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Die Angst um die Identität

Internet.- In der amerikanischen Diskussion über einen Online-Identitätsnachweis schauen die Entwickler auf Europa. Von Ländern wie Deutschland und Österreich könnten sich die USA das eine oder andere abgucken. Im Interview mit Manfred Kloiber erläutert Wissenschaftsjournalist Peter Welchering, warum.

22.01.2011
    Manfred Kloiber: Und da richtet sich dann der Blick vieler amerikanischer Politiker und Sicherheitsexperten nach Europa. Projekte wie die österreichische Bürgerkarte oder der elektronische Personalausweis spielen da zunehmend eine Rolle in der amerikanischen Diskussion über einen Online-Identitätsnachweis. Kann denn der neue Personalausweis da so etwas wie eine Art Exportschlager werden, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Das hatte erstaunlicher Weise im Sommer vergangenen Jahres tatsächlich erstmal so den Anschein. Nämlich genau zu der Zeit, als die erste Welle der Diskussion über so einen Online-Identitätsnachweis in den USA hochkam. Es gibt allerdings dann einen kleinen Kreis von amerikanischen Politikern, aber wirklich nur ein ganz kleiner Kreis, die sehen natürlich auch im Online-Identitätsnachweis durchaus einen Weg, langfristig darüber so etwas wie einen nationalen Personalausweis einzuführen. Aber das ist eben nur eine sehr kleine Minderheit. Und dieser Punkt macht eben das Modell elektronischer Personalausweis auch so umstritten für viele amerikanische Diskussionsteilnehmer. Denn ein Personalausweis wird von der großen Mehrheit der Amerikaner abgelehnt. Und da sind dann auch die Republikaner in sich zwiespältig. Die wollen zum einen ganz klar einen Online-Identitätsnachweis, aber sie lehnen einen unter Umständen damit dann verbundenen Personalausweis natürlich ab und müssen da dann den Mittelweg finden. Und deshalb finden sie den elektronischen Identitätsnachweis auch ganz attraktiv, sie wollen auch die digitale Unterschrift. Aber sie wollen das auf alle Fälle unbedingt losgelöst von einem amtlichen Ausweis haben.

    Kloiber: Wie wird denn die Diskussion um die Sicherheitslücken des neuen Personalausweises in dieser amerikanischen Debatte wahrgenommen?

    Welchering: Die bisher bekannten Sicherheitslücken werden erstaunlicher Weise relativ rasch vom Tisch gewischt. Und zwar geht da die Argumentation immer ungefähr so in den USA: Wir, die Amerikaner, wollen ja diese Identifizierungsfunktion eben gerade nicht von staatlichen Stellen implementieren lassen, sondern von privaten Dienstleistern, also sozusagen die gute Seite des Schreibtisches. Allerdings werden die privaten Dienstleister natürlich schon dafür extra zertifiziert. Und dadurch würde eben – weil dahinter ja private Dienstleister stecken – die entscheidende Schwierigkeit gelöst. Nämlich, dass die Implementierung und die Einsatzsituation eines solchen Online-Ausweises eben nicht ausreichend mit allen möglichen Angriffsszenarien durchdacht sein könnte. Und das ist eben auch nach Meinung vieler US-Experten beim elektronischen Personalausweis mit seinen Identifizierungsfunktionen und seiner digitalen Unterschrift gerade der Fall. Und das müsse bei einem Online-Identitätsnachweis in den USA unbedingt vermieden werden.

    Kloiber: Gibt es denn schon eine Strategie des zuständigen Büros im US-Handelsministerium, mit dem solche Sicherheitslücken rasch aufgearbeitet oder gar vermieden werden können?

    Welchering: Ja, das ist diese Office for Identity Trust Strategy, so heißt das – sozusagen quasi in die Gründungsurkunde geschrieben worden: Setzt euch zunächst mal mit der Sicherheit bei solchen Fragen auseinander. Und dann haben die auch erstaunlich intensiv für Europäer sich mit den bekanntesten Sicherheitslücken etwa des elektronischen Personalausweises tatsächlich auseinandergesetzt. Und die Lösungen von ganz unterschiedlichen Entwicklern, die unter anderem auch für dieses Office for Identity Trust Strategy gearbeitet haben, und Entwickler aus ganz unterschiedlichen Lagern, muss man sagen – diese Lösungen sind tatsächlich überaus pfiffig. Übrigens auch, was den in dieser Woche bekannt gewordenen neuen Angriff von Jan Schejbal auf die persönliche Identifikationsnummer des elektronischen Personalausweises angeht.

    Kloiber: Herr Welchering, insgesamt gesehen: Wie akzeptiert ist denn dieser Online-Identitätsnachweis in den USA?

    Welchering: Die Diskussion läuft da sehr unterschiedlich, sehr spannend. Und mal hat man in einer Woche den Eindruck, alle lehnen ihn ab, mal hat man dann wieder den Eindruck, alle wollen ihn. Tatsächlich, wenn man mal genauer hinschaut, geht es so, dass es ein paar Bedingungen gibt. Und dann will eine große Mehrheit der Amerikaner auch einen Online-Identitätsnachweis. Aber diese Bedingungen sind klar formuliert und die müssen eingehalten werden. Und die lauten: Wenn die deutschen Sicherheitslücken vermieden werden können, wenn eine solche Ausweis-Identifizierungslösung auf alle Fälle freiwillig bleibt und auf keinen Fall verpflichtend wird, wenn weiterhin im Web gesurft werden darf, wenn es keine zentrale Datenbank gibt, also keine zentrale Datenbank, in der alle gespeichert sind, die eben solch eine Chipkarte mit einem Online-Identitätsnachweis haben, dann sind sehr viele Amerikaner tatsächlich dafür, weil sie sagen: dann können wir ganz klar sehen, eine solche Internet Drivers Licence, wie sie auch genannt wird, hat Vorteile. Denn digitale Signaturen beim Einkauf im Netz oder etwa Altersverifikationen über den Identitätsnachweis oder tatsächlich eine leichte Authentifizierung, wo sie notwendig ist, etwa beim Online-Banking, sind ausdrücklich von den meisten Amerikanern gewünscht. Aber sie sind eben nur dann machbar, wenn sie nicht zur allgemeinen Internetüberwachung führen – und da müssen sie dann auch gleichzeitig technisch zu Ende gedachte Lösungen anbieten, darauf legen die Amerikaner sehr, sehr großen Wert. Und deshalb ist die Diskussion dort im Augenblick auch noch so sehr spannend.