo Piano. Vorne an der Potsdamer Straße sitzt man zwischen drei Gebäuden, die alle welterbeverdächtig sind. Da kann man nicht glänzen, da darf man gar nicht glänzen, das hat die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher schon ganz deutlich gesagt, die Architektur soll zurückhaltend sein. Ja, aber dann ist das Problem beim Kulturforum, mit einer zurückhaltenden Architektur kann man das Problem nicht weiter lösen. Das ist nämlich, dass die Leute dort nicht hinkommen, dass es sie nicht interessiert, dass es ein totes Gelände ist.
    Rother: Das wäre jetzt auch meine Frage gewesen: Wie kann man denn zwischen den Bauten von Mies van der Rohe und Scharoun ein repräsentatives Gebäude bauen und hinstellen?
    Bernau: Das wird sehr, sehr schwierig, für jeden Architekten, der dort bauen soll, der dort bauen will, einfach weil es so unglaublich dominante Architekturen sind. Mies van der Rohes Nationalgalerie ist wie ein Tempel, der steht völlig frei, der braucht eigentlich ganz viel Luft rundherum. Hans Scharouns Staatsbibliothek ist wie ein Gebirge, das braucht gar keine Luft, das braucht eigentlich eine Antwort darauf. Leider stehen aber die Nationalgalerie und die Staatsbibliothek direkt nebeneinander. Das heißt, wenn man sich dazwischen noch fummeln will, wird das sehr, sehr kompliziert, da braucht man Weltklasse-Architekten für. Aber wollen Weltklasse-Architekten auf einem Grundstück bauen, bei dem man im Wesentlichen nur ein Geschoss über die Erde kommen kann und den Rest in der Erde versenken muss?
    Rother: Jetzt könnte es ja sein, dass dieses Projekt doch wieder auch sehr groß wird, viele Millionen Euro kosten wird, 200 Millionen sind eingeplant. Da steht ja die Frage auch im Raum: Brauchen wir denn diesen Neubau überhaupt?
    Bernau: Sehr, sehr viele Museumsleute sind der Meinung – eigentlich alle außerhalb der Nationalgalerie, wenn man es ganz genau nimmt, also außerhalb derjenigen Institution, die direkt bevorzugt wird –, eigentlich sind alle anderen Museumsleute der Meinung, man braucht diesen Museumsbau nicht. Man braucht eigentlich einen Neubau für die Gemäldegalerie, und zwar direkt neben dem Bode-Museum auf der Museumsinsel, sodass dann die jetzige Gemäldegalerie umziehen kann und in das Haus die modernen Meister einziehen können. Das ist die große Rochade, die vor drei Jahren einmal heftig international debattiert wurde, aber die Politiker haben sich aus reinen Kostengründen, nicht etwa aus pragmatischen Gründen oder aus Gründen der Museumspolitik, aus reinen Kostengründen entschieden, wir bauen lieber erst einmal ein kleines Gebäude oder ein relativ kleines Gebäude für die Nationalgalerie, das wir aber politisch durchsetzen können, mit 200 Millionen, statt den viel sinnvolleren Neubau zu machen für die Gemäldegalerie, der aber eben derzeitig auf 400 Millionen kalkuliert wäre.
    Rother: Das heißt, es ist eine politisch unausgegorene Lösung?
    Bernau: Es ist aus meiner Perspektive eine vollkommen unausgegorene Lösung, weil sie nämlich nicht auf lange Perspektive gedacht ist, sondern nur auf das, was man innerhalb dieser Legislaturperiode durchsetzen kann, und so macht man eigentlich keine Museumspolitik.
    Rother: Nikolaus Bernau war das zu der Kontroverse um den Standort des Museums der Moderne in Berlin.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.c