Donnerstag, 18. April 2024

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Musiker im Iran
No Sex, no Drugs, no Rock'n'Roll

Das Leben im Iran ist durch die Sanktionen und den Druck der USA noch mal schwieriger geworden. Das bekommt auch die Musikszene zu spüren. International ins Geschäft zu kommen ist kaum möglich. Aber auch strenge Vorschriften durch den Staat machen den Musikerinnen und Musikern das Leben schwer.

Von Karin Senz | 13.08.2019
Junge Popband aus dem Iran, von links nach rechts: Mohammadreza Hariri, Shadi Tabibzadi, Siyavash Sohi.
Eine Band ohne Namen: Die Musiker Mohammadreza Hariri, Shadi Tabibzadi und Siyavash Sohi (v.). (Karin Senz)
"Should I stay or should I go" – der Song drückt das Dilemma vieler iranischer Musiker aus. Mona ist Ende 20 und Sängerin:
"Ich habe überlegt, den Iran zu verlassen und hab‘ es schließlich auch gemacht – wegen der Musik und einer Berufsausbildung in diesem Bereich – und weil ich sorgenfrei arbeiten will."
Soloauftritte von Frauen nicht gestattet
Seit kurzem lebt und arbeitet sie unbeschwert in Österreich. Ihre langen schwarzen Haare sind nicht mehr von einem Kopftuch bedeckt. Im Iran durfte sie zwar als Frau schon auftreten, aber sehr eingeschränkt:
"Ich hab‘ nur eine Erlaubnis als Background-Sängerin gekriegt. Dass ist aber nicht das, was ich wollte und wofür ich geübt habe, aber ich mußte es machen. Und manchmal haben sie mir sogar die Genehmigung als Background-Sängerin wieder entzogen."
Frauen dürfen im Iran nicht solo auftreten. Außerdem laufen sehr politische und erotische Liedtexte Gefahr, zensiert zu werden, und wenn sie sich gegen Religion wenden. Das iranische Kulturministerium kontrolliert das sehr genau.
Maziyar Kavajia sitzt in einem Teheraner Buchladen mit hippem Vollbart und Hut auf dem Kopf. Der 34-Jährige hat mit seiner Band #Tehran eine Lizenz.
Unfreiwillige Selbstzensur
Seine Texte sind unverfänglich, er hält sich also an die Regeln – allerdings mehr widerwillig, scheint es:
"Man muss Musik zum Anhören einreichen. Da soll jemand, der noch nie was von James Brown gehört hat, deine Musik kommentieren, die von Funk und Soul beeinflusst ist. Das geht eigentlich nicht. Das ist doch schon das erste Problem, dass jemand, der sich in dem Bereich nicht auskennt, über was urteilt, was ihm fremd ist."
Maziyar spricht von Selbstzensur. Nur so kann er mit seiner Musik Geld verdienen und vor einem großen Publikum auftreten. Andere ohne Lizenz proben in Kellern und treten maximal in kleinen Clubs auf, immer Gefahr laufend, entdeckt zu und verhaftet zu werden. Auch Mona, die Sängerin, die seit kurzem in Österreich lebt, kennt das und macht ihrem Ärger Luft:

"Es gibt viele Probleme. Das größte Problem sind, meiner Meinung nach, die Sanktionen. Die bereiten Schwierigkeiten, wenn’s um Musik-Equipment und Ausbildungsmaterial aus dem Ausland geht. Und das andere sind die Arbeitsgenehmigungen – vor allem für Sängerinnen, deren Arbeit ja nicht legal ist, sondern als Verbrechen angesehen wird. Auf das Problem bin ich auch immer wieder gestoßen."
Mona spricht die Sanktionen an. Die USA haben sie schrittweise wieder eingeführt, seit sie im Mai vergangenen Jahres aus dem Atomvertrag ausgestiegen sind.
Maziyar vermeidet Kritik an seiner eigenen Regierung, nicht aber an US-Präsident Donald Trump und seine Entscheidung, aus dem Atomdeal auszusteigen:
"Ich denke, man hat geredet und ein Abkommen geschlossen – ob das jetzt gut oder schlecht war. Ich verstehe nicht, wie einer dann sagen kann, das ist nicht das, was ich wollte. Der verhält sich wie ein billiger Promi. Dieser Typ, der für die Supermacht in der Welt steht, sagt wirklich ziemlich unglaubliche Zeug, als würde er Witze machen. Das ist eine Schande für die ganze Welt."
Auftritt bitte ohne Frontfrau
Die junge Shadi Tabibzadi übt mit ihrer Band in einem rumpeligen Probenraum in Teheran. Sie sind zu dritt, einen Namen haben sie sich noch nicht gegeben und auch noch kein Album rausgebracht – sie wissen auch gar nicht, ob sie das wollen. Dafür müssten sie eine Lizenz beantragen und ihr Rebellendasein aufgeben. Shadi trägt einen großen Schal elegant um den Kopf geschwungen, darunter schauen Sie die dunkelbraunen Haare raus. Shadi ist eigentlich die Sängerin, aber bei Auftritten mit Genehmigung darf sie nicht vorne alleine singen:
"Die normalsten Sachen können hier zum Risiko werden. Ich hab den anderen sogar vorgeschlagen, dass ich nur noch als Backgound-Sängerin singe oder die Band ganz verlasse, damit sie eine Lizenz bekommt."
Eines kommt für sie und die beiden anderen in der Band allerdings nicht in Frage: auswandern. Mohammas-Reza Hariri erklärt, warum:
"Unsere Musik ist ein Produkt dieses Landes. Wir können nicht in ein anderes fröhliches Land ziehen und dann über das harte Leben in Teheran singen."