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Musikalische Zeitreise
Jane Birkin interpretiert Gainsbourgs Werke neu

Sie waren eines der schillerndsten Paare der 70er-Jahre: Jane Birkin und Serge Gainsbourg. Fast drei Dekaden nach Gainsbourgs Tod geht Birkin letztmalig mit seinem Repertoire auf Tournee und legt eine wunderbare sinfonische Version der bekanntesten Stücke vor.

Von Marcel Anders | 20.05.2017
    Die britische Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin posiert am 25.1.2017 in der Cinematheque Francaise in Paris bei der Ausstellung über ihr Werk für die Fotografen.
    Die Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin hat ein neues Album aufgenommen. (AFP / Jacques Demarathon)
    Jane Birkin: "Serge war unser Baudelaire, unser Rimbaud. Chirac hat sogar gesagt: 'Appollinaire ist tot, aber Gainsbourg stirbt nie.' Womit er einer von vielen Politikern war, die eine völlig unerwartete, poetische Seite offenbart haben. Und auch Brigitte Bardot, Claudia Cardinale und Roland Petit haben die süßesten Sachen gesagt. Genau wie Godard."
    Ein Gesamtkunstwerk aus Film und Musik
    Obwohl sie ihn 1981 für Regisseur Jacques Doillon verließ - ihre Bewunderung und Liebe für Serge Gainsbourg kann und will Jane Birkin nicht leugnen. Schließlich waren sie 13 Jahre liiert, haben eine gemeinsame Tochter und blicken auf ein Gesamtkunstwerk aus Film und Musik, das Popgeschichte schrieb. Wobei sie ihm als Muse und Stimme diente - und nach seinem Tod die Rechte an Stücken erhielt, die sie bis heute interpretiert. Aus gutem Grund:
    "Für mich hat er noch bessere Songs geschrieben als für seine übrigen Musen. Ich werde sie immer hegen und pflegen, weil ich sie als wertvolle Juwelen erachte. Besonders die letzten drei Alben, die entstanden, nachdem ich ihn verlassen hatte. Die sind sogar noch stärker als alles, was er geschrieben hat, als wir zusammen waren. Nämlich 'Baby Alone In Babylon', 'Lost Song' und 'Amour des feintes'. Die 25 besten Songs, die je für eine Frau verfasst wurden."
    Brüchig, dünn und kicksend
    Ein halbes Dutzend davon findet sich auf "Birkin Gainsbourg Le Symphonique" - mit insgesamt 21 Kostproben aus dem umfangreichen Repertoire des Ausnahmekomponisten, die Jane Birkin mit dem japanischen Pianisten Nobuyuki Nakajima arrangiert und mit dem 90-köpfigen Montreal Symphonic Orchestra aufgenommen hat - auf wunderbar altmodische Art, nämlich live im Studio, mit jeder Menge Power, aber auch Filigranität. Eine musikalische Sternstunde, die Gainsbourgs Genialität regelrecht zelebriert - auch wenn Birkins Gesang eher brüchig, dünn und kicksend ist. Doch selbst das kann den Hörgenuss nicht trüben.
    "Es werden bald Standards sein - und deshalb kann ich Serge jetzt loslassen, denn er kommt auch alleine klar. In England wurde 'Melody Nelson' zu den 100 besten Songs ernannt, die je geschrieben wurden - gleich neben Dylan und dem Rest. Damit ist er der einzige Franzose, dem diese Ehre zu teil wird. Und das nicht für 'Je t'aime (moi non plus)', sondern für 'Melody Nelson' - was mich sehr glücklich macht."
    Auftritte in der Öffentlichkeit werden seltener
    Dass sie selbst nicht mehr lange auf der Bühne stehen kann und will, ist offensichtlich. "La Birkin", wie die 70-Jährige in Frankreich genannt wird, ist eine alte, gebrechliche Frau, die unter einer Autoimmunerkrankung leidet, sich nur noch selten in der Öffentlichkeit zeigt und den goldenen Sixties nachtrauert. Eine Zeit, in der sie jung, sexy und glücklich war, dem Jetset frönte und geschickt provozierte. Vor allem mit einem Lied, das sie bis heute nicht live spielt, obwohl es ihr bekanntestes ist - und sie regelrecht verfolgt:
    "Ein englischer Taxifahrer meinte zu mir: 'Was machen sie so?' Und normaler Weise sage ich, dass ich für Unicef arbeite. Aber diesmal konnte ich nicht widerstehen: 'Ich habe mal eine Platte namens 'Je t'aime (moi non plus)' gemacht.' Worauf er eine Vollbremsung hinlegte: 'Dieses verfluchte 'Je t'aime mit Serge Gainsbourg? Dazu habe ich drei Kinder gezeugt! Kann ich Sie zu mir nach Hause fahren, damit Sie mir die Platte signieren?' Als ich das bei der BBC erzählte, wurde ich gleich wieder gebannt - nur, weil ich wiedergegeben habe, wie der Taxifahrer geflucht hat. Ich denke, Serge hätte Tränen gelacht."