Donnerstag, 28. März 2024

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Museum entfernt Brundage-Büste
Der politischste IOC-Präsident

Ein Museum in San Francisco hat die Büste des ehemaligen IOC-Präsidenten Avery Brundage entfernt. Die offizielle Begründung: Brundage habe rassistische und antisemitische Ansichten unterstützt. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Der US-Amerikaner agitierte gegen Schwarze und sympathisierte mit den Nazis.

Maximilian Rieger und Arne Lichtenberg | 24.06.2020
Der amerikanische Sportfunktionär und Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Avery Brundage, neben einem Plakat, das für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München wirbt.
Avery Brundage, war von 1952 bis 1972 Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). (dpa / picture-alliance / UPI)
"The Games Must Go On", die Worte, die während der Olympischen Spiele 1972 in München aus dem Mund von Avery Brundage kamen, markieren ein Stück Sportgeschichte. Die palästinensische Terrororganisation "Schwarzer September" hatte während der Spiele einen Terroranschlag auf die israelische Mannschaft verübt, in dessen Zuge alle elf israelischen Geiseln, sowie fünf Geiselnehmer und ein Polizist starben. Der Abbruch der Spiele stand im Raum, doch das IOC und Brundage zogen die Sache durch. Die Entscheidung stieß bei vielen auf Kritik. Einige wenige Athleten reisten ab. Auch die überlebenden Mitglieder der israelischen Olympiamannschaft verließen München.
Im Zuge der Black-Lives-Matter-Demonstrationen sorgt der Name des fünften IOC-Präsidenten wieder für Schlagzeilen. Das Asian Art Museum in San Francisco hat eine Statue von Brundage abgebaut. Das Museum begründet den Schritt damit, dass Brundage rassistische und antisemitische Ansichten unterstützt habe. Dabei hatte Brundage das Museum erst möglich gemacht, indem er seine gesammelten Kunstwerke schon zu Lebzeiten der Einrichtung vermacht hatte. Durch den Tod von George Floyd und die folgenden Black-Lives-Matter-Proteste müsse das Museum nun aber die eigene Geschichte aufarbeiten, hieß es. Die Statue zu entfernen sei da nur ein erster Schritt.
Ein Verfechter der unpolitischen Spiele
"Rassismus und Antisemitismus ziehen sich durch das politische Handeln von Brundage innerhalb des IOC", sagt der Sporthistoriker Lorenz Peiffer dem Dlf. 1968 schloß Brundage die beiden schwarzen US-Sprinter Tommie Smith und John Carlos von den Olympischen Spielen im Mexiko aus, nachdem beide auf dem Podest die Faust nach oben gestreckt hatten. Die schwarze Faust gilt als Symbol der Black-Power-Bewegung. Sportfunktionär Brundage schickte beide Athleten nach Hause und verbannte sie von den Spielen. "Er hat dafür gesorgt, dass die beiden als Sportler in den USA keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen haben", sagt Lorenz Peiffer. Denn offiziell war Brundage ein großer Verfechter der Idee, Olympia unpolitisch zu halten.
Tommie Smith (Mitte) and John Carlos (rechts) bei der Siegerehrung der 200-Meterläufer 1968 in Mexiko-City: Der Gold- und der Silbermedaillengwinner heben die Faust als "Black Power"-Geste für die Bürgerrechte der Schwarzen.
Tommie Smith (Mitte) and John Carlos (rechts) bei der Siegerehrung der 200-Meterläufer 1968 in Mexiko-City. (picture-alliance / United Archives/TopFoto)
Auf Kuschelkurs mit den Nazis vor Berlin 1936
Dabei hatte er bei den Spielen 1936 in Berlin in Nazi-Deutschland komplett gegensätzlich agiert. Nachdem Hitler 1933 die Macht ergriffen hatte, gab es eine Boykottbewegung gegenüber den Spielen in Berlin. Besonders stark auch aus den USA, dem Heimatland von Brundage. Er sollte daraufhin im Vorfeld der Spiele 1934 die Zustände in Deutschland untersuchen und sich ein eigenes Bild davon machen, wie die Lage in Hitler-Deutschland wirklich ist. NSDAP-Funktionäre begleiteten alle Gespräche, die Brundage vor Ort in Deutschland führte.
Zu diesem Zeitpunkt waren Juden schon aus deutschen Sportvereinen ausgeschlossen und durften nur noch in eigenen Vereinen Sport treiben. Aber als er mit jüdischen Vertretern sprach, sagte Brundage, dass in seinem Verein in Chicago auch keine Juden teilnehmen dürften. "Brundage war eindeutig Nazi-Sympathisant. Er hat Hitler bewundert, vor allem für seinen Anti-Kommunismus", sagt Sporthistoriker Lorenz Peiffer. Aus den privaten Notizen von Brundage geht zudem hervor, dass er eine Diktatur für die beste Art der Regierung hielt. Zurück in den USA wirkte Brundage massiv darauf hin, dass die Abstimmung über einen Olympia-Boykott der US-Mannschaft knapp abgeschmettert wurde.
Diem, Linnemann und von Halt: Auch Deutschland hat umstrittene Sportfunktionäre
Auch in Deutschland gibt es umstrittene Sportfunktionäre mit schwieriger Vergangenheit. Der bekannteste ist wohl Carl Diem. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete er die Sporthochschule Köln und fungierte als deren erster Rektor. Dabei hatte er in den letzten Kriegstagen noch eine Rede gehalten hat, mit der er Volkssturmeinheiten in den Kampf trieb. Trotzdem wurden Straßen nach Diem benannt, viele Städte änderten das inzwischen - doch ein paar existieren noch.
Im niedersächsischen Steinhorst gibt es noch einen Felix-Linnemann-Sportplatz. Linnemann war von 1925 bis 1945 DFB-Präsident und für die Deportation von Sinti und Roma verantwortlich. Und im nordrhein-westfälischen Radevormwald gibt es eine "Ritter-von-Halt"-Straße, benannt nach Karl Ritter von Halt, Mitglied im Freundeskreis Reichsführer SS. Er war hauptverantwortlich dafür, die jüdische Hochspringerin Gretel Bergmann von den Spielen 1936 auszuladen. Trotzdem wurde von Halt nach dem Krieg Präsident des Westdeutschen Olympischen Komitees. Anders als der DFB haben viele andere Verbände ihre Historie aus dieser Zeit noch nicht aufgearbeitet.