Donnerstag, 18. April 2024

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Musik und Intuition
"Das Wesentliche: zu teilen"

Das Cello hielt die Stimmung, seine Finger sind aber fast abgefroren: Gautier Capuçon hat sich einen lang gehegten Wunsch erfüllt und hat auf einem mehr als 3000 Metern hohen Berg gespielt. Was nach purem Marketing ausschaut, ergab sich alles nur durch Glück und Zufall, erzählt der Cellist im Interview.

Gautier Capuçon im Gespräch mit Susann El Kassar | 07.02.2018
    Der Cellist Gautier Capuçon sitzend, er umarmt sein Instrument, hält in der rechten Hand den Bogen. Er trägt einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd
    Im Wiener Musikverein bestreitet der Cellist Gautier Capuçon in der Saison 2018/2019 eine eigene Reihe, zu der er befreundete Musikerinnen und Musiker eingeladen hat (Felix Broede / Warner Classics)
    "Es war eine unglaubliche Erfahrung", schwärmt Gautier Capuçon, auf dem Petit Combin bei Verbier zu sitzen, umgeben von Schnee und dort oben bei -15°C den Schwan von Saint-Saëns zu spielen. Seine Finger hätten sich zwar nach den drei Minuten angefühlt, als würden sie abbrechen, aber seither sieht er diese Kulisse vor sich, wenn er den Schwan spielt und die Augen schließt.
    Das Cello, der Berg und das Skifahren
    "Ich hatte diesen Wunsch", mit dem Cello auf einem Berg zu spielen, "im Grunde seit ich ein Kind war", erzählt der Cellist. Dazu angeregt hat ihn der französische Schauspieler und Cellist Maurice Baquet. Von ihm gibt es ein berühmtes Foto (von Robert Doisneau), das ihn mit seinem Cello auf einem Berg zeigt. Capuçon war ein großer Fan des Comedians. Er teile mit Baquet natürlich die Liebe fürs Cello, aber auch die Berge und das Skifahren seien eine gemeinsame Leidenschaft, sagt Capuçon.
    Die 15 Stücke, die der Franzose für sein Album "Intuition" ausgesucht hat, haben alle eine bestimmte Bedeutung für ihn. Sie spiegeln verschiedene Abschnitte seines Leben wider. Die französischen Stücke: der Schwan, "Après un rêve" und die Méditation du Thais beispielsweise "sind eng mit meiner Jugend verbunden", sagt Capuçon. "Wenn ich sie spiele, erinnere ich mich daran, wie wir im Winter zu meinen Großeltern gefahren sind, um den ganzen Tag Ski zu fahren. Abends saßen wir vor dem Kamin, aßen einen Snack und im Wohnzimmer machten wir zusammen Musik. Meine Großmutter liebte diese französischen Stücke."
    Wert des gemeinsamen Teilens
    Gautier Capuçon verbindet mit dieser Musik aber nicht nur schöne Erinnerungen, sondern auch Erkenntnisse: "Es geht darum offen zu sein, neugierung zu sein. Es geht darum zu teilen. Das gilt nicht nur für Musik, sondern auch in Unternehmen ist das gemeinsame Teilen plötzlich wieder wichtiger geworden. Ich glaube, wir haben das in den vergangenen Jahrzehnten aus den Augen verloren, und dieser Wert kehrt nun in unser Leben zurück." Gerade als Musiker, der von Konzert zu Konzert reist, sei er oft allein. Aber die musikalischen Erfahrungen - in Konzerten oder in Proben - seien so intensiv, erklärt der Cellist. "Auch weil wir teilen."