Dienstag, 23. April 2024

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Museum des 20. Jahrhunderts
"Die Chancen für den Neubau sind nicht besonders groß "

Das neue Museum der Moderne in Berlin könnte doch teurer werden als geplant. Viele hoffen zwar auf einen neuen Impuls für die Berliner Museenlandschaft, "die Frage ist nur, ob man nicht mit einem etwas günstigeren Gebäude schneller weiterkommt", sagte Kunstexperte Hanno Rauterberg im Dlf.

Hanno Rauterberg im Gespräch mit Mascha Drost | 11.06.2019
Das Foto zeigt von links nach rechts den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), Architekt Jacques Herzog, Architekt Arno Lederer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin Michael Eissenhauer und Senatsbaudirektorin Regula Lüscher im Oktober 2016.
Modell für das Museum der Moderne in Berlin im Oktober 2016. (dpa-Bildfunk / Sophia Kembowski)
Mascha Drost: 200 Millionen Euro - für 200 Millionen Euro. Soviel ist in etwa die Kunstsammlung Heiner Pietsch wert - Werke von Dalí, Miró, Max Ernst oder Dorothea Tanning sind darunter, und sie sollen der Grundstock sein für das neue Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin.
Lange wurde darüber diskutiert - erst über den Standort, das Kulturforum ist es geworden, und natürlich über das Geld. Aber diese Diskussion ist noch nicht vorüber. 200 Millionen - davon war man ausgegangen - jetzt fängt man wieder an zu rechnen, und plötzlich stehen sogar 400 Millionen im Raum. Und wer Berlin kennt, der weiß: Billiger als geplant wird es eher selten. Zudem wurden in letzten Jahren viele Millionen in Um- und Neubauten der Berliner Museumslandschaft gesteckt.
Droht also einer der prestigeträchtigsten Museumsbauten Deutschlands zu scheitern? Darüber habe ich vor der Sendung mit Hanno Rauterberg gesprochen, Redakteur bei der Zeit. Wie wichtig ist dieser Neubau überhaupt für Berlin, könnte von ihm eine ähnliche Strahlkraft ausgehen wie vom MoMA in New York oder dem Centre Pompidou in Paris, wie immer so gern behauptet wird?
Hanno Rauterberg: Viele erhoffen sich diese Strahlwirkung auf jeden Fall. Viele denken auch an die Elbphilharmonie in Hamburg, wo ja auch die Schweizer Architekten Herzog und de Meuron beteiligt waren. Am Anfang waren alle ganz begeistert von diesem wahnsinnig verheißungsvollen Entwurf. Das allerdings war in Berlin von Anfang an anders. Manche sagen, das Museum sehe aus wie eine Scheune, und das stimmt auch in gewisser Weise. Entsprechend hofft man nun darauf, dass die Innenräume vor allem überzeugen werden, aber zu diesen Innenräumen muss es erst kommen und die entsprechenden finanziellen Hürden sind ja gewaltig hoch. Viele sprechen schon davon, dass es möglicherweise doppelt so teuer werden könnte, vielleicht sogar dreimal so teuer werden könnte, wie ursprünglich geplant.
"Wer in Berlin baut, muss tief graben"
Drost: Könnte es tatsächlich am Geld scheitern? Und wieso hat man sich wieder einmal verkalkuliert?
Rauterberg: 200 Millionen Euro waren ja ursprünglich vom Haushaltsausschuss des Bundes genehmigt worden. Das ist aber eine Zahl, mit der eigentlich niemand mehr rechnet, wenn man sich mal hinter den Kulissen umhört. Viele sprechen schon von 400 Millionen Euro, und das ist auch nicht völlig unrealistisch. Denn wer in Berlin baut, muss tief graben, und wer tief gräbt, der kommt in diesen feuchten unberechenbaren weichen Untergrund in Berlin, an dem schon viele Bauten gescheitert sind. Man muss sich dieses Museum so vorstellen, dass es im Wesentlichen unterirdisch liegen wird. Entsprechend groß sind die Risiken.
