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Musik
Bachs Weihnachtsoratorium I und II

Wenn es um Bachs Weihnachtsoratorium geht, führt für ein Profi-Ensemble vom Range des Rundfunkchors Berlin kein Weg an der Akademie für Alte Musik Berlin vorbei, dem führenden Barockorchester. Heute stehen die ersten beiden Teile auf dem Programm. Außerdem bringt der Chor A-cappella-Werke von Andreas Hammerschmidt, Morten Lauridsen, Erhard Mauersberger und Max Reger zur Aufführung.

Von Johannes Jansen | 25.12.2014
    Das Weihnachtsoratorium BWV 248 ist ein sechsteiliges Oratorium für Soli (SATB), gemischten Chor und Orchester von Johann Sebastian Bach.
    Das Weihnachtsoratorium BWV 248 ist ein sechsteiliges Oratorium für Soli (SATB), gemischten Chor und Orchester von Johann Sebastian Bach. (Deutschlandradio / Bettina Straub )
    Die Rösser sind angespannt: "Die musikalische Quadriga" startet in die zweite Runde, heute mit Aufnahmen des Rundfunkchors Berlin. Dazu begrüßt Sie am Mikrofon Johannes Jansen. Unter dem Dach der ROC - nicht obendrauf wie beim Brandenburger Tor - hat unsere Quadriga ihr Zuhause. ROC steht für die vom Deutschlandradio als Hauptgesellschafter mitgetragene Rundfunk-Orchester und -Chöre Berlin GmbH, in der neben dem Rundfunkchor auch das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, das Deutsche Symphonie-Orchester und der RIAS Kammerchor organisatorisch zusammengefasst sind.
    Unabhängig davon verfolgen alle vier Klangkörper ihre eigene Agenda. Auch in der Wahl der Partner sind sie frei und finden sich dennoch (oder gerade deswegen) bei größeren Projekten gern zusammen. Mit einigen herausragenden gemeinschaftlichen Produktionen präsentieren sie sich auch im Programm dieser Woche. Beim heutigen verhält es sich anders, insofern die Partnerwahl nicht im eigenen Haus, aber auch nicht weit davon entfernt stattgefunden hat. Denn wenn es um Bachs Weihnachtsoratorium geht, führt für ein Profi-Ensemble vom Range des Rundfunkchors kein Weg an der Akademie für Alte Musik Berlin vorbei. Es ist eines der führenden Barockorchester unserer Zeit, und es hatte Zeit für einen Auftritt in Berlin, was ja nicht selbstverständlich ist bei einem Ensemble mit weltweiten Verpflichtungen.
    Ein Heimspiel in doppelter Hinsicht war es für den Rundfunkchor aufgrund der Entscheidung - und welcher Chor vermag dergleichen schon?! -, das Weihnachtsoratorium komplett aus den eigenen Reihen zu besetzen. Alle Solopartien einschließlich des Evangelisten werden von Chormitgliedern gesungen, wie es auch zu Bachs Zeit - damals natürlich nur mit Knaben- und Männerstimmen - üblich war. Am Gelingen des Vorhabens gab es nach zehn Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit mit Chefdirigent Simon Halsey keinen Zweifel. Die nun folgende Aufnahme vom 15. Dezember 2011 aus dem Berliner Dom dokumentiert die vereinte Bach-Kompetenz der Akademie für Alte Musik und eines Rundfunkchores, der sich - mag es auch der eigenen, eher neuromantisch geprägten Tradition etwas zuwiderlaufen - einer historisch fundierten Aufführungspraxis nicht verschließt. Hier ist das Resultat: Die Kantaten zum 1. und 2. Weihnachtstag aus dem Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach. Hören Sie den Berliner Rundfunkchor und die Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung von Simon Halsey.
