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Musikerin Angel Olsen
Feministin wider Willen

Mit ihrem zweiten Album "My Woman" wagt Angel Olsen den Befreiungsschlag. Mit lästigem Schubladendenken und falschen Projektionen von ihr als Feministin soll jetzt Schluss sein. Für jeden Song ihres Albums schlüpft sie deswegen in eine andere Rolle.

Von Florian Fricke | 27.08.2016
    Die amerikanische Musikerin Angel Olsen
    Die amerikanische Musikerin Angel Olsen (Amanda Marsalis)
    "Es gab Momente, da hätte ich beinahe mitten im Interview den Raum verlassen. Ich habe es einfach nicht mehr gepackt und wollte nicht mehr als Projektionsfläche wahrgenommen werden."
    Angel Olsen bezieht sich auf das Album "Burn Your Fire For No Witness", mit dem sie 2014 einem größerem Publikum bekannt wurde. Eine Platte voll trotziger Songs, mit denen sie gegen den Liebeskummer ansang, der sie damals plagte. Die Presse machte aus Angel Olsen eine Kämpferin für die Selbstbestimmung der Frau - dieses Label fehlte in kaum einer Rezension, ebenso wie der Verweis auf vermeintliche Ähnlichkeiten zur Folkkönigin Joni Mitchell. Das wurde für die Endzwanzigerin zur Last.
    "Dann habe ich versucht mich zu erinnern, wie es damals war, als ich Musik nur für mich und meine Freunde gemacht habe. Mit dem neuen Album will ich versuchen, mich nicht wieder sofort von der Pop-Maschinerie vereinnahmen zu lassen."
    "Immer mit maximaler Intensität und Überzeugung"
    Das neue, dritte Album heißt "My Woman" und es ist auf jeden Fall eine Weiterentwicklung. Angel Olsen hat zum Befreiungsschlag ausgeholt und zeigt ganz neue Seiten von sich - zumindest musikalisch. Für jeden Song schlüpft sie in eine neue Rolle, in ein anderes Ich: Im Opener "Intern" singt sie zu warmen 60er-Jahre-Westcoast-Sound über den grauen Arbeitsalltag, in "Shut up kiss me" holt sie sich, was sie will. Immer mit maximaler Intensität und Überzeugung - man glaubt ihr gerne.
    Die Idee für den neuen Ansatz bekam sie über eine Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Songwriter Cass McCombs:
    "Ich singe bei diesem einen Lied auf seinem neuen Album. Er wollte, dass ich bestimmte Parts einsinge, aber ich habe das nicht hinbekommen. Ich schlug vor, mehrere Gesangslinien übereinander zu schichten. Von dem Ergebnis war ich so begeistert, dass ich mich fragte, warum ich das nicht auf meinem eigenen Album so mache. Und so erklären sich viele neue Elemente auf "My Woman"."
    "Woman", der Song mit der Barbara-Streisand-Theatralik, nach dem auch das Album benannt ist, zeigt am eindrucksvollsten den großen Sprung in ihrer künstlerischen Entwicklung.
    Trotz Genre-Mix bleibt die Platte stilsicher
    Es muss aber nicht immer die große Geste sein. Nach der letzten Tournee erfüllte sich Angel Olsen einen lang gehegten Traum: Sie kaufte ein Klavier, das Instrument, auf dem sie schon als Kind Lieder geschrieben hat. Im letzten Song des Albums, "Pops", schließt sich also ein Kreis, denn es ist ihr erster am und fürs Klavier komponierte Song seit jenen Kindheitstagen.
    "Als ich das schrieb, habe ich mich gefragt, bin das wirklich ich? Und wenn nicht: Darf ich einfach so eine Rolle spielen? All diese Fragen kamen mir in den Sinn, bevor ich die Songs überhaupt fertig hatte. Vielleicht schreibe ich ja irgendwann mal solche atmosphärischen Sachen à la Brain Eno. Im Moment will ich schon meinen alten Stil beibehalten - aber mit Neuem anreichern. So bleibt es interessant."
    Interessant auch für den Hörer. Trotz des Genre-Mix bleibt Angel Olsen über die zehn Songs der Platte stilsicher. Textlich konzentriert sie sich abermals auf ihre Gefühlswelt, die sie schon seit ihrem Debüt beschäftigt. Das alles meistert sie durchgängig souverän und aus dezidiert weiblicher Perspektive. Gut möglich, dass sie damit wieder als Abziehbild der starken Frau herhalten muss – wofür sie ja ihre Fans insgeheim längst schätzen.