Sinkende Besucherzahlen in den Berliner Museen
Drost: Braucht es denn diesen Neubau überhaupt? Oder müsste man sich nicht die Konzepte der schon bestehenden Museen einfach nur genauer anschauen? Es ist ja schon erstaunlich, dass die Besucherströme, anders als in anderen Metropolen, ja ausbleiben. Bei der einen oder anderen Ausstellung muss man vielleicht ein Ticket mit Zeitfenster buchen, aber lange Schlangen sieht man für gewöhnlich kaum, auch in den wichtigen großen weltberühmten Museen. Woran liegt das?
Rauterberg: Die Nationalgalerie gehört ja mit zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die insgesamt 19 Museen und Häuser betreibt in Berlin, und alle 19 zusammen haben noch nicht mal halb so viele Besucher wie der Louvre in Paris - um mal eine Vorstellung zu geben, wie schwach besucht die Museen sind. Und obwohl die Touristenzahlen in Berlin stark gestiegen sind, sind diese Besucherzahlen auch noch stark gesunken über die letzten Jahre hinweg. Das hat unterschiedlichste Gründe, liegt aber auch tatsächlich an der Museumspolitik.
In Frankfurt beispielsweise ist es den Direktoren gelungen, ihre Sammlung viel attraktiver zu machen durch unterschiedliche Unternehmungen, natürlich auch durch berühmte Namen, aber nicht nur, und auch durch kluge inspirierende Ideen. Das will in Berlin nicht recht gelingen, was, glaube ich, auch etwas mit diesem riesen Apparat zu tun hat. 2000 Mitarbeiter arbeiten für diese Stiftung. Es ist ein sehr schwerfälliges Gebilde. Viele jüngere Kuratoren, die Erfolg hatten, sind dann rasch weggegangen, ob nach Frankfurt oder nach Wien. Da tut sich dieser Apparat sehr schwer. Er ist immer noch wieder in der Lage, neue Projekte anzuschieben. Es wird wahnsinnig viel für die Museen gebaut, sehr viel Geld in Architektur investiert, aber das, was dann herauskommt, ist doch eher schwach und steht in keinem Verhältnis zu den Summen, die da ausgegeben werden.
Stiftung Preußischer Kulturbesitz soll reevaluiert werden
Drost: Aber könnte der Neubau des Museums des 20. Jahrhunderts – so soll es ja heißen -, könnte der nicht einen Impuls geben für die Berliner Museumslandschaft?
Rauterberg: Ja, viele hoffen darauf. Das mag auch so sein. Die Frage ist nur, ob man nicht mit einem etwas günstigeren Gebäude oder mit anderen Ausstellungsideen da weiterkommt, auch schneller weiterkommt. Ich verstehe die Kuratoren, die sagen, sie wollen jetzt möglichst viel Fläche für ihre großartige Sammlung, in der auch viele großformatige Werke sind. Trotzdem frage ich mich oft, ob das der richtige Weg ist, gerade für eine Nationalgalerie, von der man ja erwarten könnte, dass sie auch ungewöhnliche Konzepte erprobt, dass sie die Moderne noch mal anders denkt, in andere Zusammenhänge einbettet. So könnte man sich auch vorstellen, dass diese Idee der ständigen Sammlung, dass Bilder immer zu sehen sind, reduziert wird, möglicherweise auf einen Kern reduziert wird, wo man viel stärker vom Wechsel, vom Wandel, von der immer neuen experimentellen Ausstellungsform lebt. Denn das vor allem war ja die Moderne.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz soll jetzt noch mal evaluiert werden vom Wissenschaftsrat. Man hat sehr viel Geld in den letzten Jahren und Jahrzehnten ausgegeben, um alle möglichen Museen neu zu errichten oder zu renovieren. Deswegen sind die Chancen dafür, dass jetzt dieser Neubau entsteht, nicht so besonders groß, fürchte ich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.