    Die Chorsolisten an der Seite von Tenor Holger Marks als Evangelist sind Barbara Kind und Bianca Reim (Sopran), Christine Lichtenberg, Bettina Pieck und Judith Simonis (Alt), Christoph Leonhardt (Tenor) sowie Sören von Billerbeck, David Stingl und Georg Witt (Bass).
    1. MUSIK: Joh. Seb. Bach, Weihnachtsoratorium I/II
    Sie hörten in einer Aufnahme vom 15. Dezember 2011 aus dem Berliner Dom von Johann Sebastian Bach das Weihnachtsoratorium (Teil I und II) mit dem Rundfunkchor Berlin und der Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung von Simon Halsey. Die Teile III und IV des Weihnachtsoratoriums folgen morgen, die Teile V und VI am kommenden Mittwoch um die gleiche Zeit - aber in jeweils anderer Besetzung - ebenfalls im Rahmen unseres Weihnachtsprogramms mit den Ensembles der Rundfunk-Orchester und -Chöre GmbH Berlin.
    Die zweite Hälfte der heutigen Sendung gehört wieder dem Rundfunkchor Berlin, und zwar allein. Auf dem Programm ab 15.05 Uhr stehen weihnachtliche A-cappella-Sätze unter anderem von Andreas Hammerschmidt, Felix Mendelssohn Bartholdy, Max Reger und Erhard Mauersberger.
    Willkommen zur zweiten Stunde des heutigen Programms in unserer achtteiligen Sendereihe "Die musikalische Quadriga". Am Mikrofon: Johannes Jansen. Es geht um die vier Klangkörper der Rundfunk-Orchester und -Chöre GmbH Berlin - eine Quadriga, die wir uns nicht als schnaubende Rösser vor einem Kampfwagen vorstellen wollen. Eher schon als Hirschgespann, wie es einst Fürst Pückler zu Ausfahrten Unter den Linden benutzte. Und das Gefährt, um die weihnachtliche Anmutung perfekt zu machen, als einen mit klingenden Gaben beladenen Schlitten. Nach dem Weihnachtsoratorium sind es nun etwas kleinere Pakete, aber auch auf ihnen steht als Absender der Rundfunkchor Berlin. Dessen Weihnachtsprogramme sind stets Höhepunkte des Berliner Konzertjahres und die Karten in der Regel schnell vergriffen. Im vergangenen Dezember war es ein A-cappella-Programm; am Anfang stand das Magnificat von Vic Nees, gedacht auch als Hommage an diesen ein Dreivierteljahr zuvor verstorbenen Komponisten und langjährigen Leiter des flämischen Rundfunkchores. Die Solopartie singt die junge schweizerische Sopranistin Charlotte Müller Perrier. Die Leitung hat der dem Chor schon seit den 80er-Jahren - damals noch als Assistent von Dietrich Knothe - verbundene Gastdirigent Michael Gläser.
    2. MUSIK: V. Nees, Magnificat
    Obwohl es sich auf das am 2. Juli gefeierte Fest Mariä Heimsuchung bezieht, hat das Magnificat im Weihnachtsfestkreis einen besonderen Platz. Über die Jahrhunderte hat es so viele kunstreiche Vertonungen erfahren wie wohl kein anderer Bibeltext, und bis heute ist es dabei fast die Regel, am Lateinischen festzuhalten, wie auch Vic Nees in seiner Komposition aus dem Jahr 1981. Sie hörten den Rundfunkchor Berlin unter der Leitung von Michael Gläser; das Sopransolo sang Charlotte Müller Perrier. Dem deutschen, im wesentlichen lutherisch geprägten Weihnachtsrepertoire gehören die nächsten Stücke an. Es sind an Psalmtexte angelehnte Lieder, die jeder kennt und wiedererkennt, mögen die Bearbeitungen auch ganz unterschiedlich sein. Aus dem 17. Jahrhundert stammt "Machet die Tore weit" von Andreas Hammerschmidt, gefolgt vom zutiefst romantischen - wiewohl im 20. Jahrhundert komponierten - Chorsatz "Macht hoch die Tür" von Erhard Mauersberger, hernach "Der Morgenstern ist aufgedrungen", das nach sogenanntem "Quempas"-Brauch im Wechsel vorgetragene "Den Hirten lobet sehre" - beide von Michael Praetorius - und schließlich aus der letzten Kantate des Weihnachtsoratoriums der Bach-Choral "Ich steh an deiner Krippen hier".
    3. MUSIK: A. Hammerschmidt, "Machet die Tore weit"; E. Mauersberger, "Macht hoch die Tür"; M. Praetorius, "Der Morgenstern ist aufgedrungen", "Den die Hirten lobeten sehre"; Joh. Seb. Bach, "Ich steh an deiner Krippen hier"
    Das waren Liedsätze von Andreas Hammerschmidt, Erhard Mauersberger und Michael Praetorius sowie zuletzt der Bach-Choral "Ich steh an deiner Krippen hier" mit dem Rundfunkchor Berlin unter der Leitung von Michael Gläser. Sie hören Auszüge des Weihnachtskonzerts vom 21. Dezember 2013 aus dem Berliner Dom.
    Mit Aufkommen der Liedertafeln und allgemein dem Aufblühen des Chorsingens im 19. Jahrhundert hat sich das Weihnachtsrepertoire aus der Bindung an das kirchliche Zeremoniell gelöst, ohne freilich den religiösen Charakter abzulegen. Einen Platz im Zentrum dieser romantischen Chortradition nehmen Advents- und Weihnachtssätze von Felix Mendelssohn Bartholdy ein, "Lasset uns frohlocken" etwa, aber auch "Unser lieben Frauen Traum" von Max Reger gehört unbedingt dazu. Ein Werk aus unserer Zeit, das freilich längst den Status eines Chor-Klassikers hat, ist die erst zwanzig Jahre alte Vertonung des lateinischen, zur Christmette gehörenden Responsoriums "O magnum mysterium" des US-amerikanischen Komponisten Morten Lauridsen. Alle drei Werke hier nun in der Wiedergabe des Rundfunkchors Berlin.
    4. MUSIK: Felix Mendelssohn Bartholdy, "Lasset uns frohlocken"; M. Reger, "Unser lieben Frauen Traum"; M. Lauridsen, "O magnum mysterium"
    Das waren in einer Aufnahme vom letztjährigen Weihnachtskonzert mit dem Rundfunkchor Berlin drei Chorsätze von Felix Mendelssohn Bartholdy, Max Reger und Morten Lauridsen.
    Keine Weihnacht und schon gar kein Weihnachtskonzert wäre vollständig ohne ein Lied, dessen Geburtsstunde am Heiligen Abend des Jahres 1818 in der kleinen Gemeinde Oberndorf im Salzburgischen schlug. Den Text hatte Hilfspfarrer Joseph Mohr geschrieben und die Melodie dazu der Schullehrer und Organist Franz Xaver Gruber. Weil die Dorforgel in unspielbarem Zustand war, soll es damals mit Gitarrenbegleitung erklungen sein: "Stille Nacht". Gustav Schreck ist der Verfasser der nun folgenden vierstimmigen Chorfassung zum Abschluss des heutigen Programms in der Reihe "Die musikalische Quadriga". Es singt der Rundfunkchor Berlin unter der Leitung von Michael Gläser. Morgen um die gleiche Zeit ist die Quadriga wieder am Start, dann mit den Teilen III und IV des Weihnachtsoratoriums in einer jüngst neu aufgelegten historischen Aufnahme aus dem Jahr 1950. Am Mikrofon verabschiedet sich und dankt fürs Zuhören Johannes Jansen. Frohe Weihnachten!
    5. MUSIK: Fr. X. Gruber (Bearb. G. Schreck), "Stille Nacht, heilige Nacht"